[16] Asyle für Obdachlose, Bauanlagen, die mittellosen Personen, wie zugereisten Arbeitern und Dienstboten, zeitweilig beschäftigungs- oder unterkunftslosen Personen vorübergehenden Aufenthalt bieten sollen. Sie sind in den großen Städten von erheblicher Wichtigkeit. Die früher vielfach von Privaten zum Erwerb eingerichteten ähnlichen kleinern Anstalten (Schlafhäuser, Armenherbergen etc.) führten trotz polizeilicher Überwachung in sittlicher sowohl als gesundheitlicher Beziehung zu vielen Mißständen, und die Errichtung und Unterhaltung der A. ist deshalb mehr und mehr an die Behörden, insbes. die Stadtverwaltungen, übergegangen. Die Aufnahme erfolgt bei den eigentlichen Asylen in der Regel nur für die Nacht; auch wird der Einzelne nur einige wenige Nächte hintereinander aufgenommen. Die Geschlechter werden streng gesondert; ebenso die Jugend von den Erwachsenen. Außer der Schlafstelle erhält jede Person die Gelegenheit, sich durch Waschen und Baden zu reinigen, vielfach wird auch eine einfache Abendmahlzeit verabfolgt; für polizeiliche Kontrolle und ärztliche Untersuchung wird gesorgt, und die mitgebrachte Kleidung wird desinfiziert. Die Aufnahme erfolgt entweder unentgeltlich oder gegen geringfügige Bezahlung oder, wie namentlich in England, um dem Andrang der Arbeitsscheuen vorzubeugen, gegen eine bestimmte Arbeitsleistung (für Männer meist Steineklopfen, für Frauen Lesen von Hülsenfrüchten, Reinigungsarbeit etc.). Mit zu den größten und besteingerichteten Asylen gehören die der Stadt Berlin. Hier wurden im nächtlichen Obdach 1898: 311,508; 1899: 371,651; 1900: 416,957; 1901: 562,858 Personen beherbergt; im Familienobdach betrug die Zahl der Verpflegungstage 1898: 75,654; 1899: 114,132; 1900: 216,137 In baulicher Beziehung unterscheidet man zwei Systeme, je nachdem die Beherbergung in größern gemeinschaftlichen Räumen oder in Einzelzellen erfolgt. Auch kommen beide Systeme gemischt vor. In dem 1887 erbauten städtischen Obdach in Berlin (Fig. 1) ist der Hauptsache nach das System der gemeinsamen Unterbringung durchgeführt. In einem mehrgeschossigen Vorderhaus ist in dem Keller- und Erdgeschoß die Verwaltung (Wohnungen für Pförtner, Inspektor, Hausvater, Aufseher, Wirtschafterin, Koch- und Waschküche nebst Zubehör, Arzt, Krankenstation, Vorratsräume etc.) untergebracht, während[16] drei Obergeschosse zur Aufnahme obdachloser Familien dienen. Den Rest des Grundstücks bedeckt ein ausgedehnter Shedbau zur Unterbringung von 1200 einzelnen nächtlich Obdachlosen in 19 Schlafsälen (a, Fig. 1), die mit Pritschen und Wascheinrichtungen ausgestattet sind. Seitlich der Schlafräume, durch Gänge
(d) von ihnen getrennt, liegen Aborte (b), Wärterzimmer (e) und darüber Vorratsräume; in einem Vorbau befinden sich die Badeeinrichtungen sowie die Räume für die Aufnahme, die Polizei etc. Ein Beispiel für das Einzelsystem bildet das Asyl der St. Olave's Union in London (Fig. 2). Der Bau ist zweigeschossig, das Erdgeschoß bietet 40 Männern, das Obergeschoß 16 Frauen und Kindern Unterkunft. In einem Kopfbau liegen die wenigen Verwaltungsräume und die Bäder. Die Männerzellen sind mit Nebenzellen verbunden, in denen die Obdachlosen als Entgelt für die Aufnahme eine bestimmte Menge Steine zerkleinern müssen; erst wenn sie diese Arbeit geleistet haben, dürfen sie die Zelle verlassen. In weiterm Sinne gehören zu den Asylen auch die Wärmstuben (s. d.). Vgl. Snell, Charitable and parochial establishments (Lond. 1881), Behnke im »Handbuch der Architektur«, 4. Teil, 5. Halbband (2. Aufl., Darmst. 1902); Klasen, Grundrißvorbilder, Teil 8 (Leipz. 1886).
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