[370] Auf- und Untergang der Gestirne, Bestimmung von Ort und Zeit des Auf- und Untergangs von Sternen, Planeten, der Sonne und des Mondes.
Ueber den Ort von Auf- und Untergang eines Sterns, d.h. die Punkte des Horizonts, in denen er erscheint und verschwindet, vgl. Abendweite. Wichtiger als die Oerter sind die Zeiten des Auf- und Untergangs. Setzt man in der Gleichung (vgl. Dreieck, astronomisches, Gleichung II., 1.)
sin h = sin δ sin φ + cos δ cos φ cos t
h = 0 (Horizont), so erhält man den Stundenwinkel t0 des Untergangspunkts (= Stundenwinkel des Aufgangspunkts) eines Sterns δ aus:
Dieser Stundenwinkel des Untergangspunkts heißt auch der halbe Tagbogen des Sterns: der Stern ist 2 t0 (Grade, Bogenminuten u.s.w. von t0 in Sternstunden u.s.w. verwandelt; s. Bogen- und Zeitmaß) lang über dem Horizont (einfache Diskussion der Gleichung für t0 führt auf die Kriterien der auf- und untergehenden, nicht auf- und nicht untergehenden Sterne ü. s. w.). Die Sternzeiten des Aufgangs und des Untergangs eines Sterns sind
wenn α die Rektaszension des Sterns bedeutet (vgl. Dreieck, astronomisches). will man die mittleren Zeiten des Aufgangs und Untergangs haben, so sind Θa und Θu in mittlere Zeit zu verwandeln, vgl. Zeitverwandlung. Wegen der Refraktion ist eine Verbesserung, und zwar Vergrößerung von t0, anzubringen, deren Betrag ist:
wo r wieder die Horizontalrefraktion bedeutet (bei 760 mm Luftdruck und + 10° C. Lufttemperatur ist r = 34' oder sogleich in Zeit = 135 s) [2].
Für die Sonne (und die sonnennahen Planeten) ist δ ziemlich rasch veränderlich (für die Sonne am raschesten zur Zeit der Aequinoktien: in 1 Stunde rund 1; für die vorliegende Aufgabe unmerklich in den Solstitien); in der obigen Gleichung für t0 ist aber δ die der Aufgangs- und Untergangszeit. Man muß lieh also den genäherten halben Tagbogen der Sonne mit einem rohen Wert von δΘ berechnen, für die so erhaltenen ungefähren Auf- und Untergangszeiten (die man bei uns übrigens auch genügend dem nächsten Kalender entnehmen kann) getrennt das δ aus dem Astronomischen Jahrbuch interpolieren und nun die Rechnung getrennt für den Auf- und Untergang schärfer wiederholen. Die so erhaltenen (etwas verschiedenen) Stundenwinkel des Aufgangs- und Untergangspunkts sind zugleich die »wahren Zeiten« des Auf- und Untergangs, vom »wahren Mittag« (s.d.) rückwärts und vorwärts gerechnet; Hinzufügung der »Zeitgleichung« (s.d.), die für diese Zeiten wieder aus dem Astronomischen Jahrbuch zu interpolieren ist, verwandelt sie in die gewöhnliche Uhrzeit, die mittlere Sonnenzeit, die, um z.B. in Deutschland Mitteleuropäische Zeit zu haben, noch zu verändern ist um den für einen Beobachtungsort konstanten Unterschied der mittleren Zeit seines Meridians und der mittleren Zeit des Meridians 15° ö. v. Gr.
Bei der Sonne hat natürlich die Refraktion denselben Einfluß auf den halben Tagbogen, wie oben angegeben. Ferner ist hier zu berücksichtigen, daß der scheinbare Sonnenhalbmesser einen sehr beträchtlichen Wert hat, im Mittel 16; und daß man sagt, die Sonne gehe {auf/unter} oder besser, der Tag {beginne/endige}, wenn je der obere Sonnenrand den Horizont berührt; die Verlängerung des halben Tagbogens der Sonne durch (mittlere) Refraktion und Sonnenhalbmesser zusammen ist also:
die ganze sogenannte »Tagverlängerung« doppelt so groß. Für den Mond ist ähnlich zu rechnen; man hat aber hier auch noch auf die große Horizontalparallaxe Rücksicht zu nehmen.
All das Vorstehende bezieht sich selbstverständlich auf das Erscheinen und Verschwinden der Gestirne im mathematischen Horizont des Beobachters, wäre also z.B. genau für einen Beobachter auf freiem, ruhigem Meer, dessen Auge in der Höhe des Wasserspiegels sich befinden würde. Die wirklich vorhandene physische »Horizontlinie« fällt nie mit jenem zusammen. Auf[370] dem Festland ist ein gewisser Höhenwinkel (Beobachtung gegen einen Bergzug) oder Tiefenwinkel (Beobachtung auf einem Berg gegen die anstoßende Ebene u.s.w.) nach dem (für die Sonne u.s.w. von Tag zu Tag wechselnden) Punkt des physischen Auf- und Untergangs vorhanden, vom mathematischen Horizont aus gerechnet; zur See liegt der physische Horizont des Beobachters (scheinbare Trennungslinie von Meer und Himmel, Wasserlinie, Kimm) stets um einen gewissen Winkel tiefer als sein mathematischer Horizont; dieser Winkel heißt Kimmtiefe (oder Depression des Horizonts, englisch dip) und ist eine Funktion der Höhe des Auges über dem Wasserspiegel, beträgt z.B. für die Höhen 1 m, 5 m, 10 m, 15 m, 20 m u.s.w., über dem Wasserspiegel 2', 4', 6', 7', 8' u.s.w. (s.a. Kimm). Für die wirklichen, physischen Auf- und Untergänge der Sonne zur See ist also der Zähler in der soeben angegebenen Gleichung für Δt0 (von Einsetzung eines genaueren, den wirklichen Barometer- und Thermometerständen entsprechenden Wertes der Refraktion abgesehen, vgl. Refraktion) für die angegebenen Aughöhen von 200s zu vergrößern auf 207s, 216s, 222s, 227s, 232s u.s.w. Für beträchtliche Höhen des Auges über dem Meeresspiegel (Berg am Meeresufer u.s.w.) wird dieser Unterschied bedeutend; es ist dann hier aber auch auf die Aenderung der Refraktion Rücksicht zu nehmen, die in der Nähe des Horizonts sehr rasch ist (vgl. Refraktion).
