[459] Juden. Der Rechtszustand der Juden im römischen Reich, nachdem dieses das Christentum als Staatsreligion erklärt hatte, war so beschaffen, dass sie zwar in der Ausübung ihrer Religion geschützt, jedoch beschränkt in der Ausbreitung derselben, dazu ausgeschlossen von allen Ämtern, verhindert christliche Arbeiter und Sklaven zu besitzen, und des Connubiums mit den Christen beraubt waren. So blieb es vorläufig auch in den germanischen Staaten; denn wenn auch schon unter den Merovingern einzelner Judenverfolgungen Erwähnung geschieht, so scheinen im ganzen die Fürsten sowohl als das Volk die Juden unbehelligt gelassen zu haben. Unter den Karolingern namentlich genossen sie einer grossen Freiheit in der Art ihres Erwerbes, und diejenigen Juden, welche für die Bedürfnisse des königlichen Hofhaltes sorgten, waren in den besonderen Schutz des Königs aufgenommen und mit besonderen Privilegien ausgestattet. Sie waren von allen Abgaben, Zöllen und Staatslasten befreit, besassen Grundstücke und durften auch Christen in ihren Dienst und Lohn nehmen; der Sklavenhandel ist ihnen gestattet und der König behält sich in allen wichtigen Angelegenheiten die Gerichtsbarkeit über seine Schutzjuden vor. Zu dieser Zeit befand sich der Handel zur See hauptsächlich in jüdischen Händen; Juden vermittelten den Waarenverkehr mit dem Orient. Karl der Grosse und Ludwig der Fromme erliessen eigene Gesetze für die Juden; auch eine Eidesformel wurde für sie ausgearbeitet. Im Jahre 817 wurde bestimmt, dass sie den zehnten Teil ihres Handelsgewinnes an den König abgeben sollten, während christlichen Kaufleuten die Abgabe des elften Teiles aufgebürdet war.
Mit der Aufnahme der Städte findet man Juden in grösserer Anzahl nur in der südlichen Hälfte von Deutschland und im Westen; in den Städten an der Ost- und Nordsee und in den nördlichen Marken kommen sie erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts oder noch später vor; am zahlreichsten waren sie am Rhein, an der Donau, vom Elsass bis nach Böhmen, Mähren, Österreich und Schlesien; weniger zahlreich im mittleren Deutschland; man nimmt daher an, dass sie grösstenteils von Italien und Frankreich in Deutschland eingewandert seien. Ausdrücklich erwähnt werden Juden in Metz, Köln, Mainz, Worms, Speier, Regensburg, Bamberg, Merseburg, Magdeburg und Prag.
Jahrhunderte lang scheinen die[459] Juden friedlich und ohne sonderliche Anfechtung unter den Deutschen gelebt zu haben. Als aber durch die Kreuzpredigt am Ausgang des 11. Jahrhunderts auch die niederen Volksklassen in Bewegung gesetzt wurden und ungeordnete Scharen durch die Gegenden des Rheins, des Mains und der Donau zogen, verhängten diese in religiösem Fanatismus, wohl auch durch die Reichtümer der Juden gereizt, eine blutige Verfolgung über sie: wer das Leben wahren wollte, musste sich taufen lassen; doch kehrten sie bald wieder zum alten Glauben zurück, ohne dass der Kaiser und die deutsche Geistlichkeit ein Hindernis in den Weg legten; nur der Papst sprach sich entschieden dagegen aus.
Seit dem 13. Jahrhundert besitzt man Zeugnisse dafür, dass die Juden des Kaisers Kammerknechte genannt wurden; man bezeichnete damit die besondere Schutzgewalt des Königs, unter der sie standen und wofür sie dem König ein Schutzgeld zahlten, dessen Erhebung aber auch auf andere, namentlich die Bischöfe als Herren der Städte, in welchen sie wohnten, übertragen ist. Die Sage führte diesen Schutz auf die Zerstörung Jerusalems zurück, wo Josephus die übergebliebenen jüdischen Gefangenen ihrer dreissig um einen schlechten Pfennig verkaufte, Kaiser Titus dieselben aber zu eigen in des Reiches Kammer geführt haben sollte. Waitz führt dieses besondere Schutzverhältnis auf die karolingische Zeit zurück, während Stobbe dasselbe erst in der Zeit Friedrich II. entstehen lässt.
