[597] Trajektanstalt, auch Fähranstalt, Eisenbahnfähre (s. Fähren) genannt, ist die Einrichtung jenes Schiffsverkehrs quer über Ströme, Seen, Meeresbuchten u.s.w., durch welchen insbesondere Eisenbahnwagen von einem Ufer zum andern im direkten Anschlusse an bestehende Schienenwege übergeführt werden. Selten und nur bei kurzen Wegen ist die Trajektanstalt als Seil- oder Kettenfähre ausgebildet [1]; zumeist ist das zum Ueberführen oder Trajektieren dienende Fahrzeug (Trajektschiff) freifahrend. Die Anlande- oder Verladeeinrichtung ermöglicht den bequemen Uebergang der Eisenbahnwagen aufs Boot oder umgekehrt.
I. Das freie Trajektschiff war anfänglich als Schaufelraddampfer gebaut, wobei man beide Räder voneinander unabhängig mit je einer eignen Maschine herstellte; hierdurch wurde das schwierige Manöver des Anlandens erleichtert. Später kombinierte man den Raddampfer noch mit einer Schiffsschraube. Jetzt sind saß nur Schraubendampfer, und zwar solche mit je einer Schraube hinten (achter) und vorne, d.i. mit einer Heck- und Bugschraube s bezw. s' (Fig. 1), in Verwendung, welche auch an jedem Ende ein Steuerruder r, r' besitzen [2]. Eine Besonderheit ist der Trajektdampfer »St.-Ignace« am Detroitflüsse in Nordamerika, dessen vordere Schraube kleiner und mit einer schwächeren, separaten Maschine versehen ist als die hintere. Wenn nun der Fluß im Winter eine Eisdecke hat, so läßt man die hintere, stärkere Schraube nach vorwärts, die andre aber nach rückwärts arbeiten; durch die so am Bug hervorgerufene starke Wellenbewegung wird das Eis gebrochen, und der Dampfer geht mit der Differenz der beiden Schraubenleistungen vorwärts. Auf dem Hauptdeck des Trajektschiffes befinden sich, gehörig unterstützt, je nach der Größe des Schiffes und des Verkehrs entweder ein oder mehrere (bis 4) symmetrisch zur Schiffsmittellinie verteilte Gleise. Auf diese können die Eisenbahnwagen, bei einigen Ausführungen nur einseitig, über Heck, bei den meisten aber von jeder Seite, d.i. sowohl über Heck als über Bug, auffahren und ebenso abfahren; diese letztere Art der Trajektschiffe ist als sogenannter Doppelender (Fig. 1) vorne und achter gleich gebaut und bietet den Vorteil, daß kein Wenden des Schiffes nötig wird. Behufs Festhaltens der Eisenbahnwagen wird jeder derselben beiderseits mittels Tauen an die im Deck beteiligten Sorringe angebunden und überdies noch je ein Rad mit einem Doppelhemmschuh versehen. Außer den selbsttragenden Trajektdampfern hat man zuweilen, wie z.B. auf dem Bodensee, auch Trajektkähne, die geschleppt werden [4], [5].
II. Anlandevorkehrungen. Um das Deckgleise in gleich hohen Anschluß mit dem Landgleise zu bringen, kann einerseits die bezügliche Einrichtung auf dem Schiffe allein angebracht sein, und zwar: 1. Bei nur geringem Steigern des Wasserstandes über das tiefste Schifffahrtsniveau genügt ein Tiefertauchen des Schiffes durch Anfüllen entsprechender Schiffsabteilungen mit Wasserballast; nach dem Beladen wird dasselbe Wasser wieder ausgepumpt.[597] 2. Größeren Wasserstandsunterschieden vermag man zu entsprechen, wenn das Deck, welches die Gleise trägt, beweglich, zum Heben und Senken eingerichtet ist, wie z.B. bei dem im Hafen zu Glasgow verkehrenden Trajektdampfer »Finnieston«. Ein solches sogenanntes Hebedeck a (Fig. 2) wird hier von sechs, mittels Stirnradgetriebe drehbaren Schraubenspindeln s getragen; es hat 23,7 m Länge, 9,75 m Breite und 4,25 m größte Hubhöhe [4], S. 130.
