Anstrich [1]

[229] Anstrich der Schiffe, hat den Zweck, den Schiffsrumpf gegen Korrosion zu schützen, den Schiffsboden gegen Anwuchs möglichst freizuhalten und den über Wasser liegenden Teilen einen Farbenton zu geben, der bei Kriegsschiffen auf See wenig auffällig und sichtbar wirkt, bei in den Tropen verkehrenden Schiffen eine günstige Wirkung auf die Temperatur der Innenräume ausübt.

Bei den aus Stahl bezw. Eisen gebauten Schiffen ist vor allem die zerstörende Wirkung des Rostes zu bekämpfen, da Sauerstoff sich in reichem Maße in der Luft, im Wasser und teilweise in der Kohlensäure des Bilgewassers befindet. Außerdem erzeugt der vom Walzen des Stahl- bezw. Eisenmaterials herrührende Zunder (Eisenoxydoxydul), sowie die bei der Bearbeitung der Stahlplatten entstehende verschiedene Härte der Oberfläche im Seewasser einen galvanischen Strom, der tiefe Rollnarben hinterläßt. Auch Rost bildet mit Eisen im Seewasser ein galvanisches Element; das in den Rost eingedrungene Wasser wird hierdurch zersetzt, der Sauerstoff oxydiert das Eisen, während der Wasserstoff die Farbeschicht abhebt und so zur Zerstörung des Anstrichs beiträgt. Die Konservierung des Schiffskörpers, im besonderen die Reinhaltung des Schiffsbodens von Rost, bietet daher große Schwierigkeiten und hat eine Unzahl von Farbenkompositionen gezeitigt. Die Anstrichfarben müssen im Wasser unlöslich sein, im gewissen Grade elastisch und dehnbar, damit sie nicht rissig werden, und von einer gewissen Härte, um gegen mechanische Verletzungen einen genügenden Widerstand zu bieten. Diesen Anforderungen entspricht am heften eine dünne Harzschicht. Viele Schiffsfarben bestehen daher aus Firnis, dem zur Erhöhung der Oxydationsfähigkeit, um das Verharzen des Oeles zu fördern, meist Metalloxyde in Pulverform beigesetzt werden. Hierher gehören Bleimennige, Eisenmennige, Zinkweiß, Bleiweiß. Diese Farben bedürfen einer längeren Trockenzeit (1–6 Tage). Verbreiteter sind die Lackanstriche, die aus flüchtigen Oelen oder kohlenwasserstoffhaltigen Verbindungen (Spiritus) bestehen, in denen Harz aufgelöst ist. Beim Verdünnten der Flüssigkeit bildet sich dann eine dünne, elastische, lackartige Schicht auf dem Eisen. Hierher gehören die Farbenkompositionen von Rahtjen, Pflug, v. Höveling, der Hansagesellschaft u.a., die in der Kriegs- und Handelsmarine allgemeine Verwendung gefunden haben. Dieselben trocknen fast unter dem Pinsel und der Anstrich erfordert daher weniger Zeit. Sie kosten per Kilogramm 0,9–1,5 ℳ. Der Kohlenteer, in dem feste und flüssige Kohlenwasserstoffe und Harzteile enthalten sind, hat sich, wenn er möglichst säurefrei hergestellt ist, gleichfalls als Schiffsbodenfarbe gut bewährt; er kostet nur 0,15–0,20 ℳ. per Kilogramm, vergeht freilich etwas schneller im Seewasser. Um die oben erwähnte zerstörende Wirkung des Zunders aufzuheben, wird derselbe bei dem Stahlmaterial für Kriegsschiffbauten durch das Beizverfahren entfernt. Zu diesem Zweck werden die Außenhautplatten in ein Salzsäurebad, das 17–18% Salzsäure enthält, 1/2 Stunde eingetaucht, mit Stahlbürsten blank gescheuert, dann zur Neutralisierung der anhaftenden Säurereste einige Minuten in Kalkwasser gelagert und schließlich mit warmem Wasser abgespült. Im Anschluß hieran erhalten die Platten meist einen dünnen Anstrich von Firnis, um während des Baues gegen Rost geschützt zu sein. Neuerdings hat man auch mit Erfolg versucht, den Zunder durch ein Sandstrahlgebläse zu beseitigen oder auch von der Beseitigung desselben ganz abzusehen, da mit den Fortschritten des Walzverfahrens der Zunder seltener auftritt. Den Korrosionen innenbords, die durch unreines Bilgewasser, chemische Aktion der Ladung auf die Bauteile und hohe Temperaturen in den Maschinen- und Heizräumen veranlaßt werden, wird im allgemeinen auch durch Farbanstriche – Bleimennige und Silikatfarbe – vorgebeugt. In der Bilge sowie in dem Doppelboden und den Wasserballastzellen verwendet man auch Anstriche bezw. Ausfüllungen von Zement, Marineleim, sowie Emailanstriche – Schramms Patentlack und Briggs Ferroidzement, eine Mischung von Marineleim, Kautschuk und Zement, für Wassertanks besondere Emailanstriche – Creases Patent. Da Zement schwer ist, wird derselbe vielfach mit Koks, Marineleim u.s.w. vermengt. Tritt in der Bilge Kohlensäure auf, so wendet man[229] vielfach gelöschten Kalk an, der die Säuren bindet. – Den sichersten Schutz von Stahl und Eisen gegen Rotten im Seewasser bietet zurzeit ein Ueberzug von Zink. Das Verzinken der Außenhautplatten findet jedoch der Kostspieligkeit halber nur für Torpedoboote, Flußdampfer und Pontons statt, deren Außenhautbleche 1–4 mm dick sind, bei denen demnach ein Durchrosten derselben leicht zu befürchten ist. Bei größeren Schiffen wird die Verzinkung auch bei Eisen- bezw. Stahlteilen angewendet, die zur Ausrüstung der Schiffe gehören und unter der Feuchtigkeit der Luft rotten bezw. ungangbar werden. Da jedoch das Metall durch Verzinken an Fettigkeit verliert und leicht spröde wird, vermeidet man es neuerdings, auf Fettigkeit beanspruchte Bauteile zu verzinken, so z.B. die Ankerketten, Takelagehaken.