Die Kammerknechtschaft der Juden war jedoch von geringem Erfolg; seit den Kreuzzügen wuchs die Unsicherheit ihrer Stellung, und die Kaiser selbst beuteten ihr Recht habsüchtig aus; man entwickelte jetzt die Theorie, dass den Juden ihr Vermögen nur precario gehöre und vom Kaiser jeder Zeit wieder genommen werden könne. Man zwang sie zuzeiten, ihre Privilegien freiwillig herauszugeben, oder man raubte sie ihnen mit Gewalt, um ihnen für neue Privilegien grosse Summen zu erpressen oder sie fortzujagen; namentlich waren die Juden verpflichtet, jeweils bei einem neugewählten Kaiser um Bestätigung ihrer Privilegien einzukommen, und der Kaiser hatte es in seiner Hand, ob er sie überhaupt leben lassen wolle; that er dieses, was natürlich immer geschah, so hatte die Judenschaft dafür, abgesehen von den regelmässigen Steuern, eine besondere ausserordentliche Abgabe zu entrichten, welche den dritten Teil ihres Vermögens ausmachte; Sigismund war der erste, der diese »Ehrung« innerhalb ganz Deutschlands verlangte und bezog.
Der Judenschutz konnte als königliches Regal an andere Herrschaften übertragen werden. In den Reichsstädten blieben die Juden am längsten unter dem direkten Schutze des Kaisers; in den bischöflichen und landesherrlichen Städten war es anfangs meist der Bischof oder Landesherr, auf den das Regal übertragen war, und der es später an die städtische Obrigkeit abzugeben pflegte; oft wechselte auch der Inhaber des Judenschutzes. Kaiserliche Privilegien zur Gestattung einer neuen Judengemeinde werden seit Friedrich II. besonders an kleinere Herren oder an kleinere, neu aufkommende Städte erteilt, wobei die Zahl der aufzunehmenden Juden und die Dauer des Privilegs oft näher bezeichnet ist. Das Motiv der Judenaufnahme, oft sind es bloss ihrer zwei, ist entweder die Herbeischaffung von Personen mit grossen Geldsummen, oder die Erwerbung steuerkräftiger Bürger. Mit der Zeit hatten fast alle Landesherren und Städte das Recht erhalten, Juden bei sich aufzunehmen;[460] die Juden waren landesherrliche oder städtische Kammerknechte geworden. Ihr Domizil ohne Genehmigung ihres Herrn zu verlassen, war den Juden nicht gestattet.
Waren die Juden in den ersten Zeiten des Mittelalters die eigentlichen Vertreter des Handels, so änderte sich dies seit den Kreuzzügen und dem Aufkommen der Städte ebenfalls. Sie durften von jetzt an nicht mehr den Grosshandel betreiben und auf Messen und Märkten erscheinen, sondern blieben auf den Schacher und Wucher beschränkt, auf kleine und grosse Darlehen gegen Zinsen mit und ohne Pfänder, auf den Ein- und Verkauf von gebrauchten Sachen. Es hängt dies damit zusammen, dass die christliche Kirche den Christen verbot, Geld gegen Zinsen auf Wucher auszuleihen; dem Juden war der Wucher gestattet und er war es, der ihm trotz der religiösen Unduldsamkeit überall die Thore der Städte und Burgen öffnete. Doch wurden oft Bestimmungen erlassen, wodurch namentlich der Zinsfuss für kleinere Darlehen geregelt werden sollte; der Zinsfuss schwankte aber im 14. und 15. Jahrh. zwischen 212/3 und 862/3 Prozent und war dem Fremden gegenüber ganz unbeschränkt. Auch Zinseszinsen waren in manchen Fällen gesetzlich gestattet. An einzelnen Orten hielt man die Juden für verpflichtet, Darlehen zu gewähren, wenn sie genügende Sicherheit empfingen. Die Pfänder, gegen welche Darlehen gegeben wurden, waren Einkünfte, namentlich Zölle, Gerichtseinkünfte, Zehnten, sogar Städte, d.h. die städtischen Abgaben, Grundstücke und bewegliche Sachen, wie Mobilien und Kostbarkeiten. Für den Erwerb beweglicher Sachen bestand ein besonderes Judenrecht in weit verbreiteter Geltung.
