Absorption [1]

[33] Absorption. Die Absorption der Gase durch feste Körper und Flüssigkeiten ist eine Wirkung derselben Molekularkräfte, welche die Erscheinungen der Adhäsion und der Lösung hervorbringen. In vielen Fällen, ohne daß feste stöchiometrische Beziehungen bis jetzt nachweisbar wären, spielt wohl die chemische Affinität eine wichtige Rolle, in andern Fällen steht die Bildung chemischer Verbindungen fest, wie z.B. bei der Absorption von gasigen Säuren durch flüssige oder feste Basen, wie von Kohlensäure durch Kalilauge, oder bei Absorption von Ammoniak durch Säuren oder von Wasserdampf durch gebrannten Kalk oder Chlorcalcium. Wir betrachten Vorgänge letzterer Art nicht als reine Absorptionserscheinungen. Genauer unterscheidet man wohl auch von der eigentlichen Absorption, der Aufnahme der Gase ins Innere der Körper, die, wenn die absorbierenden Körper Metalle sind, auch Okklusion heißt, die Adsorption, die Verdichtung von Gasen nur an der Oberfläche der Körper. Bei porösen und feinzerteilten Körpern gehen beide Begriffe ineinander über.[33]

Als auffallendste Erscheinungen der Absorption sind zu erwähnen: a) Die Absorption von Gasen durch Waffen Wasser von der Temperatur 0° löst pro Liter bei gewöhnlichem Luftdruck folgende Gasmengen: Ammoniak 875 g gleich 1148 l, Salzsäuregas 825 g gleich 520 l, schweflige Säure 801, Schwefelwasserstoff 4,37 l, Kohlensäure 1,797 l, ölbildendes Gas 0,2561, Grubengas 0,054 l, Sauerstoff 0,041 l u.s.w. b) Die Absorption von Gasen durch poröse Körper. Mittels gut ausgeglühter, unter Quecksilber abgelöschter Kohle aus Buchsbaumholz, die er in die betreffenden über Quecksilber aufgefangenen Gase brachte (s. die Figur), fand Saussure folgende Vielfache des Volums der Kohle, die diese von den einzelnen Gasen absorbierte: Ammoniak 90, schweflige Säure 65, Schwefelwasserstoff 55, Kohlensäure 35, Sauerstoff 9,4, Stickstoff 7,5, Wasserstoff 1,75. c) Beispiele der Okklusion. Silber und Kupfer in geschmolzenem Zustand absorbieren reichliche Mengen Sauerstoff, die sie beim Erkalten abgeben. Ist die Oberfläche des Silbers erstarrt, ehe der im Innern okkludierte Sauerstoff entweicht, so entsteht das Spratzen des Silbers. Palladium, das im Wasserzersetzungsapparat zum negativen Pol gemacht wird, absorbiert nach Graham bis zu seinem 936fachen Volum Wasserstoff und bildet damit eine Legierung, in welcher der Wasserstoff auf das spezifische Gewicht 1,7 verdichtet erscheint. d) Die Eigenschaft der Hygroskopie ist eine mit der Luftfeuchtigkeit veränderliche Absorption von Wasserdampf. Die Veränderungen, die Gewicht, Volum, Form der hygroskopischen Körper erleiden, sind Mittel zur Bestimmung der Luftfeuchtigkeit (Hygrometer). Wird das absorbierte Wasser chemisch gebunden (Schwefelsäure, Chlorcalcium), so entweicht es an trockener Luft nicht wieder. e) Die Absorption an der Oberfläche des Glases. Beim Gebrauch des Glases als elektrischer Isolator ist eine oberflächliche Hygroskopie sehr störend; sie wird durch einen Firnisüberzug verhindert. Die an der Wand der Barometerröhre verdichtete und adhärierende Luft wird durch Auskochen der Quecksilberbarometer entfernt. Die Gasschicht an der Oberfläche der Glasgefäße ist die Quelle erheblicher Fehler bei exakten gasometrischen Bestimmungen. Bunsen [1] fand durch Versuche, daß die Fähigkeit des Glases, oberflächlich Kohlensäure zu binden, erst nach Jahren ihren Sättigungspunkt erreicht. Dem gegenüber findet Mülfarth [2], daß die Adsorption schon nach 1–2 Stunden vollendet sei. Aus Versuchen mit Acetylen, Stickoxydul, Kohlensäure, schwefliger Säure, Ammoniak schließt letzterer Forscher, daß die Adsorption um so.größer ist, je leichter sich ein Gas verdichten läßt. f) Die Wärmebildung bei der Absorption. Jede Absorption ist von einer Temperaturerhöhung der absorbierenden Substanz begleitet, und umgekehrt das Entweichen des absorbierten Gases von einer Temperaturerniedrigung. Man kann sich diese Wärme als gleichartig mit derjenigen