Papiergarnspinnerei

[494] Papiergarnspinnerei [1], [2].

Die Herstellung von aus Papier gedrehten Fäden ist insofern schon ziemlich alt, als bereits die Japaner vor mehr als hundert Jahren aus einem Papierblatt geschnittene endlose Streifen mit der Hand auf einer Platte aus hartem Material (Stein) zusammenrollten (»Koyori«, »Shi-fu-gami«) [3]. In Europa begann die Verwendung von Papierfasern für die Herstellung von Erzeugnissen der Weberei mit der Herstellung von Papierstoffgarnen (nicht Papiergarn) durch besondere Naßspinnverfahren. Hier wurde die Papierbahn bereits auf dem Maschinensieb in einzelne Papierstoffbänder geteilt und im noch nassen Zustande durch Würgeln (Nitscheln) zu Vorgarn gerundet. Solche Papierstoffvorgarne werden entweder auf der Rundsiebmaschine oder auf der Langsiebmaschine hergestellt. Das Verfahren der Streifenbildung auf der Rundsiebmaschine benutzen Kellner [4], Türk [5], sowie das Kellner-Türk-Altdammer-Verfahren und endlich das neue Zellulonverfahren von Türk bzw. Issenmann. Die Erzeugnisse dieser Verfahren wurden als Licella-, Ferrofil-, Ferrocellin-, Zellulongarne bezeichnet. Die Vorgarnbildung auf der Langsiebmaschine benutzt das Silvalin-Verfahren von Kron [6]. Die Teilung der Stoffbahn in Streifen erfolgt dabei durch aus Spritzdüsen austretende Druckwasserstrahlen.

Uebergangsverfahren von der Papierstoffgarnspinnerei zur Papiergarnerzeugung stellen das Kellnersche Verfahren von 1902 und das Zellgarnverfahren von Leinveber dar, bei denen die einheitlich gebildete, aber noch nasse Papierbahn in Streifchen geteilt wird. Die eigentliche Papiergarnherstellung benutzt das Zerteilen der fertigen getrockneten Papierbahn in Bänder, welche dann im feuchten Zustande drelliert werden. Obgleich dieses Verfahren kein eigentliches Spinnen mehr ist, wird es doch fast immer als Papiergarnspinnerei bezeichnet. Die amerikanische Patentschrift von Tice [7] behandelt bereits ein Verfahren zur Herstellung von Papiergarn, welches dadurch gekennzeichnet ist, daß mechanisch in einem Zuge die Papierbahn durch Scheibenschneider in Streifen geschnitten, die gewonnenen Streifen dann durch besondere den Nähmaschinenfaltern ähnlichen Faltvorrichtungen für die Umbildung von Fäden gefalzt, die gefalzten Bänder durch Preßrollen glatt gedrückt und schließlich durch Benutzung von Spindeln zu Fäden gedreht werden. In Deutschland ist namentlich Emil Claviez in Adorf derjenige gewesen,[494] der sich um die Ausbildung der Papiergarnspinnerei besonders verdient gemacht hat (Xylolin-Verfahren) [8]. Das sogenannte Textilin-Verfahren von Kron bezieht sich auf die Herstellung von sogenanntem Flachgarn, bei welchem durch besondere Falzer der Streifen an den Kanten eingesalzt, durch Preßwalzen flach zusammengedrückt und schließlich auf Kreuzspulen als Flachgarn aufgewickelt wird. Endlich wäre noch auf die Verbundverfahren aufmerksam zu machen, welche das Zusammenarbeiten von Papierbändern mit Textilfasern bezwecken. Bei der Herstellung der Textilose von Claviez [9] wird auf die Papierbahn ein von einer Krempel erzeugter Faserflor aufgebracht, diese Bahn wird dann auf besonderen Maschinen in feuchtem Zustande in Streifen geschnitten, die zu sogenannten Spinntellern aufgewickelt werden. Auf der Tellerspinnmaschine wird schließlich vor dem Drellieren der einzelne Streifen in der Mitte so zusammengefalzt, daß die Spinnfaserschicht auf der Papieroberfläche erscheint, und dann erst zusammengedreht. Hierdurch wird dem Garn ein Textilcharakter gegeben und die Poren der daraus hergestellten Gewebe gut geschlossen. Leinveber [10] belegt nicht die Papierbahn ein- oder beiderseitig mit je einer Florbahn, sondern er bettet eine solche zwischen zwei ausgeschnittene oder durch Schneiden gewonnene Papierbahnen ein. Steinbrecher [11] bedeckt die durch Zerschneiden gewonnenen Papierstreifen einseitig mit Faserflorstreifen und führt diese Vereinigung in der Spinnmaschine selbst durch (Textilit-Verfahren).