Zur Aufhebung oder Reduktion der Forderungen jüdischer Gläubiger bediente sich das Mittelalter verschiedener Mittel. Das einfachste war, die Juden totzuschlagen, was durch die Praxis sowohl als durch die Theorie geschützt wurde, dass Kaiser und Landesherren nach Gefallen über ihr Gut und Blut verfügen durften. Ein anderes Mittel war, die Forderungen der Juden für null und nichtig zu erklären, sie auf eine bestimmte Quote zu reduzieren, die Zurückbezahlung auf das Kapital mit Abzug der Zinsen zu beschränken. Päpste, Kaiser und Landesherren wendeten dieses Mittel an. So erliess während des zweiten Kreuzzuges Papst Eugen eine Bulle, wonach alle Kreuzfahrer an die Juden keine Zinsen zu bezahlen brauchten; das gleiche that Innocenz III. im Jahr 1213, wobei den Obrigkeiten befohlen wurde, dass sie den Juden jede Gemeinschaft mit den Christen in Verkehr und Handel so lange versagen sollten, bis jene von ihren Zinsforderungen abstehen würden. Von weltlichen deutschen Fürsten werden solche Zins-Niederschlagungen seit dem Beginn des 14. Jahrh. erwähnt, und Ludwig der Bayer und Karl IV. gingen in dieser Art gegen einzelne Gläubiger vor. König Wenzel führte dann diese Judenberaubung in systematischer und grossartiger Weise aus und verschaffte nicht bloss den Schuldnern Erleichterung dadurch, sondern er bereicherte einzelne Städte damit und namentlich sich selbst. So liess er sich 1385 von einer grossen Anzahl schwäbischer Städte 40000 Gulden für ein Privileg zahlen, wonach für länger als ein Jahr ausstehende Schulden der vierte Teil der aus Kapital samt Zinsen zusammen gerechneten Summe erlassen wurden, die anderen drei Viertel aber auf die Städte als die neuen Gläubiger übergingen oder es wenigstens vollständig im Belieben der Städte stand, wieviel sie von den Forderungen sich anzueignen[461] für gut fanden. Dieser Schulden-Nachlass bezog sich auf die in den betreffenden Städten angesessenen Juden; ein paar Jahre später (1390) wurden ebenfalls durch Wenzel die Schuldner in einer Anzahl von Territorien und Städten ihren jüdischen Gläubigern gegenüber befreit, gleichviel ob dieselben an diesen Orten oder sonstwo im Reich ansässig waren; doch fehlte es gegen solche Ungerechtigkeiten nicht an Widerspruch mancher Städteobrigkeiten, und es kam vor, dass gewisse Judenschaften selbst ein Privileg erhielten, dass ihre Forderungen auf eine gewisse Reihe von Jahren hin nicht durch Erlass getilgt werden sollten.
Die Juden einer Stadt bildeten in religiöser, meist auch in kommunaler und rechtlicher Beziehung eine eigene Gemeinde und bewohnten ein besonderes Stadtviertel. Dieselbe stand unter eigener Obrigkeit, deren Rechte und Befugnisse jedoch sehr verschieden waren. Soweit die Kompetenz des jüdischen Richters reichte, soweit reichte auch die Herrschaft des jüdischen Rechtes, und zwar erstreckte sich die jüdische Gerichtsbarkeit nicht bloss auf Civilstreitigkeiten, sondern auch auf Kriminalsachen in weiterem oder geringerem Umfange. Für Streitigkeiten zwischen Juden und Christen gab es an manchen Orten auch gemischte Gerichte. In manchen Städten waren die Juden unter die Herrschaft des Rats gekommen, in andern einem besonderen kaiserlichen oder landesherrlichen Beamten, meist dem Kämmerer, der der Kammer, d.h. den Finanzen vorstand, unterworfen. Vgl. Gengler. Deutsche Stadtrechts-Altertümer 1882. Cap. 7. Die Juden Wohnplätze.
