[784] Zehnt, Zehent und nach dem Lat. Decem heißt eine Naturalgabe von gewonnenen Nutzungen eines Grundstückes, vom Ertrage eines Bergwerks (Bergzehnt), welche mit dem zehnten Theile davon geleistet werden muß und als dingliche Last auf dem pflichtigen Grundstücke haftet. Beim Bergbau besitzt der Landesherr oder der Staat selbst das Recht auf den Zehnt. Wer den Zehnt zu fodern hat, wird Zehntherr, wer ihn zu geben schuldig ist, der Zehntpflichtige genannt. Zehntpflichtig konnen sowol Rittergüter wie Bauergüter sein, das Recht darauf muß aber auf einem besondern Rechtstitel beruhen und entweder in der allgemeinen Zehntpflichtigkeit aller Güter eines Ortes oder einer Feldmark, oder auf privatrechtlichen Erwerbstiteln bestehen. Mit Berücksichtigung seines Ursprunges und wenn er demzufolge als Steuer an Kirchen, Klöster, Pfarreien aufkam, auch wol noch geistlichen Personen oder Stiftungen geleistet wird, nennt man ihn geistlichen oder Kirchenzehnt, wenn die Empfänger weltliche Personen sind, weltlichen oder Laienzehnt. Es kann ferner der von den Nutzungen eines Grundstücks zu gebende Zehnt in Hinsicht der ihm unterliegenden Nutzungen Frucht- oder Feldzehnt, auch Zehnt zu Felde, welcher nur von Früchten gegeben wird, oder Haus-, Dorf-, Blutzehnt sein, welcher von den Nutzungen des auf dem Grundstücke gehaltenen Viehes zu leisten ist. Der Fruchtzehnt wird in den großen und kleinen eingetheilt und der erste betrifft in der Regel nur sämmtliche Getreidearten, zuweilen auch Alles, was Halm und Stengel treibt, daher auch Heu, sowie in Weinländern auch den Wein; der kleine, auch Krautzehnt, schließt gewöhnlich alle übrigen auf Feldboden (denn unter Gartenrecht stehende Grundstücke sind nicht zehntpflichtig) erzeugte Baum-, Feld- und Gartenfrüchte in sich, also auch Gemüse, Wurzelgewächse, Farbepflanzen. Auch der Hauszehnt wird in den großen und kleinen eingetheilt und zum ersten von Thierarten, selbst von Bienen (daher Immen- oder Bienenzehnt) gezogen, während der kleine sich meist nur auf das Federvieh erstreckt. Wo nicht bestimmte, stets gleichbleibende Abgaben durch Übereinkunft an die Stelle des Zehnts getreten sind, muß derselbe gewöhnlich vom Zehntherrn eingesammelt werden. Erhält er dabei den Fruchtzehent in Früchten und Garben, wie sie vom Felde weggebracht werden, so ist das der sogenannte Naturalzehnt, wird aber eine angemessene Menge ausgedroschenes Getreide gegeben, so spricht man von Sack- und Scheffelzehnt. Unter Novalzehnt, Neubruch- oder Rottzehnt wird der von bisher nicht bestellt gewesenem, ganz neuerdings erst urbar gemachtem Boden zu entrichtende Zehnt verstanden. Bei dem Auszehnten oder Zehntziehen, d.h. der Einfoderung des Zehnts hat der Zehntherr die Wahl, wo er die vom Grundbesitzer aus den Feldfrüchten gebildeten gleichmäßigen Haufen, Garben, Mandeln zu zählen anfangen will, und muß dann mit dem bei der Abzählung auf ihn kommenden zufrieden sein und sie selbst fortschaffen lassen. Über die außerordentlichen Nachtheile des Zehnt in staatswirthschaftlicher Hinsicht herrscht kein Zweifel mehr. Da er vom Gesammt- oder Rohertrage (s. Brutto) eines Grundstücks gegeben werden muß, der Zehntpflichtige also nicht vorher seine auf Urbarmachung, Saat und Ernte verwendeten Kosten, so wenig wie den Antheil für andere Steuern davon abrechnen kann, so bezahlt er diesen ganzen Aufwand im Zehnt theilweise noch einmal und es berechnet sich dieser danach im Durchschnitt dahin, daß er ein Drittel der Bodenrente wegnimmt. Dadurch werden alle einigermaßen kostspieligen Verbesserungen des Bodens und der Landwirthschaft beinahe unmöglich gemacht, weil der Gewinn von den darauf verwendeten Capitalien und Arbeiten von den Zehntherren