Der Arbeitsvorgang der eigentlichen Papiergarnspinnerei ist der, daß das auf Rollen gewickelte Papier, wie solches die Papiermaschine liefert, beim Abzug von der Rolle einem Schneidzeug zugeführt und in Streifen geschnitten wird, welche dann durch Zusammendrehen einen fortlaufenden Faden, das Papiergarn, ergeben. Diese einfach erscheinende Arbeit läßt sich nun nicht auf einer Vorrichtung ausführen, so daß durch sie aus dem Rollenpapier das Garn erhalten wird; denn die beiden vorliegenden Arbeiten, das Schneiden der Streifen und deren Zusammendrehen, das eigentliche Spinnen, lassen sich nicht in unmittelbarem Zusammenhang ausführen. Die mögliche Geschwindigkeit des Papierlaufes beim Streifenschneiden, die Schnittgeschwindigkeit, stimmt mit der Zuführgeschwindigkeit beim Spinnen nicht überein, und deshalb werden die beiden Arbeiten unabhängig voneinander auf verschiedenen Maschinen ausgeführt, so daß jede für sich wirtschaftlich bestmöglich tätig sein kann. Für die Ueberführung der Streifen zur Spinnmaschine ist nun eine Aufspeicherung und Uebertragungsform nötig, die durch Aufrollen der Streifen zu scheibenartigen Rollen (Streifenrollen, Spinnteller) erzielt wird, welche Rollen dann den Spinnmaschinen vorgelegt werden. Diese Streifenrollen sind ein kennzeichnendes Merkmal der Papiergarnspinnerei. Die Streifenrolle hat die Eigenschaft, nicht nur den geschnittenen Streifen in glattgeschichteten Windungen und durch festes Wickeln in größere Längen aufzunehmen, sondern auch sich von außen oder von innen abziehen zu lassen. Beim Vonaußenabziehen des Streifens dreht sich die Rolle gewissermaßen als Laufspule, während sie beim Voninnenabziehen relativ gegen ihre Unterlage ruht (Schleifspule).

Der Umstand, daß beim Papierspinnen der flache breite Papierstreifen zu einem runden, viel schmäleren Körper durch Zusammendrehen umgeformt werden muß, macht eine vielfache Fältelung des Streifens notwendig, was ein Geschmeidigmachen durch Nässen notwendig macht. Dieses Anfeuchten oder Nässen kann mit der breiten Papierbahn vor dem Schneiden, mit den Streifen beim Aufrollen, mit der trockengeschnittenen Streifenrolle im ganzen, mit dem in der Spinnmaschine eingeführten Streifen selbst erfolgen; in dieser Verschiedenheit liegt eine Vielseitigkeit der Papiergarnspinnerei, die durch die verschiedenen Spinnverfahren selbst noch erhöht wird. Das Papiergarn wird in verschiedener Stärke gebraucht, und diese Stärke wird wie beim Fasergarn durch die metrische Feinheitsnummer bezeichnet (s. unten Abschnitt Garnprüfung).

