[192] Morus (Thomas), Großkanzler von England, geb. 1480 zu London, war ein Sohn des Ritters Joh. Moore, er. hielt seine wissenschaftliche Bildung auf der Universität Oxford [192] und zeichnete sich ebenso durch seine Kenntnisse, wie durch makellose Rechtschaffenheit aus. Als Sprecher im engl. Unterhause legte er eine solche Umsicht an den Tag, daß ihn König Heinrich VIII. zum Kanzler im Herzogthume Lancaster und 1530 zum Großkanzler ernannte, sowie das Reichssiegel ihm anvertraute, was vorher nie in weltlichen Händen gewesen war. Im Besitz der höchsten Gunst des Königs ließ er sich doch nicht zum geringsten Verstoß gegen Billigkeit und Recht und zur Hintenansetzung Dessen verleiten, was er als Pflicht erkannte. Als daher Heinrich VIII. (s.d.) wegen seiner Leidenschaft für Anna Boleyn sich vom Papste lossagte, sich zum Oberhaupt der engl. Kirche erklärte und als solches durch den sogenannten Suprematseid anerkannt zu werden verlangte, legte M. seine Würden 1533 nieder und wurde, weil er den Eid nicht leisten wollte, wie viele andere edle Bürger aus demselben Grunde, als Empörer verhaftet und am 6. Jul. 1535 enthauptet. M. behielt bis zum letzten Augenblicke seine Fassung und ermahnte noch vom Schaffot das versammelte Volk auf rührende Weise zur Frömmigkeit und Zufriedenheit mit den Wegen der Vorsehung. Außer mehren geschichtlichen und dichterischen Werken verfaßte M. auch eine sehr heftige Schrift wider Luther und schilderte in dem auch ins Deutsche übersetzten Werke »Utopia« das Ideal einer Republik.