Eine Gesamtverfassung der deutschen Juden gab es nicht; rabbinische Synoden, die in Frankreich seit dem 12., in Deutschland seit dem 13. Jahrhundert vorkommen, waren Privatunternehmungen.
Im Gerichtsverfahren war der Jude, soweit es den Zeugenbeweis anbelangt, jedem andern Fremden gleichgestellt; dagegen wandte man gegen ihn andere Beweismittel an, denen sonst nur Leibeigene unterlagen: man unterwarf ihn den Gottesurteilen und der Tortur, freilich erst im späteren Mittelalter; noch Heinrich IV. hatte es verboten, Juden zum Gottesurteil, heissem oder kaltem Wasser zu zwingen, sie zu geisseln oder einzusperren. Auch wurde der Jude später, obgleich das Tragen der Waffen ihm verboten war, zum Zweikampfe genötigt. Der Judeneid wurde mit hässlichem Raffinement ausgebildet, sowohl was die Worte betrifft, die der Jude zu sprechen hatte, als in Rücksicht auf seine Kleidung und sein sonstiges Verhalten während des Schwures. Schon in karolingischen Judengesetzen hiess es: »Streue Sauerampfer zweimal vom Kopf aus im Umkreis seiner Füsse; wenn er schwört, soll er da stehen und in seiner Hand die fünf Bücher Mosis halten, gemäss seinem Gesetz, und wenn man sie nicht in hebräischer Sprache haben kann, so soll er sie lateinisch haben.« Der Schwabenspiegel aber bestimmt: Er sol uf einer suwe hute stan unde suln diu fiunf buchern Moysy vor im ligen, unde sol im diu rehte hant in dem buoche ligen unz an daz riste, d.h. bis ans Gelenk; nach anderen Vorschriften sollte der Jude auf nacktem Körper einen grauen Rock und Hosen ohne Vorfüsse anhaben, einen spitzen Hut auf dem Rock tragen und auf einer in Lammblut getauchten Hautstehen. Die älteste Formel des von den fränkischen Königen aufgestellten Judeneides lautete: »So wahr mir Gott helfe, der Gott, welcher Moses das Gesetz auf dem Berge Sinai gab; möge mich der Aussatz verschonen, der über Naeman und Siri[462] kam; möge mich die Erde verschlingen, wie sie Dathan und Abiron verschlang; ich habe in dieser Sache nichts Böses gegen dich verschuldet.« In deutscher Sprache ist eine erweiterte Formel erhalten, die vom Erzbischof Konrad von Mainz, 1160 bis 1200, ausgearbeitet wurde; sie heisst Erfurter Judeneid, u.a. abgedruckt bei Müllenhoff und Scherer, Denkmale deutscher Prosa.
Obgleich im ganzen als Prinzip galt, dass ein Jude nicht anders als ein christlicher Verbrecher büssen sollte, wurden doch an vielen Orten die Strafgelder für Juden höher angesetzt und Leibes- und Lebensstrafen an ihnen schimpflicher vollzogen. So setzte man dem Juden, der zur Strafe des Galgens verurteilt war, an manchen Orten einen Judenhut mit brennendem Pech aufs Haupt, hing ihn ausserhalb des Galgens an einem Balken, oder zwischen zwei wütenden Hunden, oft mit dem Kopf nach unten, auf. Zu den weltlichen Strafen konnten besondere jüdische Strafen hinzutreten, namentlich der Bann, den der Judenbischof oder Rabbiner aussprach; auch der kaiserliche und der kirchliche Bann wurde zuweilen über Juden verhängt.