Die Maschinen der Papiergarnspinnerei zerfallen nach den vorangegangenen Erläuterungen in zwei Gruppen: die Maschinen zur Streifenrollenherstellung, das sind die Schneid- und Wickelmaschinen, und die eigentlichen, die Garnbildung aus den Streifen bewerkstelligenden, die Streifenrollen verarbeitenden Spinnmaschinen. Die Streifenschneidmaschinen arbeiten meist mit Kreismessern (Scherenschnitt), doch sind auch solche Maschinen mit feststehenden Messern, sogenannte Rasierklingen (Druckschnitt), für dünnere Papiere in Benutzung gekommen. Es gibt Schneidmaschinen nur für trockene Rollen, meistens werden aber die Schneidmaschinen mit Anfeuchtvorrichtungen verschiedener Art ausgerüstet. Solche Schneidmaschinen werden unter anderem gebaut von: Gandenbergersche Maschinenfabrik G. Göbel in Darmstadt, E. Geßner in Aue i. S., Maschinenbauanstalt Golzern in Golzern i. Sa., Guschky & Tönnesmann in Düsseldorf, H. Spörl in Düsseldorf, C.G. Haubold, A.-G. in Chemnitz, Jagenbergwerke A.-G. in Düsseldorf, O. Kohorn & Co. in Chemnitz, Maschinen- und Apparatebauanstalt in Rheydt.

Für das Zerschneiden auf den Schneidmaschinen werden die Papierbahnen schon in etwas schmäleren Rollen von den Papierfabriken geliefert, die Ränder solcher Teilpapierrollen sind nicht so genau geschnitten, daß sie noch brauchbare Streifenrollen hergeben. Die hierbei abfallenden Randstreifen sind aber nicht wertlos, denn mehrere zusammengenommen werden zu starken Papierschnüren, sogenannten Papierkordeln, versponnen, die als Bindfaden und zu Seilen und Gurten Verwendung finden.

Das Zusammendrehen der Papierstreifen, das eigentliche Spinnen, kann auf jeder der vorhandenen bekannten Spinnmaschinen, mag sie dem Faden die Drehung mit Flügel oder Ringreiter erteilen, vorgenommen werden. Da der Streifen nur zusammengedreht zu werden braucht, ist auch jede Zwirnmaschine als Papierspinnmaschine geeignet. Die angefeuchteten Streifenrollen werden diesen Maschinen auf einem Brett vorgelegt und meist von innen her durch die Zuführzylinder abgezogen. Verwendet man trockene Streifenrollen, so müssen die Flügel- und Ringspinnmaschinen mit Streifennäßvorrichtung versehen sein, welche dem Streifen vor dem Zusammendrehen die erforderliche Feuchtigkeit erteilen. Hierzu werden die Streifen während ihres Laufes durch eine Wasserrinne geführt, durch eine in Wasser tauchende Mittellaufwalze benetzt, mit Wasser betropft oder bespritzt u.s.w. Es gibt hier eine große Zahl verschiedener[495] Einrichtungen, die auf den Spinnmaschinen zweckmäßig zwischen den Zuführzylindern und den Spindeln angebracht werden. Die gewöhnlichen Spinnmaschinen, auch mit solchen Näßvorrichtungen, eignen sich nur zum Spinnen feinerer Garne, also für schmale Papierstreifen. Bei breiteren Streifen muß das Einfalten der Streifen unterstützt und durch Verschmälern die Annahme der Drehung erleichtert werden. Hierzu werden die Papierspinnmaschinen mit sogenannten Formern oder Falzern für den durchgeführten Papierstreifen versehen, wie solche z.B. von dem Stanzwerk Otto Jäger in Siegmar bei Chemnitz und auch von Conrad Schaper in Bielefeld gebaut werden.

Es gibt nun auch Sondermaschinen der Papierspinnerei, also Spinnmaschinen, die nur für Papier bestimmt sind und deshalb besondere Vorzüge vor den gewöhnlichen Spinnmaschinen haben; das lind die Tellerspinnmaschinen. Bei der einen Gattung dieser Tellerspinnmaschinen wird die feuchte Streifenrolle in einen umlaufenden Teller gelegt und der Papierstreifen von ihm durch eine Brücke abgezogen, auf dieser geht er im Schlangenweg über eine Bremsvorrichtung und bleibt, während er durch einen drehenden Teller zum Faden zusammengedreht wird, von einer Rolle senkrecht gezogen, in seiner Lage, also gegen das Herumschleudern in den anderen Spinnmaschinen vergleichsweise ruhig. Bei anderen solchen Tellerspinnmaschinen wird der Papierstreifen von außen abgezogen, geht dann durch eine Falz- und Bremsvorrichtung in der Mitte des Tellers ebenfalls nach oben. Das fertige Garn wird nötigenfalls noch durch Würgeln oder Nitscheln oder Rillenscheiben gerundet und von den Fadenführern geleitet von einer größeren Menge garnfassender Kreuzspulen aufgewickelt. Die Kreuzwindungen der Kreuzspule ermöglichen zwischen den Fadenlagen der Luft den Zutritt, so daß auch das Garn auf der Spule trocknet. Solche Tellerspinnmaschinen werden unter anderem gebaut von der Carl Hamel-A.G. in Schönau bei Chemnitz, von der Sächsischen Maschinenfabrik vorm. Rich. Hartmann in Chemnitz, von der Sächsischen Webstuhlfabrik-A.-G., von Gebrüder Franke u.s.w. In neuester Zeit wird zur Leistungserhöhung beim Papierspinnen die Tellerspinnmaschine mit einer Ringspinnmaschine verbunden, was die sogenannte Doppeldrahtspinnmaschine gibt.

