Tinte

[553] Tinte (Dinte, Altramentum), zur Herstellung von Schrift oder Zeichnung geeignete, beliebig gefärbte, zumeist aber schwarze oder nach dem Auftragen schwarz werdende Flüssigkeit.

Die gewöhnliche schwarze oder blauschwarze Tinte besteht in der Regel aus gerbsauerm und gallussauerm Eisen, das durch einen Zusatz von Gummi, Zucker u.s.w. in der wässerigen Flüssigkeit suspendiert erhalten wird. Sie ist nicht unauslöschlich, dunkelt zunächst nach und vergilbt dann nach längerer oder kürzerer Zeit (Dauerhaftigkeit). Je nach ihrer Verwendung teilt man sie in drei Klassen ein:

1. Kanzleitinte. Diese muß aus Galläpfeln oder Tannin bereitet sein. Sie hat den gesetzlichen Anforderungen (s. unten) zu genügen und wird verwendet für Akten, Dokumente, überhaupt für Schriftstücke, die eine lange Dauer haben sollen.

2. Kopiertinte besteht aus Galläpfelauszügen bezw. Tannin oder Blauholz (auch Teerfarben) und soll gute Kopien liefern.

3. Schreibtinte für Haus- und Schulgebrauch. Von dieser Tinte verlangt man gute Eigenschaften, aber keine lange Dauer.

Nach den neueren Verfahren, Darstellung der Gallustinten aus käuflichem Tannin durch teilweises Ueberführen des letzteren in Gallussäure, d.h. durch Fermentieren mit Wasser angefeuchteter grobgepulverter Galläpfel und Zusatz von Eisenoxyd- oder -oxydulsalzen, erhält man nur Tinten, die anfangs blasse Schrift ergeben. Diese Tinten werden daher mit Teerfarben nachgefärbt. Hierbei hat sich die auffallende Tatsache ergeben, daß die Teerfarben den Flüssigkeitsgrad (Viskosität) der so nachgefärbten Tinten beeinflussen, indem die einen die Tinte dickflüssiger, andre sie leichter fließend machen.

Zum Galläpfelauszug durchfeuchtet man 200 Teile grobgepulverte chinesische Galläpfel (s.d.) mit Wasser, läßt die Masse bei einer Temperatur von 20–25° C. bis zu erfolgter reichlicher Schimmelbildung unter täglichem Ersatz der verdünnenden Feuchtigkeit (die Fermentation braucht 8–10 Tage) stehen und extrahiert sie im Dampfbade eine Stunde lang mit 400 Teilen destilliertem oder Regenwasser, preßt ab, behandelt den Rückstand in gleicher Weise mit 400 Teilen und 200 Teilen Wasser, rührt in die vereinigten Auszüge Talkpulver, läßt 24 Stunden stehen und filtriert. Das Filtrat betrage 1000 Teile (Haltbarkeit: einige Tage). Hieraus wird der Galläpfelkanzleitintenkörper bereitet: 1000 Galläpfelauszug werden mit 100 10% Eisen enthaltender Eisenchloridlösung vermischt, die Mischung 14 Tage in verschlossener Flasche gehalten und dann filtriert. Auch mit Tannin direkt werden in ähnlicher Weise Tintenkörper bereitet; Näheres in [1]. – Aus diesen Tintenkörpern kann man durch Pigmentzusätze die ganze Reihe von Kanzleitinten herstellen. – Als für alle diese Tinten geltenden Typus folgt die Vorschrift für die sogenannte blaue Galluskanzleitinte (Reichstinte, Aleppotinte, blauschwarze Japantinte genannt).

a) Galläpfeltinte: 3,0 Phenolblau, 4 F (Schaal, Dresden) löst man in der Wärme in 400 Wasser, mischt 600,0 des Galläpfelkanzleitintenkörpers und dann noch 1,0 Karbolsäure zu, läßt die Mischung in mit Papier umschlagenen Kolben eine Woche in kühlem Räume stehen und gießt hierauf vom Bodensatz klar ab oder filtriert.

b) Tannintinte: s. in [1] und in [2]. Man mischt zu 400,0 des Tanninkanzleitintenkörpers, zuletzt 1,0 Karbolsäure und 2,0 Zucker und läßt die Tinte wie bei a) stehen.