vorstellen, die beim Uebergang vom starren oder flüssigen in den gasigen Aggregatzustand gebunden wird, doch ist nach Messungen von Favre und Silbermann die Absorptionswärme von Gasen bei der Absorption durch Kohle größer als die Vergasungswärme. Bei den Pyrophoren (Eisen, Nickel, Kobalt in feinster Verteilung, die bei zu hoher Temperatur aus ihren Oxyden mittels Wasserstoff reduziert wurden) erzeugt die Absorptionswärme Entzündung; im Döbereinerschen Feuerzeug wird sauerstoffbeladener Platinschwamm bei der Absorption von hinzugeleitetem Wasserstoff zum Glühen erwärmt und dadurch der Wasserstoff entzündet. g) Die Absorption bei verschiedenem Druck. Soweit nicht chemische Vorgänge eine Ausnahme bewirken, nimmt die Menge des absorbierten Gases mit dem Druck des Gases zu, bei der Absorption durch poröse Körper in kleinerem Verhältnis, bei der Absorption durch Flüssigkeiten genau im Verhältnis des Drucks (Gesetz von Henry). So nimmt Wasser bei etwa 10° C. unter 1 Atmosphäre Druck der Kohlensäure von diesem Gas sein gleiches Volum auf, ebenso auch bei 2, bei 3 u.s.w. Atmosphären sein gleiches Volum, also das zweifache, das dreifache u.s.w. Gewicht, weil nach dem Mariotteschen Gesetz im gleichen Raum die Gasmenge dem Druck proportional ist. Bei abnehmendem Druck entweicht dann der entsprechende Ueberschuß des absorbierten Gases. Auf dieser Erscheinung beruht das Moussieren kohlensäurehaltiger Getränke, die bei fallendem Barometer zunehmende Gefahr schlagender Wetter in den Kohlenbergwerken, die Zunahme der Ausdünstung von Kloakenwassern ebenfalls bei abnehmendem Luftdruck. Das vom Druck unabhängige Verhältnis des absorbierten Gasvolums bei der Sättigung und des Flüssigkeitsvolums nennt man den Absorptionskoeffizienten. R. Bunsen hat mittels seines Absorptiometers [3] eine größere Zahl von Absorptionskoeffizienten bestimmt für die Absorption von Stickstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, atmosphärischer Luft, Kohlenoxydgas, Kohlensäure, Grubengas, ölbildendem Gas, Stickoxydulgas, Stickoxydgas, Chlorgas, schwefliger Säure, Schwefelwasserstoff, Aethylgas, Methylgas, meist je für Wasser und für Alkohol und innerhalb Temperaturgrenzen von 0 bis 20° oder 0 bis 40°, woraus er Formeln berechnete, welche die Absorptionskoeffizienten in Funktion der Temperatur ergeben (vgl. Absorptionskoeffizient der Gase). Die Koeffizienten von Wasserstoff in Wasser, von Sauerstoff in Alkohol, von Kohlenoxyd in Alkohol erwiesen sich als unabhängig von der Temperatur, die andern zeigten eine sich mehr und mehr vermindernde Abnahme mit steigender Temperatur. Außer in der Originalabhandlung [2] sind die Versuchsresultate wiedergegeben in [4]; die Temperaturfunktionen findet man nach der Methode der kleinsten Quadrate aus Bunsens Versuchen neu berechnet in [5]. Auch für Gasgemenge gilt, soweit nicht chemische Umsetzungen störend einwirken, das Henrysche Gesetz. Für die Absorption jeden Bestandteils des Gemenges ist sein Koeffizient und sein Partialdruck (Daltonsches Gesetz) maßgebend, so daß die Zusammensetzung des absorbierten Gasgemenges von dem nicht absorbierten sich um so mehr unterscheidet, je verschiedener die Absorptionskoeffizienten der Bestandteile sind. So ist der Absorptionskoeffizient des Sauerstoffs in Wasser von 0° etwa 0,04, der des Stickstoffs etwa die Hälfte, nämlich 0,02. Während daher in der atmosphärischen Luft die Partialdrucke von Sauerstoff und Stickstoff annähernd im[34] Verhältnis 1:4 stehen, stehen die Mengen dieser Bestandteile in der vom Wasser absorbierten Luft im annähernden Verhältnis 2:4. Preßt man Luft in Wasser und entzieht dem Wasser die Luft wieder mittels einer Luftpumpe, so erhält man ein an Sauerstoff reicheres Gasgemenge; wiederholt man mit diesem dasselbe Verfahren u.s.w., so erhält man nacheinander Gasgemenge, in denen Sauerstoff und Stickstoff annähernd in den Verhältnissen 1:2, 1:1, 2:1, 4:1, 8:1 u.s.w. stehen, ein Verfahren zur technischen Herstellung unreinen Sauerstoffgases.