Als Stoff für das Papiergarn wird besonders der weiche gute Natronzellstoff (Sulfatzellstoff) bevorzugt, doch ist man während der Kriegszeit notwendigerweise mehr und mehr auf Mischungen von Sulfat- und Sulfitzellstoffen zurückgekommen. Ueber die Unterscheidung von Natron- und Sulfitzellstoffen im Spinnpapier [12], [13] wurde in der Hauptversammlung 1917 der Zellstoff- und Papierchemiker verhandelt (vgl. unten Abschnitt Garnprüfung).

Die Drellierung (Grad der Drehung, Draht, Drall) der Garne muß ebenso wie bei den Garnen aus langen Spinnfasern dem Verwendungszweck angepaßt werden. Während naturgemäß die Festigkeit der aus geleimtem Papier durch Drehung hergestellten Papiergarnfäden im trockenen Zustande mit der Drehung abnimmt, folgt der nasse Faden, bei dem der Leim nicht mehr als solcher wirkt, dem Gesetz der Festigkeit der aus losem Fasermaterial hergestellten Garne dergestalt, daß die Festigkeit bis zu einem bestimmten Grade zunimmt, ein Maximum erreicht und dann wieder abnimmt (Naßdrall [Claviez, Glatz, Johannsen], kritischer Drehungsgrad [Müller], optimaler Drall [Ubbelohde]). In welcher Art die Festigkeit der Papiergarne durch Spinnspannungen und Durchfeuchtung beeinflußt wird vgl. [14].

Bei Erteilung von sachgemäßer Drehung werden die Papiergewebe auch waschbar. Daß dieser Gesichtspunkt auch schon von den alten Papiergarnspinnern (Claviez u.s.w.) eingehalten wurde, beweisen z.B. die bereits auf der 1897er Leipziger Ausstellung von Claviez ausgestellten Handtücher, Kinderwindelhöschen, Feuerwehrröcke u.s.w., die damals schon ein mehr als zwanzigmaliges Waschen ausgehalten hatten. Papiergewebe, die weich sein sollen, werden zunächst durch bekannte Verfahren entkeimt (vgl. z.B. Waschvorschriften für Papiergewebe in der Krankenpflege [15]).

Als Stoffe, welche sich gut aus Papiergarn herstellen lassen, seien erwähnt: Flaggenstoffe, Kulissenstoffe, Schürzenstoffe, Pantoffelstoffe, Gardinenstoffe, Vorhangstoffe, Vorhangmull, Möbelstoffe, Wandbespannung, Lampenschirme, Gartenschirme, Teppiche, Vorleger, Läufer, Polsterstoffe, Unterstoffe für Polsterungen, Rouleauxstoffe, Stoffe für Liegestühle, Tragbahren und dergleichen, Treibriemen, Schmirgelleinen, Handleder, Wettertuche, Drucktücher, Mangeltücher, Kofferbezüge, Kofferfutter, Sattlerfutter, Rucksäcke, Markttaschen, Gewebesäcke, Strohsäcke, Kunstleder, Buchbinderartikel, Puppenbekleidung, Hutfutter, Tischtücher, Mundtücher, bunte und gestreifte, Handtücher, Steifleinen, Zwischenfutter, Rollbocks, Verpackungsmaterial, Matratzenstoffe, Bindfaden u.s.w.