Die Angaben der Sonnenauf- und -untergänge in den Kalendern (z.B. auch den Taschenbüchern für Techniker) auf 1m sind, als den Ephemeriden entnommen, für den bestimmten Parallelkreis, auf den sie sich beziehen, richtig, es wird aber bei ihrem Gebrauch nicht berücksichtigt, daß Veränderung der Polhöhe sie ziemlich rasch verändert, wenn die Deklination der Sonne nicht sehr klein ist (Mitte bis Ende März und ebenso im September); z.B. ist bei δ⊙ = 20° (20. Januar und 21. November) in φ =48° (Freiburg i. B., München, Wien) t0 (mit Berücksichtigung der mittleren Horizontalrefraktion allein) = 4h 28m, in φ = 55° aber (Augustenburg, Tilsit) t0 =3h 59m, der Tag an den zuletzt angegebenen Orten also gerade 1/2 Stunde kürzer als an dem zuerst genannten; für δ⊙ = +20° (20. Mai und 23. Juli) sind die Zahlen für φ = 48° 7h 39m, für φ = 55° 8h 10m, die Differenz ist also (mit entgegengesetzten Zeichen natürlich) dieselbe. Die großen Ephemeriden geben (z. T.) die Zeiten von Sonnengut- und Untergang für ihre Sternwartenpolhöhe, z.B. das Berliner Astronomische Jahrbuch für Berlin (φ = 52° 30') in mittlerer Berliner Zeit (mit Rücksicht auf die mittlere Horizontalrefraktion allein, so daß sich die Zahlen auf den Sonnenmittelpunkt beziehen), auch die Mondauf- und -untergänge sind (ebenso) angegeben; die Connaissance des Temps gibt dieselben Zahlen (unter denselben Voraussetzungen) für φ = 48° 50', so daß diese Zahlen für die Sonne (abgesehen von der Zeitverschiebung auf Mitteleuropäische Zeit in Deutschland) in Teilen von Süddeutschland, Stuttgart u.s.w., ohne weiteres brauchbar sind; das französische Annuaire wiederholt für die genannte Breite die Zahlen für Sonne und Mond (Zeit des Meridians von Paris), fügt in guter Zusammenstellung die Auf- und Untergangszeiten der Planeten hinzu und zeigt einen bequemen Weg, wie alle Angaben auch für andre Polhöhen und (beim Mond und den rasch sich bewegenden Planeten, Merkur besonders) für andre Meridiane benutzt werden können. Für die ganze Erde hat Auwers eine Tafel der Taglängen angegeben [3], Ueber die Lehre von den Auf- und Untergängen der Sonne u.s.w. bei den Alten, der in ihrer Klimalehre Bedeutung zukam (Sphaera recta, parallela, obliqua), muß auf die Handbücher der Astronomie und ihrer Geschichte verwiesen werden [4]; die Begriffe des helischen (oder heliakischen), kosmischen und akronyktischen Aufgangs eines Sterns, die auch noch im Mittelalter, ja bis zur Ueberwindung der Astrologie eine große Rolle spielten, sind heute unwichtig [5].
Literatur: [1] Eine Tafel der Abend- und Morgenweiten findet sich in vielen Lehrbüchern der mathematischen Geographie u.s.w., auch z.B. in den »Formeln und Hilfstafeln für geogr. Ortsbestimmungen« von Albrecht, 3. Aufl., Leipzig 1894, S. 151 (geogr. Breiten 3060°, Deklinationen 30 bis + 50°, je mit dem Intervall 2°). [2] Für Tafeln der halben Tagbogen gilt dieselbe Bemerkung, s. z.B. Albrecht, a.a.O., S. 150 (auf 1m δ und φ mit denselben Grenzen und Intervallen). [3] In Behm, Geographisches Jahrbuch, Bd. 1, Gotha 1866, S. 1720; als Augenblick des Sonnenauf- und -untergangs ist hier die scheinbare Berührung des oberen Sonnenrandes mit dem Horizont angenommen, d.h. es ist Refraktion und Sonnenhalbmesser berücksichtigt, vgl. Text; das Intervall in φ ist 5° von φ = 90 bis φ = +90°. [4] Vgl. z.B. Wolf, Handbuch der Astronomie, I (2), Zürich 1891, S. 402403. [5] Vgl. z.B. ebend., S. 423424.
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