Zu den Galluskopiertinten wird der Galläpfelkopiertintenkörper wie folgt hergestellt: 900 Galläpfelauszug, 4,0 Schwefelsäure (spez. Gew. 1,835) werden 1/4 Stunde im Dampfbade erhitzt, mit 60,0 kristallisiertem Eisenvitriol versetzt, 2 Wochen in verschlossener Flasche stehengelassen, filtriert und unter Nachwaschen des Filters auf 1000 gebracht. Ueber Herstellung des Tanninkopiertintenkörpers s. [1] und [2].

Als Typus der Kopiertinten folgt die Vorschrift der blauen Galluskopiertinte mit Galläpfelkopiertintenkörper: 2,5 Phenolblau, 3 F, 30,0 Zucker löst man heiß in 70 Wasser, mischt 900 Galläpfelkopiertintenkörper und 1,0 Karbolsäure zu, läßt eine Woche bedeckt stehen und gießt klar ab.

Blauholztinten sind Chromtinten, welche aus Blauholzextrakt, Kaliumdichromat, Chromalaun oder andern in der Färberei als Beizen gebrauchten Salzen oder sauern Salzen sowie Säuren bereitet werden. Je nach der Menge dieser Zusätze variiert die Farbe und die Viskosität. Die Kopierfähigkeit ist eine vorzügliche; auf dünnes Seidenpapier kann man bis zu vier Abzüge auf einmal machen, ferner liefern sie noch nach Monaten brauchbare Kopien; hieraus folgt aber auch, daß die Schriftzüge leichter entfernt werden können. Läßt man Ammoniakdämpfe auf die Schrift einwirken, so wird die Kopierfähigkeit aufgehoben. – Als Beispiel ihrer Darstellung mögen folgende Vorschriften dienen:[553]

Tintenkörper: 200,0 Blauholzextrakt werden in 1000,0 heißem Wasser gelöst. Dann läßt man 8 Tage lang absitzen und gießt klar ab.

Blauholzkopiertinte (Hämateinkopiertinte): 600,0 Blauholzextraktlösung (Tintenkörper) erhitzt man 1/4 Stunde lang mit 1,5 Schwefelsäure (spez. Gew. 1,835). Alsdann mischt man in dünnem Strahl folgende Mischung hinein: 40,0 schwefelsaure Tonerde löst man in 120,0 warmem Wasser, gibt 40,0 Pottasche zu Kohlensäure, alsdann 40,0 Oxalsäure behufs Lösung des Tonerdeniederschlages und hierauf 3,0 Kaliumdichromat. Sodann erhitzt man alles noch 1/4 Stunde im Dampfbade, bringt auf 1000,0, gibt 1,0 Karbolsäure zu, läßt 14 Tage stehen und gießt klar ab.

Farbige Tinten (violett, rot, grün) sowie Alizarintinten werden genau so wie Galläpfeltinten und Tannintinten bezw. Alizarinkopiergallus- und Tannintinten mit den entsprechenden Farben hergestellt; ebenso wie die Blauholzkopiertinte werden auch die violetten und veilchenblauen Tinten gemacht; nur nimmt man 1,0 Schwefelsäure und 3,5 Kaliumdichromat bezw. 0,5 Schwefelsäure und 4,0 Kaliumdichromat. – Anilintinten werden aus Teerfarben hergestellt und liefern die größte Anzahl der Farbtinten sowie der Salon- und Schultinten, von deren Schrift man eine lange Dauer nicht verlangt; zu Violett z.B. verwendet man: Methylviolett 6,0, kaltes Wasser 20,0, heißes Wasser 960,0, 33%ige Essigsäure 5,0, Zucker 20,0. Näheres in [1] und [2]. Die Kopiertinte bereitet man ebenso, verwendet aber etwas mehr Farbe und setzt als Säure, mit Ausnahme der roten Kopiertinte, 2,0 Oxalsäure zu.

