[221] Sonnenuhren nennt man Instrumente, welche bestimmt sind, durch den Schatten eines dem Sonnenlichte ausgesetzten Stabes, Stiftes oder Fadens die wahre Zeit nach der gewöhnlichen Stundeneintheilung anzugeben. Da die scheinbare Bewegung der Sonne um die Erde durchaus gleichmäßig und von dem Stande der Sonne die Richtung des Schattens eines feststehenden Gegenstandes abhängig ist, so kann man offenbar umgekehrt aus der Richtung des Schattens auf den Stand der Sonne und damit auf die Tageszeit einen Schluß machen. Da sich jedoch der Stand der Sonne nicht nur täglich (in Folge des Umlaufs der Erde um sich selbst), sondern auch jährlich (in Folge des Umlaufs der Erde um die Sonne) ändert, so wird die Vergleichung der Richtung des Schattens mit der Zeit schwierig, wenn nicht der Gegenstand, welcher den Schatten hervorbringt, eine solche Stellung hat, daß die Bewegung der Erde um die Sonne auf die Richtung seines Schattens keinen Einfluß hat, d.h. wenn er nicht selbst die Richtung der Erdachse hat. Die Sonne bewegt sich täglich in einem Kreise um die Erde, welcher dem Äquator der Erde parallel ist. Denken wir uns nun in der Ebene dieses Kreises einen Stift senkrecht aufgestellt (d.h. in der Richtung der Erdachse), so muß der Schatten dieses Stifts sich ebenso regelmäßig um den Stift herumbewegen, wie die Sonne scheinbar um die Erde geht. Um eine Sonnenuhr zu haben, [221] braucht man also nur eine Ebene (z.B. eine Tafel) in der Richtung des Äquators aufzustellen, auf welcher ein Stift senkrecht aufsteht, dann zieht man vom Fußpunkte des Stifts als Mittelpunkt aus einen Kreis und theilt dessen Umfang in 24 gleiche Theile, so werden diese den Stunden entsprechen. Der Mittagspunkt dieser Uhr ist der Punkt in dem Kreisumfange, durch welchen der Meridian des Ortes geht, an dem die Uhr aufgestellt ist, oder auf welchen Mittags um 12 Uhr der Schatten des Stifts fällt. Eine solche Sonnenuhr wird eine Äquinoctialuhr genannt, weil an den Äquinoctialtagen die scheinbare Bewegung der Sonne wirklich mit dem Äquator zusammenfällt. Nach dieser kann man nun jede andere Art von Sonnenuhren herstellen, indem sich bei diesen nur die Richtung der den Schatten auffangenden Ebene ändert, und der Ort, wo der Schatten jedesmal hinfallen muß, läßt sich, wie durch Beobachtung so auch durch Berechnung aus dem Winkel, welchen die Ebene der Sonnenuhr gegen den Äquator macht, berechnen. Bei den Horizontaluhren liegt die Ebene der Sonnenuhr in der Richtung des Horizontes, und der Winkel des Stifts gegen diese Ebene ist also gleich dem Winkel, welchen die Erdaxe gegen den Horizont macht, d.h. gleich der Polhöhe. Verticaluhren sind solche, bei denen die den Schatten auffangende Tafel senkrecht gegen den Horizont steht; man unterscheidet sie je nach der Richtung der Ebene gegen die Himmelsgegenden in Morgen-, Abend-, Mittag- und Mitternachtsuhren. Bei den Polaruhren geht die Ebene verlängert durch die Pole. Man hat bewegliche Sonnenuhren, zu deren Aufstellung nach den Himmelsgegenden eine Magnetnadel dient. Da der Stift der Sonnenuhren Gnomon genannt wird, so nennt man die Kunst, Sonnenuhren zu verfertigen, Gnomonik, welche schon den Alten bekannt war.