Anderseits gibt es auch am Ufer angeordnete einstellbare Ladeeinrichtungen, und zwar: 3. Vertikale Hebewerke, Aufzüge, mit turmförmigem Aufbau, als Hebeturm bezeichnet. Eine solche Konstruktion war bei der Trajektanstalt Homberg-Ruhrort in Anwendung. Hierbei wurde eine mit drei, je für einen Waggon geeigneten Gleise versehene Plattform durch hydraulische Pressen im Maximum um 8,46 m gehoben bezw. gesenkt bis zur Uebereinstimmung mit dem Boots- oder dem Landgleise [1], Tafel 41. 4. Schiefe Ebenen oder Slipanlagen auf dem Anlandeufer. Dabei läßt sich ein auf entsprechendem Gleise fahrbarer Verbindungswagen a a (Fig. 3) derart richtig einteilen, daß das Auf- bezw. Abfahren der Wagen möglich ist. Daselbst ist noch eine Zugbrücke b vorhanden, welche eine Verlängerung des Uebergangswagens bildet und noch kleinere Höhenunterschiede zwischen diesem und dem Fährschiffe vermittelt; für den vollkommenen Anschluß der Schienen dienen die Zungenstücke c c. 5. Trajektbrücken (Landebrücken). Diese sind in neuerer Zeit am meisten angewendet. Sie erscheinen gleich den Zugbrücken an einem, dem landseitigen Ende d (Fig. 4a) fest, aber in vertikaler Ebene drehbar aufgelagert, während das wasserseitige Ende e gewöhnlich durch eine Aufhängevorrichtung f g (Fig. 4b) getragen wird und sich entsprechend dem jeweiligen Wasserstande auf die Höhe des Deckgleises einstellen läßt. Um diese letztere Bewegung, besonders das Heben, leicht bewirken zu können, ist das Eigengewicht der Trajektbrücke durch Gegengewichte h an der Aufhängestelle ausgeglichen. Ein Nachteil entsteht bei Benutzung der Trajektbrücke, wenn der Wasserstand eine große Veränderung erfährt, weil dann die Neigung ihrer Brückenbahn eine beträchtliche wird und die starken Gefällsbrüche am Anfangs- und Endpunkte der Brücke den Betrieb erschweren. Um die erwähnte Neigung geringer zu machen, ist an einigen Orten die Trajektbrücke gleichsam verlängert, indem an das bewegliche Ende der ersten Brücke sich unmittelbar der Anfang der zweiten anschließt, deren Ende gleichfalls mittels beweglicher Aufhängung getragen wird, ausgeführt z.B. bei der Trajektanstalt zu Lindau a. Bodensee und bei jener rekonstruierten zu Stralsund für die Eisenbahnfähre nach Rügen über den Bodden [6]. Im letzteren Falle hat man eine Gesamtbrückenlänge von 2 × 25 = 50 m, bei Hochwasser eine größte Steigung von 1 : 40, bei Niederwasser hingegen ein größtes Gefälle von 1 : 34 zum Trajektschiffe, so daß auch Personenwagen anstandslos übergesetzt werden können. Fig. 4 zeigt die Landungsstelle des Fährdampfers; an einer Längsseite desselben befindet sich die Gerüstlandungsbrücke AA, die sich wasserseits noch in einen Laufsteg B fortsetzt. Auf der andern Längsseite ist nur ein Laufsteg CC. Die Innenseiten der genannten Stege und der Brücke sind mit starken Bohlen verkleidet, um hierdurch die Strömung von der Landungsstelle abzuhalten. Der Vorderteil des gelandeten Bootes wird durch eine Klemmvorrichtung, die Bufferwände D,[598] festgehalten, welche mittels Kolbenbuffer gegen die festen Brücken abgestützt sind; der Hinterteil wird bei E vertaut. Bei Flußtrajektanstalten ist die in das Uferland hinein ausgeführte Landungsstelle oder Landungsbucht wegen erleichterter Ein- und Ausfahrt gegen das Land hin stets etwas flußaufwärts gerichtet [7].
Das Be- und Entladen der Fährkähne geschieht, indem die Waggons entweder mittels Seiltrieb oder, wie jetzt zumeist, mittels eines Trajektzuges bewegt werden; bei diesem verbleibt die Lokomotive stets auf dem Landgleise, und die Verbindung zwischen derselben und den zu trajizierenden Wagen wird durch mehrere eingeschaltete Lowries bewirkt, deren erste und letzte mit Ballastladung und Bremsen versehen sind.
Eine Trajektanstalt besonderer Art ist die von Alberto Palacio erbaute Fährbrücke oder Luftfähre zu Bilbao (Spanien). Hierbei ist über einen Mündungsarm eine 160 m weite, leichte Hängebrücke, 40 m über dem Wasserspiegel hergestellt. Auf einem Gleise derselben ist fahrbar ein herunterhängendes Rahmengerüst angebracht, welches unten die für Personen und Wagen geeignete Plattform der Fähre trägt. Die Fortbewegung derselben kann mit Hand- oder Dampfbetrieb erfolgen [8]. Die modernste und bedeutendste Trajektanstalt ihrer Art ist die 1909 der Benutzung übergebene von Saßnitz-Trelleborg für den Verkehr zwischen Deutschland und Schweden.
Literatur: [1] Heusinger, Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik, Bd. 1, Leipzig 1877. [2] Engineer 1897/11, S. 89, 345. [3] Ebend. 1895/11, S. 284; 1896/11, S. 385; 1897/1, S. 132. [4] Glasers Annalen 1891, S. 86. [5] Génie civil 1897/11, S. 423. [6] Zentralblatt der Bauverwaltung 1897, S. 202; Zeitschr. f. Bauwesen 1885, S. 357. [7] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1897, S. 451. [8] Zentralblatt der Bauverwaltung 1894, S. 76.
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