Spiegel [1]

[181] Spiegel, Körper mit glatten spiegelnden Oberflächen.

Unter Anwendung des Grundgesetzes der Reflexion (s. Licht) lallen sich die Gesetze sowohl des ebenen als der gekrümmten Spiegel, Konvex- und Konkavspiegel, geometrisch herleiten. Aus der Gleichheit des Reflexionswinkels und des Einfallswinkels folgen für den ebenen Spiegel die Sätze: Die von einem leuchtenden Punkte auf den Spiegel fallenden Strahlen werden so reflektiert, als ob sie von einem Punkte hinter dem Spiegel herkämen, dem Bildpunkt, der zu dem ersten Punkt gegen die Spiegelebene symmetrisch liegt. Der ebene Spiegel erzeugt von dem vor der Spiegelebene liegenden Raum ein gegen die Spiegelebene symmetrisches scheinbares Bild. Bild und Gegenstand zeigen scheinbar eine Vertauschung von rechts und links, tatsächlich eine Vertauschung von vorn und hinten. Hält man die Richtung des einfallenden (oder diejenige des reflektierten) Strahles fest unter Drehung des Spiegels um eine zur Ebene der Strahlen (Einfallsebene) senkrechte Achse, so dreht sich der reflektierte (bezw. einfallende) Strahl um einen doppelt so großen Winkel als der Spiegel. Diese ersteren Sätze, die trotz ihrer Betätigung durch den täglichen Gebrauch des Spiegels bei den gewohnheitsmäßigen Gesichtswahrnehmungen besonders dann unbeachtet bleiben, wenn mangels einer Umrahmung des Spiegels dessen Gegenwart der Wahrnehmung entgeht, bilden die Erklärung mannigfacher optischer Täuschungen und Zauberkünste, die auf einer Verwechslung des wirklichen und des gespiegelten Raumes beruhen. Der letztere Satz gibt die Erklärung für wissenschaftlich-technische Verwendungen des Spiegels bei der Spiegelablesung und bei der photographischen Registrierung kleiner Richtungs-, Form- oder Längenänderungen, wie solche besonders bei den erdmagnetischen Beobachtungen sowie bei den Elektrometern und Spiegelgalvanometern und bei selbstregistrierenden Seismometern zur Anwendung kommen. Die feste Verbindung zweier ebener Spiegel liefert den weiteren Satz: Der Winkel des doppeltreflektierten Strahls mit dem einfallenden Strahl ist gleich dem doppelten Winkel der Spiegel, ein Satz, der bei Apparaten wie Winkelspiegel, Spiegelsextant, Heliotrop seine Anwendung findet. Das durch doppelte Reflexion entstandene Bild bleibt stehen, wenn die Spiegelverbindung um die Schnittlinie der Spiegel gedreht wird. Ueber die durch vielfache Reflexion an zwei im Winkel stehenden Spiegeln erzeugten Bilder vgl. Kaleidoskop. Von den gekrümmten Spiegeln geben die sphärischen und parabolischen, letztere nur für Gegenstände, die sich in der Paraboloidachse befinden, Bilder, die den Objekten um so ähnlicher sind, je kleinere Dimensionen die Objekte haben, während Kegelspiegel, Zylinderspiegel vollkommen verzerrte Bilder liefern. Zeichnungen solch verzerrter Bilder können umgekehrt als Objekte dienen, die im Kegelspiegel oder Zylinderspiegel richtig proportionierte Bilder erzeugen, sogenannte katoptrische Anamorphosen. Die Bilderverzerrungen bei sphärischen Spiegeln haben ihren Grund teilweise in der sogenannten sphärischen Aberration (s. Aberration, sphärische), besonders aber in der Verschiedenheit des Abstandes verschiedener Teile des Gegenstandes vom Spiegel, weil jedem andern Maß des Abstandes ein andres Maß der Bildvergrößerung entspricht Die Beziehungen zwischen gegenseitiger Lage von Gegenstand und Bild zum Spiegel und zwischen Gegenstandsgröße und Bildgröße lassen sich in folgende Formeln fassen:

1. f = r/2, 2. 1/a + 1/b = 1/f und 3. α = b/a,

in welchen r den Krümmungsradius des Spiegels, f die Brennweite, a die Gegenstandsweite, Entfernung des Gegenstands vom Spiegel, b die Bildweite und α das Größenverhältnis von Bild und Gegenstand bezeichnet, und zwar entsprechen positive Werte von r und f dem Konkavspiegel, negative dem Konvexspiegel; positive Werte von b sind die Bildweiten reeller Bilder, die in dem Räume vor dem Spiegel auf seiten des Gegenstandes entstehen, negative Werte von b sind Bildweiten scheinbarer oder virtueller Bilder, die hinter dem Spiegel zu stehen scheinen. Negative Werte von α entsprechen aufrechten, d.h. mit dem Gegenstände gleichgerichteten Bildern, positive Werte von α umgekehrten Bildern. Zum geometrischen Beweise von Satz 1. mag Fig. 1 dienen: Von einem unendlich fernen Punkte A sei durch den Kugelmittelpunkt nach dem Spiegel ein Strahl A M S gezogen, derselbe wird in sich selbst reflektiert. Ein andrer von A ausgehender Strahl treffe den Spiegel in C. Er wird in einer solchen Richtung C F reflektiert, daß das Einfallslot C M den Winkel A C F halbiert. Man erkennt, daß das Dreieck M C F gleiche Winkel bei M und C bekommt und daß F um so genauer in die Mitte von M S fällt, je kleiner das in Betracht kommende Spiegelstück S C ist, je weniger bei kleiner Oeffnung des Spiegels die sphärische Aberration in Betracht kommt. Bei einem parabolischen Spiegel mit Brennpunkt F gehen alle dem Strahl M F S parallelen Strahlen nach der Reflexion[181] durch F. Zum Beweis der Sätze 2. und 3. vgl. Fig. 2: Es sei M F S die Achse des Spiegels, A A' ein Licht aussendendes Objekt im Abstande A' S = a vom Spiegel. Nach Satz 1. geht der achsenparallele Strahl A C nach der Reflexion in der Richtung C F zurück und umgekehrt, der Brennpunktstrahl A F D in der der Achse parallelen Richtung D B. Ein von A durch M gezogener Strahl würde in sich selbst reflektiert werden und, wie die Figur zeigt, ebenfalls durch B gehen. B ist der reelle Bildpunkt von A, in welchem die von A ausgehenden Strahlen nach der Reflexion sich schneiden. Bezeichnet man die Verhältnisse der Achsenabstände A A' : S D oder C S : BB' mit α, S B' mit b und S F mit f, so erkennt man aus den ähnlichen Dreiecken der Figur: α = (af) : f = f : (bf), woraus die Beziehungen 2. und 3. sich durch Umformung ergeben. Die Rollen von A A' und BB' in der Figur sind vertauschbar, das Objekt B B' würde ein Bild A A' erzeugen. Die Fig. 3 und 4 zeigen zwei nicht umkehrbare Fälle von Bilderzeugung, Fig. 3 durch einen Konkavspiegel, wenn ein Gegenstand, innerhalb Brennweite stehend, ein aufrechtes, scheinbares Bild erzeugt, Fig. 4 durch einen Konvexspiegel, der bei jeder Lage des Gegenstandes nur ein aufrechtes, verkleinertes, scheinbares Bild zu erzeugen imstande ist. Eine Umkehrung dieser zwei Fälle gelingt nur, wenn man den Spiegel Strahlen reflektieren läßt, welche von einem andern bilderzeugenden Mittel, Linse oder Spiegel, herkommen und hinter dem Spiegel ein reelles Bild erzeugen würden. Für den Konkavspiegel sind folgende Verwendungen zu unterscheiden:

1. a < f, b folglich negativ, das Bild scheinbar aufrecht, vergrößert, Gebrauch als Toilettespiegel.

2. a = f, b = ∞, es kommt kein Bild zustande, die Lichtquelle im Brennpunkt erzeugt ein paralleles Strahlenbüschel, dessen Intensität nicht wie bei divergenten Büscheln mit der Entfernung abnimmt, Gebrauch als Reflektor für elektrisches Bogenlicht, z.B. auf Leuchttürmen.

3. a < 2f, aber >f, der Gegenstand erzeugt in einer Entfernung b > 2f ein reelles, umgekehrtes, vergrößertes Bild. Gebrauch als Zauberspiegel, indem man das kleine, dem Zuschauer verdeckte und verkehrt unterhalb der Spiegelachse angebrachte Objekt zur Erzeugung eines Bildes im Luftraum vor dem Spiegel benutzt. Das letztere ist nur von solchen Richtungen sichtbar, von denen aus der Spiegel im Hintergrund des Bildes steht.

4. a = 2f gibt auch b = 2f, das umgekehrte Bild steht in gleicher Größe am Orte des aufrechten Gegenstandes.

5. a > 2f gibt b < 2f aber > f. Das verkleinerte, umgekehrte reelle Bild steht um so näher beim Brennpunkt, je weiter der Gegenstand entfernt ist. Gebrauch beim Spiegelteleskop s. den Art. Fernrohr. Im Fall astronomischer Objekte fällt das Bild in die genaue Entfernung f, denn

6. a = ∞ gibt b = f. Entsprechend der obigen Gleichung 3. wird für sehr großes a das Bild nicht unendlich klein, falls das Objekt eine im Vergleich zu seiner Entfernung nicht verschwindend kleine Ausdehnung hat. Das unter einem Winkel φ erscheinende Objekt erzeugt ein Bildchen vom Durchmesser f arc φ, die Bilder der Spiegelfernrohren sind also um so größer, je größer die Brennweite des Spiegels ist.

Scheinbar ebene Spiegel sind die japanischen und chinesischen Zauberspiegel, Bronceplatten mit Relieffiguren auf der Rückseite; die Vorderseite bildet einen schwach konvexen Spiegel, der als solcher das Sonnenlicht in divergenten Strahlen auf eine Wand reflektiert. Die verdickten Stellen der Platte besitzen infolge eines Kunstgriffs beim Schleifen eine verminderte Konvexität, reflektieren das Licht mit verminderter Divergenz und erzeugen auf der Wand im dunkleren Lichtbild des Spiegels die helleren Bilder der Relieffiguren der Rückseite des Spiegels. Betreffs der Literatur vgl. den Art. Licht. S.a. Wasserspiegel.

Aug. Schmidt.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 181-182.
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181 | 182
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