Neben den Korrosionen eiserner Schiffe durch Rost treten häufig Beschädigungen auf, die durch galvanische Aktion verursacht werden, so z.B. am Hinterschiff bei Verwendung bronzener Schraubenpropeller, bei den bronzenen Bodenventilen. Zum Schutz des Eisens wendet man an diesen Stellen vielfach Zinkprotektoren an. Innenbords vermeidet man ferner, kupferne Rohre in die Bilge zu leiten. Die Rohrleitungen der Pumpen bestehen daher in ihrem unteren Teil aus verzinktem Eisen.

Die Konservierung von Holzschiffen bezweckt in gleicher Weise die Verzögerung der chemischen Zersetzung der Holzarten. Dieselbe bietet selbstverständlich größere Schwierigkeiten, da das Holz Gärungs- und Fäulnisprozessen ausgesetzt ist. Der Oelfarbe-, Lack- oder Teeranstrich dient beim Holz dazu, das Eindringen von Feuchtigkeit und hiermit die Bildung von Pilzen zu verhindern und auf diese Weise die Lebensdauer von trockenem und gesundem Holz zu verlängern. Näheres s. Schiffbau (Holzschiffbau). – Neben den vor Korrosion schützenden Anstrichen haben diejenigen Farbenkompositionen besonderen Wert, die bezwecken, den Schiffsboden möglichst rein zu erhalten (vgl. auch Anwuchs des Schiffsbodens). Diese Farben wirken entweder dadurch, daß sie bei der Fahrt abblättern und so den Anwuchs vom Schiffsboden loslösen oder durch ihre giftigen Bestandteile – Kupfer, Arsenik oder Quecksilbersalze – die Lebewesen töten und so zum Abfallen bringen. Letztere Farben haben meist den Nachteil, daß die Salze die vor Rost schützende Grundfarbe zerstören und den metallenen Boden stark angreifen. Auch ist man sich noch nicht durchaus klar, ob die giftigen Salze den Anwuchs durch Absterben desselben beseitigen. Man wendet daher vorzugsweise abblätternde Farbenkompositionen an. Der Schutzanstrich muß dann allerdings jährlich erneuert werden und eignet sich daher nicht für Schiffe, die längere Zeit ohne Dockung in tropischen Gewässern fahren müssen. Für diese bildet den besten Schutz gegen Anwuchs der metallene Bodenbeschlag. Die gebräuchlichsten gegen Anwuchs schützenden Schiffsbodenfarben sind die von Rahtjen, v. Höveling, der Hansagesellschaft und Pflug. Der gegen Rost schützende Grundanstrich führt meist die Nummer I, der abblätternde, gegen Anwuchs schützende Anstrich die Nummer II, der giftige, gleichen Zwecken dienende die Nummer III. Preis 1,2–1,8 ℳ. per Kilogramm. Der Farbenton der Ueberwasserteile ist bei Schiffen, die in den Tropen verkehren, allgemein weiß; Panzerschiffe erhalten neuerdings einen hellgrauen Anstrich, Torpedoboote und Avisos werden meist schwarz gemalt. Im übrigen ist der Farbenton der Handelsschiffe und Jachten Geschmacksache. S a. Antifoulingkompositionen.


Literatur: Mitteilungen aus dem Gebiet des Seewesens, Jahrg. 1889, S. 657; von Hüllen, Leitfaden für den Unterricht im Schiffbau, Kiel 1888; Croneau, Construction pratique des navires de guerre, Paris 1894; Schlick, Handbuch für den Eisenschiffbau, Leipzig 1890.

T. Schwarz.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 229-230.
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