Literatur: [1] G. Rohn, Papiergarn, seine Herstellung und Verarbeitung, Leipzig 1918. – [2] Heinke und Rasser, Handbuch der Papier-Textilindustrie, 3. Aufl., Dresden 1919. – [3] J.J. Rein, Japan, 2. Bd., Leipzig 1886, S. 492. – [4] D.R.P. Nr. 173601. – [5] D.R.P. Nr. 79272. – [6] D.R.P. Nr. 193049. – [7] Amerik. Patent Nr. 43874 v. J. 1864. – [8] D.R.P. Nr. 93324 v. J. 1895. – [9] D.R.P. Nr. 216205, 224420, 235828, 238939. – [10] D.R.P. Nr. 287014. – [11] D.R.P. Nr. 283587. – [12] Bericht d. Ver. der Zellstoff- und Papierchemiker über die Hauptversammlung am 4. Dez. 1917, Berlin 1918, S. 24. – [13] Wochenblatt für Papierfabrikation 1917, S. 2159. – [14] Mitteilungen des Deutschen Forschungsinstituts für Textilindustrie in Reutlingen, 1. Ausg. – [15] Hoffmanns Papierztg. 1918, S. 489.

Ernst Müller.

Garnprüfung. Da anzunehmen ist, daß die Papiergarne auch in der Friedenswirtschaft weiter eine gewisse Rolle spielen werden, erscheint es nötig, das Wichtigste über die Prüfung dieser Garne mitzuteilen.

Art des Zellstoffes. In manchen Fällen ist die Beantwortung der Frage von Wichtigkeit, ob das zur Herstellung des Garnes verwendete Papier aus Natron- oder Sulfitzellstoff bezw. einer Mischung beider besteht. Aufschluß hierüber kann nur die mikroskopische Untersuchung ergeben. Natron- und Sulfitzellstoff unterscheiden sich u.a. dadurch, daß bei der ersteren Aufschließungsart der in den Markstrahlzellen vorhandene, durch gewisse Farbstoffe (z.B. Sudan III) anfärbbare, harzige Inhalt herausgelöst ist, während er bei dem Sulfitverfahren in den Zellen verbleibt. Bei Färbung des Präparates mit z.B. Sudan III deuten demnach Zellen[496] mit rotgefärbtem Inhalt auf Sulfit-, solche ohne gefärbten Inhalt auf Natronzellstoff. Wendet man an Stelle von Sudan die in der Papierprüfung (s. Bd. 7, S. 7) bekannte Chlorzinkjodlösung an, so färbt sich der Inhalt der im übrigen bläulich gefärbten Markstrahlzellen bei Sulfitzellstoff gelb, während die Natronzellstoffzellen zwar ebenfalls blau gefärbt werden, aber keinen anders gefärbten Inhalt aufweisen. Bei Benutzung von Chlorzinkjodlösung können die beiden Zellstoffarten ferner noch dadurch unterschieden werden, daß die Fasern des Sulfitzellstoffs deutlich eine netzförmige Aederung zeigen, die bei Natronzellstoff nicht oder doch nur andeutungsweise auftritt. Endlich kann zur Unterscheidung zwischen beiden Zellstoffarten noch der Umstand dienen, daß Kiefernholz fast stets nach dem Natronverfahren aufgeschlossen wird; findet man also Fasern mit den für Kiefer charakteristischen anatomischen Merkmalen, so kann man mit ziemlicher Sicherheit auf Vorhandensein von Natronzellstoff schließen. Schätzungen der Anteile an Natron- und Sulfitzellstoff in Mischungen können indes auf Grund der vorher genannten Unterscheidungsmerkmale nur bei sehr großer Uebung vorgenommen und selbst dann kann ihr Ergebnis nur als roher Annäherungswert angesehen werden [1], [2]. – Die Drehung wird mittels desselben Apparates bestimmt, der auch bei den Garnen anderer Art für diese Prüfung benutzt wird. Das Aufdrehen hat so lange zu erfolgen, bis der Papierstreifen ungedreht zwischen den Klemmen liegt; gefaltete Streifen sind auseinanderzuklappen. Soll gleichzeitig auch die Eindrehung, d.i. die Verkürzung, die der Streifen bei Ueberführung in Garnform durch den Drall erleidet, festgestellt werden, so sind auch die vorhandenen Fältchen möglichst glatt zu streichen. Der Drehungsgrad kann bei Papiergarnen nicht so einheitlich gehandhabt werden wie bei den eigentlichen Textilgarnen, da bei ersteren hierbei eine größere Zahl von Faktoren eine Rolle spielen. Drückt man die Beziehung zwischen der Zahl der Drehungen auf 10 cm (t) und der metrischen Garnnummer (Nm) in gleicher Weise aus wie bei den anderen Garnen durch den Ansatz t = αNm, so hat α (Koeffizient für den Drehungsgrad) im allgemeinen bei Papiergarnen, die nicht besonders gegen Nässe widerstandsfähig sein, sondern möglichst gute Festigkeit in trockenem Zustande besitzen sollen, etwa den Wert 18, während α für Garne, die nässebeständig sein bezw. gewaschen werden sollen, gewöhnlich höher, etwa 20–21 gewählt wird [3], [4], [5], [6]. Die Feinheit der Papiergarne wird in gleicher Weise ermittelt wie bei den anderen Garnen (s. Bd. 4, S. 262). Gerechnet wird nach der metrischen Garnnummer, die angibt, wieviel Meter auf das Gewicht von 1 g gehen; die Nummer wird gewöhnlich auf zwei Dezimalen angegeben; der häufig auch angewendete Ausdruck »Lauflänge« ist nichts anderes als die metrische Nummer. Bei der Ermittlung des Garngewichts ist, weil bei der Herstellung der Papiergarne mit starker Anfeuchtung des Materials (50% und mehr) gearbeitet werden muß, auf den Feuchtigkeitsgehalt der Probe besonders Rücksicht zu nehmen, weshalb die Garnnummerbestimmung meist mit einer Konditionierung (s. folgenden Absatz) verbunden wird.