Hektographentinten sind wässerige, 10–20%ige Lösungen von Teerfarben mit 10% Alkohol, eventuell unter Zusatz von 4% Glyzerin und Essigsäure. Violett: Methylviolett, Blau: Resorzinblau, Grün: Anilingrün, Rot: Eosin.

Druck- und Stempeltinte (D.R.P. Nr. 57848) nach Higgins. Geeignete Anilinfarben werden in Nelken-, Zimmt- oder Pfefferöl gelöst; zum Stempelblau wird Berlinerblau mit Glyzerin angerieben bis zur erforderlichen Konsistenz.

Glasätztinte. 3 Teile Baryumsulfat werden mit 1 Teil Fluorammonium und Schwefelsäure zu einem dünnen, zum Schreiben geeigneten Brei angerührt (eigne Vorschrift).

Tinte zum Schreiben auf Glas (durch Wasser nicht angreifbar): Weißer Schellack 10,0, Terpentinöl 15,0, Venezianer Terpentin 5,0, Indigopulver 5,0.

Tinte zum Schreiben auf Metall (Zinn und Zink und Weißblech). 3,0 Kaliumchlorat, 6,0 Kupfersulfat, 7,0 Wasser werden gemischt mit einer Lösung von 0,05 Resorzinblau M., 20,0 Wasser und 5,0 30%iger Essigsäure. Die Haltbarkeit der Tinte ist eine beschränkte.

Wäschezeichentinte. Man löst 20,0 Silbernitrat in 50,0 Ammoniak und fügt 30 bis 40 konzentrierte Gummiarabikumlösung zu. – Nach Kindt (Dingl. Polyt. Journ.) benutzt man den ätheralkoholischen und bis zur Sirupskonsistenz eingedickten Auszug der von den öligen Kernen befreiten Früchte von Anacardium Orientale (sogenannte Elefantenläuse). Man schreibt die Zeichen in die Wäsche und befeuchtet die getrocknete Schrift mit Kalkwasser, wodurch sie tiefschwarz wird.

Lithographische Tinte. Diese muß in den Stein eindringen und der Säure widerstehen. Man bereitet sie mit Talg, Wachs und Seife, wobei es als Regel gilt, daß die Tinte ebensoviel Seife als nicht verseifbare Substanzen enthält (Villon, Lemercier). Lemercier gibt folgende Vorschrift: Gelbes Wachs 4 Teile, Talg 3 Teile, weiße Marseiller Seife 13 Teile, Lackgummi 6 Teile, Schwarz 3 Teile. Näheres in [1].

Unauslöschliche Tinte: 10%ige Silbernitratlösung.

Sympathetische Tinten spielen wohl praktisch keine Rolle, dienen aber zu chemischen Spielereien. So gibt z.B. eine 10%ige Lösung von Ferrocyankalium nach dem Trockenwerden fast unsichtbare Schriftzüge; überpinselt man sie mit einer verdünnten Eisenchloridlösung, so tritt die Schrift blau hervor. Nach Péchard erhält man tiefblaue Schriftzüge, wenn man die Schrift mit einer wässerigen Oxalomolybdänsäure (hergestellt durch Eintragen von Molybdänsäure in eine heiße Oxalsäurelösung) dem Sonnenlicht aussetzt. – Braune Schrift entsteht bei Verwendung einer 10%igen Bleiacetatlösung beim Ueberpinseln derselben mit Schwefelammonium. – Rote Schrift erzielt man mit einer Rhodankaliumlösung und Ueberpinselung mit verdünnter Eisenchloridlösung.

Tintenprüfung. Im Jahre 1888 erfolgte in den Mitteilungen der Kgl. Preußischen Technischen Versuchsstation zu Charlottenburg eine Veröffentlichung über die »Grundsätze für amtliche Tintenprüfung«, die vom Kgl. Preußischen Staatsministerium genehmigt sind; s. in [1].


Literatur: [1] Ditrich, Pharmaz. Manual, 1892. – [2] Fehling-Hell, Neues Handwörterbuch der Chemie, Bd. 7, Braunschweig 1905. – [3] Schluttig und Neumann, Die Eisengallustinten, Dresden 1890.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 553-554.
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