weggenommen wird und der Zehnt stellt sich daher als ein höchst bedeutendes Hinderniß der Vermehrung des Nationalwohlstandes heraus. Der Widerwille im Volke, auf solche Weise gezwungen zu sein, für Andere zu arbeiten, ist deshalb auch in früherer wie in neuester Zeit nie verhehlt worden und oft in Unruhen ausgebrochen. In Frankreich erfolgte daher die Vertilgung des ganzen Zehntwesens während der Revolution, und auch in Portugal und Spanien ist neuerlich die Aufhebung des Zehnts erfolgt, welche durch Aufhebung der Klöster ungemein erleichtert wurde, weil dadurch zugleich unzählige Zehntherren verschwanden. In Deutschland hat man das Übel fast allgemein auf dem an sich gerechten Wege der Ablösung (s.d.) zu heben angefangen, da die dermaligen Zehntempfänger einmal an der auch nicht immer ungerechten Entstehungsart des Zehnten gewiß unschuldig sind, sodann aber auch die Rechte dazu durch Kauf u. dergl. erworben haben. Es bleibt demnach eine gerechte, dem Werthe entsprechende, billige Ablösung, jedoch nur in Geld und etwa blos bei großen Gütern auch durch Abfindung in Land, das einzige zweckgemäße Mittel zur Beseitigung dieser Last. In den meisten Ablösungsgesetzen wird der reine Ertrag des Zehnts deshalb als vierprocentiger Zins eines Capitals angenommen, das also gefunden ist, wenn man den Zehntertrag mit 25 multiplicirt hat. Da eher zu erwarten steht, daß der Werth des Geldes als daß jener des Grundbesitzes sich vermindere, so ist bei den durch Befreiung seines Grundstückes dem bisher Verpflichteten noch außerdem erwachsenden Vortheilen um so weniger dagegen einzuwenden. Dagegen kann es in vielen Fällen sehr rathsam sein, wenn der Staat die Ablösungen noch dadurch begünstigt, daß er einen Theil der Ablösungscapitalien aus der Staatskasse zuschießt. Daß übrigens dem Staate und als dessen Vertretern den Regierungen das Recht zustehe, unter den für die Gesetzgebung geltenden Formen den Zehnt gleich andern gemeinschädlichen Rechten für ablösbar zu erklären, unterliegt keinem Zweifel. Was das Aufkommen des Zehnts anlangt, so haben dazu im Alterthume bei vielen Völkern übliche Abgaben von ähnlicher Art das Vorbild geliefert. Auch bei den Israeliten war er zufolge des Mosaischen Gesetzes eingeführt, er war in Griechenland und bei den Römern gebräuchlich und indem letztere an deutsche Einwanderer und Gallier in röm. Provinzen Ländereien gegen [784] Vorbehalt des Zehnts von den Feldfrüchten überließen, wurde der weltliche Zehnt auch diesen bekannt. Unbestimmt ist, wenn der Zehnt die Hauptquelle zur Erhaltung der christlichen Geistlichen geworden ist, die anfänglich nur von freiwilligen Geschenken lebten. Schon im 5. Jahrh. wurde jedoch der Zehnt von der Kirche häufig bei Androhung geistlicher Strafen gefodert, gegen welches Verfahren aber Kaiser Justinian I. ein besonderes Gesetz erließ. Allein die Kirchenversammlung zu Macon im I. 585 ordnete die Entrichtung des Zehnt an die Kirche bei Strafe der Excommunication an, was spätere Kirchenversammlungen bekräftigten und weltliche Fürsten anerkannten und unterstützten. Demungeachtet erhielt die Kirche nicht überall den Zehnt in gleichem Umfange und unbestritten. Auch im Bauernkriege (s.d.) war der Zehnt eine Hauptbeschwerde der empörten Bauern. In England kam er schon unter den sächs. Königen auf, wurde frühzeitig auch in Schottland und Irland eingeführt und hat in Großbritannien den größten Umfang erreicht. In Irland ist er auf alle Nutzungen des Bodens und der Viehzucht ausgedehnt worden, daher auch vorzüglich drückend, und da er von Katholiken meist an Geistliche von der engl. Kirche gegeben werden muß, fortwährend die Ursache zu unruhigen Auftritten und Misvergnügen gewesen.