Literatur: [1] Wiedem. Ann. 24 (1885), S. 321. – [2] Mülfarth, Ueber die Adsorption von Gasen an Glaspulver; Physik. Zeitschr. 1900, Bd. 2, S. 239. – [3] Ann. der Chemie u. Pharm., Bd. 43, S. 10. – [4] Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie von Fehling, 2. Aufl., Art. Absorption. – [5] Henrich, J., Ueber die von Bunsen aufgestellten Gleichungen u.s.w., Zeitschr. für phys. Chemie 1892, Bd. 9. S. 435–443.

Aug. Schmidt.

Absorption des Lichts und der strahlenden Wärme.

Licht- und Wärmestrahlen, zwischen denen kein qualitativer, sondern nur der quantitative Unterschied verschiedener Wellenlänge besteht, erleiden beim Durchgang durch verschiedene Mittel und besonders an der Grenze verschiedener Mittel Veränderungen, die teils ihre Richtung, teils ihre Intensität betreffen. Die letzteren Aenderungen, die Schwächung der Strahlung, wohl infolge von Uebertragung der Energie des schwingenden Lichtäthers auf die Körpermoleküle, nennen wir Absorption der Licht- und der Wärmestrahlen. Sie kann sowohl das an der Oberfläche der Körper regelmäßig oder diffus reflektierte Licht betreffen, als auch das in die Körper eindringende, von ihnen durchgelassene Licht. Vollständige Absorption erzeugt Schwarz. Teilweise Absorption ist entweder eine allgemeine, die Strahlen der verschiedensten Wellenlängen gleichmäßig betreffende und läßt die weiß beleuchteten Körper in den Abstufungen von Weiß über Grau bis Schwarz erscheinen, oder eine auswählende, elektive. Bei der elektiven Absorption, soweit sie zunächst die Lichtstrahlen betrifft, erscheinen die Körper farbig. Ihre Farbe setzt sich stets aus denjenigen Bestandteilen des auffallenden oder durchgehenden weißen Lichtes zusammen, die von der auswählenden Absorption verschont blieben. Ist das auffallende oder durchgehende Licht ursprünglich selbst nicht weiß, so erscheinen die Körper unter Umständen in wesentlich andrer Färbung als bei weißem Licht (bei gelbem Gaslicht erscheint Grün und besonders Blau anders als am Tageslicht). – Das Spektrum des durch Absorption veränderten weißen Lichtes heißt Absorptionsspektrum. Die Absorptionsspektra zeigen teils scharf begrenzte dunkle Linien, bestimmten Wellenlängen entsprechend (s. Spektralanalyse), teils mehr oder weniger breite, scharf begrenzte oder verwaschene Streifen, Banden, Schatten, teils von bestimmten Stellen beginnende einseitig oder zweiseitig zunehmende kontinuierliche Absorption. Ganz wie bei den Emissionsspektren entsprechen einfache Linien der Absorption durch Elemente im Gaszustand, sie sind die Umkehrungslinien der den glühenden Gasen charakteristischen hellen Linien (Fraunhofersche Linien) und lassen die stoffliche Zusammensetzung der Sonne und der Fixsterne erkennen. Diese Linien entstehen, wenn von einer Lichtquelle höherer Temperatur (Photosphäre der Sonne) weißes Licht durch Gase niedrigerer Temperatur (Chromosphäre der Sonne) hindurchgeht, an denselben Stellen des Spektrums, an denen die letzteren Gase selbstleuchtend helle Linien erzeugen (Kirchhoff 1860). Die Stärke der Absorption wächst mit der Temperaturdifferenz zwischen Lichtquelle und Absorptionsschicht und ebenso mit der Dichte und der Dicke der durchstrahlten Schicht. Nach Kirchhoff [1] ist »das Verhältnis zwischen dem