Feuchtigkeitsgehalt. Ueber die Konditionierung der Papiergarne, die übrigens nach denselben Grundsätzen und mit den gleichen Mitteln erfolgt, wie in Bd. 4, S. 264 angegeben, hat der Verband deutscher Papiergarnwebereien bezüglich der Art der Probenentnahme u.s.w. besondere Vorschriften herausgegeben. Als handelsüblichen, d.h. der Gewichts- bezw. Preisberechnung und der Nummerbestimmung zugrunde zu legenden Feuchtigkeitssatz hat man sich auf einen Zuschlag von 15% zum absoluten Trockengewicht geeinigt. Da häufig noch Feuchtigkeitszuschlag und Feuchtigkeitsgehalt verwechselt werden, sei hier der Unterschied zwischen beiden nochmals erläutert. Die handelsüblichen Feuchtigkeitssätze stellen stets den Zuschlag zum absoluten Trockengewicht und daher Prozente des letzteren dar, während unter Feuchtigkeitsgehalt der Gehalt an Feuchtigkeit bezogen auf das Feuchtgewicht, d.i. absolutes Trockengewicht + Feuchtigkeit, zu verstehen ist. Der Feuchtigkeitsgehalt ist demgemäß stets eine kleinere Zahl, als die gleiche Feuchtigkeit ausgedrückt als Zuschlag. So beträgt z.B. die Feuchtigkeit eines Materials, die gerade dem handelsüblichen Zuschlag von 15% zum Trockengewicht entspricht, als Gehalt ausgedrückt, nur 13,0%. »Gehalt« (x) und »Zuschlag« (y) können auseinander berechnet werden nach folgenden Ansätzen: x = 100y/(100 + y), y = 100x/(100 – x). Bemerkt sei noch, daß bei allen Bestimmungen des Handelsgewichtes, der Garnnummer u.s.w. immer nur die als Zuschlag ausgedrückte Feuchtigkeit gebraucht wird, die Kenntnis des »Gehaltes« also nicht erforderlich ist.