Die soziale Lage der Juden war im Mittelalter überhaupt eine sehr niedrige. Kirche und Staat erklärten den Übertritt vom Christentum ins Judentum für ein weltliches Verbrechen, während man durch Drohungen und Gewalt den Übertritt der Juden zum Christentum erzwang, das letztere zwar stets gegen das öffentliche Recht; die juden sol nieman twingen zer cristenheit unde ze cristenem gelouben, heisst es im Schwabenspiegel. Besonders hatte es die Geistlichkeit darauf abgesehen, Judenkinder ohne Wissen und Willen ihrer Eltern zu taufen. Missionspredigten für Juden, zu denen man diese zwang, kamen namentlich seit dem Baseler Konzil auf.
Regelmässig besassen die Judengemeinden ihre Synagoge, deren Unverletzlichkeit oft durch geistliche und weltliche Privilegien geschützt war. Manche Synagogen sind nach den Verfolgungen in christliche Kirchen verwandelt, verkauft oder geschlossen worden. Einen Kirchhof besass nicht jede Judengemeinde; manche Gemeinden sahen sich genötigt, ihre Leichen auswärts auf einem fremden Judenkirchhofe zu bestatten. Schon im frühen Mittelalter war dem Juden verboten, sich vom grünen Donnerstage bis zu Ostern auf den Strassen und Märkten sehen zu lassen. Ihren eigenen Gottesdienst sollten sie an ihren Festtagen nicht öffentlich begehen, am Freitage den ganzen Tag über Thüren und Fenster geschlossen halten. So hatte seit ältester Zeit die Kirche ihren Angehörigen verboten, mit den Juden zusammen zu speisen. An vielen Orten erhielten sie besondere Fleischbänke und war es den Christen verboten, von den Juden geschlachtetes Fleisch zu kaufen. So mussten die Juden eigene Brothäuser unterhalten. Christliche Sklaven und Dienstboten zu halten, verbot zwar die Kirche den Juden, doch kam es häufig vor. Die drückendste Vorschrift für die Juden war eine besondere Judentracht, deren eine schon die Araber für ihre Juden eingeführt hatten. Innocenz III. gebot 1215, dass alle Juden und Jüdinnen in der ganzen Christenheit sich durch ihre Kleidung von andern Nationen unterscheiden sollten; doch verging längere Zeit, bis in Deutschland das Gebot durchgeführt war. Im 14. und 15. Jahrhundert trugen die deutschen Juden einen gehörnten, spitzen Hut von gelber, blauer oder roter Farbe. Die gelben und roten Ringe, die radförmigen Abzeichen auf ihren Kleidern, Brust oder Rücken, bei Frauen auf ihren Schleiern, wie sie anderorts seit dem 13. Jahrhundert[463] getragen wurden, kamen in Deutschland erst seit dem 15. Jahrhundert in Gebrauch.
Die Judenviertel der Städte waren manchmal, z.B. in Köln, Regensburg und Frankfurt a.M., von der übrigen Stadt durch Mauern und Thore getrennt. Die Häuser selbst standen im Eigentum der Juden und auch Landgüter haben sie im Mittelalter in vielen Gegenden besessen; erst seit dem 14. Jahrhundert wurde ihnen der Ankauf weiteren Grundbesitzes meist untersagt.
War es zwar von Kirche und Staat häufig untersagt worden, dass man Juden öffentliche Ämter über Christen einräume, so wurden sie nichtsdestoweniger oft als Finanzverwalter berufen; so selbst von Papst Alexander III.; Herzog Heinrich IV. von Schlesien (12961335) hatte einen Juden Salomon seinem Hofhalt und seiner Küche vorgesetzt. Noch häufiger werden Juden als Ärzte, namentlich auch als Leibärzte geistlicher und weltlicher Fürsten verwendet; schon merowingische Schriftsteller erwähnen ihrer; Kaiser Konrad II. hatte einen jüdischen Leibarzt, und ein Würzburger Bischof erteilte 1419 der Jüdin Sara die Erlaubnis, in seinem Bistum überall die Arzneikunde auszuüben.