Emissionsvermögen« (s. Emission) »und dem Absorptionsvermögen für alle Körper bei derselben Temperatur dasselbe«. Die Absorptionsbanden entstehen bei der Absorption durch zusammengesetzte chemische Verbindungen. Schon die Absorption durch Metalldämpfe, wohl im Zusammenhang mit einem fortschreitenden Zerfall von Molekülen in Atome, zeigen mit steigender Temperatur einen Fortschritt von einer kontinuierlichen Absorption zu kaneelierten Bandenspektren und bei noch höherer Temperatur zu Linienabsorptionsspektren. Zusammengesetzte Gase, durchsichtige, feste und flüssige Körper und Lösungen zeigen charakteristische Bandenspektren. So erzeugt der Wasserdampf der Erdatmosphäre im Spektrum des Sonnenlichts Absorptionsbanden und Linien, deren tellurischer Ursprung sich durch die mit abnehmender Höhe der Sonne zunehmende Stärke dieser Banden verrät. Die charakteristischen Absorptionsbandenspektra, die besonders durchsichtige organische Körper erzeugen, bilden ein auch technisch wichtiges Mittel zur Prüfung, teilweise sogar zur quantitativen Analyse solcher Körper, zur Erkennung ihrer Reinheit, ihrer Verfälschungen. Zur Untersuchung bringt man die Flüssigkeiten in Glasgefäße mit planparallelen Wänden und stellt diese zwischen Lichtquelle und Spalt des Spektralapparats. Unter Verweisung auf die von H.W. Vogel [2] gegebenen Absorptionsspektra einer großen Zahl solcher Körper seien hier nur einige dieser Anwendungen der Absorptionsspektralanalyse erwähnt: Lösungen von Didymsalzen und Didymglas, Blutfarbstoff, eine ätherische Lösung von Chlorophyll zeigen ihre charakteristischen Banden noch bei großer Verdünnung der absorbierenden Substanz; das künstliche Alizarin besitzt nicht die Banden des natürlichen und des Purpurins; Vergiftungen durch Kohlenoxyd oder Schwefelwasserstoff lassen sich an der veränderten Absorption des Blutes leicht erkennen; mit Holundersaft oder Malven gefärbter Rotwein unterscheidet sich deutlich vom reinen Weinfarbstoff; die Farbstoffe der Pikrinsäure, der Colombowurzel im Bier unterscheiden sich von den unverfälschten Färbungen durch Malz und Hopfen; die Reinheit von Speiseölen, von Butter und andern Nahrungsmitteln läßt sich nach den Absorptionsstreifen beurteilen. Auch die den Sehnerv nicht erregenden dunklen Wärmestrahlen zeigen sowohl bei der diffusen Reflexion an der Oberfläche undurchlassender Körper als bei der Transmission durch wärmedurchlassende diathermane Körper ein den Lichtstrahlen ganz entsprechendes Verhalten; die Körper bewirken nicht bloß eine allgemeine, sondern auch eine elektive Absorption der Wärmefarben; sie sind thermochromisch. Das Weitere über die Erscheinungen und Gesetze der Diathermanität und Thermochrose s. Wärmestrahlung.[35] Als eingehendste Bearbeitung der Absorption von Licht und Wärme mit Literaturangaben sei verwiesen auf [3].


Literatur: [1] G. Kirchhoff, Untersuchungen über das Sonnenspektrum, Berlin 1862. – [2] H.W. Vogel, Praktische Spektralanalyse irdischer Stoffe, Nördlingen 1877. – [3] H. Kayser, Handbuch der Spektroskopie, Bd. 1, Leipzig 1900, Bd. 2, Leipzig 1902.

Aug. Schmidt.

Absorption [1]
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 33-36.
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Faksimiles:
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