Festigkeit. Für deren Ermittlung gelten die für alle Garnprüfungen zutreffenden, in Bd. 4, S. 263, angedeuteten Grundsätze. An Stelle des dort abgebildeten, für Handantrieb eingerichteten Garnprüfers benutzt man schon lange zweckmäßiger Apparate gleicher Art, jedoch mit elektrischem oder Transmissionsantrieb oder Antrieb durch Druckwasser (2–3 Atm.). Im Gegensatz zu dem Verhalten der Fasergarne wird beim Papiergarn – wenigstens im lufttrockenen Zustande – durch die Drallgebung die Festigkeit des Gebildes gegenüber der vorhergehenden Herstellungsstufe (d.i. hier der Papierstreifen) nicht erhöht, sondern vielmehr vermindert und zwar je nach den Umständen um 20–40%, während dagegen die Dehnung naturgemäß beim Garn größer ist als beim Papier und zwar wächst sie im allgemeinen mit zunehmender Drehung. Dieses Verhältnis zwischen Garnfestigkeit und Papierfestigkeit (»Ausnutzungszahl«) ist außer von der Verarbeitung des Materials auch in hohem Maße abhängig von der Art des Spinnpapieres selbst, da sich nicht jedes Papier für Spinnzwecke eignet. Nach den bisherigen Erfahrungen eignen sich Reinnatronpapiere im allgemeinen besser zur Garnherstellung als Sulfit- oder gemischte Papiere; erstere ergeben deshalb unter gleichen Verhältnissen meist auch günstigere Ausnutzungszahlen (etwa 0,8 gegen 0,7 bei Sulfitpapier). Als Festigkeit von guten Papiergarnen in lufttrockenem Zustande kann man, ausgedrückt in Reißlänge (s. Bd. 4, S. 264 bei »Festigkeit«), z. Zt. etwa 5000–7000 m rechnen. Cellulongarne, das sind Garne, die nicht aus dem fertigen Papier, sondern aus bereits auf der Papiermaschine aus dem Faserbrei gebildeten und im unmittelbaren [497] Anschluß daran gedrehten Streifen hergestellt sind, erreichen wesentlich höhere Reißlängen (10000–11000 m). Neben der Fertigkeit des lufttrockenen Garnes ist bei Papiergarn häufig auch die Kenntnis der Fertigkeit des nassen Garnes wichtig, weil hiervon die Eignung desselben für gewisse Verwendungszwecke abhängt. Die Naßfestigkeit wird in der Weise ermittelt, daß man das Garn etwa 24 Stunden in Wasser von Zimmerwärme legt und unmittelbar nach dem Herausnehmen prüft. Beim Wässern ist das Garn derart festzulegen, daß es dem Bestreben, sich aufzudrehen, nicht nachgeben kann. Die Naßfestigkeit nichtimprägnierter Garne ist geringer als die Trockenfestigkeit; die Einbuße beträgt bei ungeeigneter Herstellung 50–60%, durch entsprechende Wahl der beeinflussenden Faktoren kann sie jedoch auf 25–30% herabgedrückt werden. Durch Imprägnierung dürfte es in Zukunft möglich sein, den Rückgang noch weiter zu verringern. Die Dehnung des nassen Garnes ist stets erheblich größer als die des trockenen Garnes [4]–[6].


Literatur: [1] Paul Klemm, Unterscheidung von Natron- und Sulfitzellstoff, Wochenbl. s.d. Papierfabrikation Nr. 49/1917. – [2] A. Herzog, Unterscheidung von Natron- und Sulfitzellstoff, Mitt. der Forschungsstelle Sorau des Verbandes deutscher Leinenindustrieller, Nr. 3/1919. – [3] Johannsen, Bericht der Studienkommission für Spinnpapier des Papiermacher-Kriegsausschusses, Berlin 1918. – [4] Mitt. des Deutschen Forschungsinstituts s. Textilind., Reutlingen 1918. – [5] Dietz, Die Eindrehung bei Papiergarn und ihr Einfluß auf die Reißlänge, Leipzig, Monatsschr. f. Textilind., Nr. 5/1918. – [6] Heinke & Rasser, Handb. d. Papier-Textilind., 3. Aufl., Dresden 1919.

G. Herzog.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 494-498.
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