Die erste, aber nur lokale Judenverfolgung in Deutschland fand 1012, also noch vor den Kreuzzügen statt, sie hängt ohne Zweifel mit der durch die Cluniacenser und Cisterzienser verbreiteten Reform des kirchlich-religiösen Lebens zusammen; König Heinrich II. vertrieb damals aus religiösen Motiven die Juden aus Mainz. Eine allgemeine blutige Verfolgung der Juden brachte erst der erste Kreuzzug mit sich, und zwar in den Städten längs der Donau und des Rheins, zu Trier, Speier, Worms, Mainz, Köln, Regensburg, Prag. Eine Wiederholung brachte der zweite Kreuzzug, als der Papst die Kreuzfahrer von allen Judenschulden befreit erklärte und Peter von Clugny in Frankreich, um mehr Mittel für den Kreuzzug zu gewinnen, die Juden wenn auch nicht zu töten, so doch ihres in schmählicher Weise erworbenen Vermögens zu berauben riet. Hatten sich bei der Verfolgung während des ersten Kreuzzuges Bürger und Fürsten noch meist dem Pöbel gegenüber auf Seite der Juden gestellt, so machten die Bürger jetzt mit den Verfolgern gemeinsame Sache, nur einzelne Fürsten waren bereit, die Juden in ihren Burgen zu schützen.
Im 12. und 13. Jahrhundert kamen zahlreiche lokale Verfolgungen vor, bei denen es mehr auf die Beraubung als Bekehrung der Juden abgesehen war. Man gab den Juden schuld, sie töteten Christenkinder und verwendeten ihr Blut beim Passahfest, ein Vorwurf, der in Frankreich schon 1171 eine grausame Verfolgung hervorrief. Kaiser Friedrich II. berief viele gelehrte Männer und legte ihnen die Frage vor, ob, wie das Gerücht ginge, die Juden wirklich bei ihren religiösen Gebräuchen Christenblut nötig hätten; wäre das der Fall, so wolle er alle Juden in seinem Reiche verderben; die Antwort lautete, man könne nichts darüber erfahren. Seitdem wucherte jener Aberglaube weiter, und es nützte nichts, dass Innocenz IV. in einer Bulle von 1247 die Juden in Schutz nahm und alle ferneren Verfolgungen verbot. Nachdem vereinzelte Verfolgungen fast jedes Jahr aufgetreten waren, wälzte sich 1298 ein neuer Sturm unter Anführung des fränkischen Edelmannes Rindfleisch von Ort zu Ort; die Veranlassung war eine angebliche Hostienschändung. Andere schwere und blutige Verfolgungen wüteten im Elsass, Franken, Schwaben, Bayern und Österreich[464] von 1336 bis 1338; noch allgemeiner waren die Verfolgungen von 1348 und 1349 bei Anlass des schwarzen Todes, als es allgemein hiess, die Juden hätten die Brunnen vergiftet, und auch jetzt fruchteten die Worte des Papstes und des Kaisers zu Gunsten der Juden nichts; Obrigkeiten, die sich ihrer annahmen, wurden abgesetzt, die Schulden vernichtet, die Pfänder und Schuldbriefe abgenommen, ihr bares Geld unter die Handwerker verteilt, viele Juden getötet. Wenige Jahre nachher bemühten sich die Kurfürsten doch wieder um das Recht der Judenaufnahme und erhielten es in der goldenen Bulle; die Juden erholten sich und sammelten neue Schätze, bis in den achtziger Jahren neue Juden-Krawalle begannen.
Seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts begannen dann die Vertreibungen der Juden auf den Beschluss der Obrigkeiten; so wurden sie 1420 aus Mainz und Österreich, 1424 aus Freiburg im Breisgau und Zürich, 1426 aus Köln, 1432 aus Sachsen, 1435 aus Speier und wieder aus Zürich, 1438 wieder aus Mainz, 1439 aus Augsburg, 1450 aus Bayern vertrieben. Seitdem hatten sie in einem grossen Teile Deutschlands gar keine feste Niederlassung mehr und durften nur gegen ein bestimmtes Geleitgeld hindurchziehen oder ihres Handels wegen ein paar Stunden oder Tage sich aufhalten; so blieb es bis in die Zeit der Aufklärung und der französischen Revolution. Nach Stobbe, Die Juden in Deutschland während des Mittelalters, Braunschweig 1866. Das Hauptwerk über die Geschichte der Juden ist Grätz, Geschichte der Juden.
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