[876] Billard (franz., von bille, »Kugel, Ball«), eine auf vier (sechs) starken Füßen ruhende, völlig wagerecht liegende Tafel, gewöhnlich von der Form eines doppelt so langen als breiten Rechtecks, oben von einem elastischen Rand, der Bande, eingefaßt und auf der ganzen Oberfläche mit grünem Tuche straff überzogen.
Die Elastizität der Bande wird durch Gummi, neuestens auch durch Sprungfedern hergestellt, früher geschah es durch Flanellpolster. Zum Billardspiel bedient man sich elfenbeinerner Bälle (Hartgummi- und Papierbälle haben sich nicht bewährt), die mittels der Queues auseinander gestoßen und dadurch im Sinne des Spielers gelenkt (»gemacht«) werden. Man sagt dafür auch: »die Bälle gehen«. Die Queues sind etwa 130145 cm lange Stöcke, meist von Eschen- oder Weißbuchenholz, die sich von unten nach oben verjüngen und als Spitze entweder einen (abschraubbaren) Elfenbeinaufsatz (Virole) nebst
Lederplättchen oder nur das letztere tragen. Das Lederplättchen bestreicht man mit Kreide, damit es nicht leicht vom Ball abgleite (kein Kicks geschehe). Alles Billardspiel beruht auf folgenden Grundgesetzen: 1) Trifft ein zentral, d. h. mitten auf der Halbkugelfläche abgestoßener Ball voll auf einen andern gleichgroßen, so überträgt er seine Bewegung auf diesen; trifft er aber den andern seitlich, so bewegt sich dieser in der Richtung der durch die Mittelpunkte beider Bälle gezogenen geraden Linien weiter, während jener derart abgelenkt wird, als wäre er auf eine durch den Berührungspunkt der Bälle gelegte Ebene getroffen. Man sagt dann: der (bespielte) Ball ist geschnitten worden. 2) Trifft ein zentral abgestoßener Ball, gleichviel ob unmittelbar oder nachdem er schon einen andern Ball geschnitten, auf einen unbeweglichen, ebenen, elastischen Körper, wie die Bande, so prallt erunter demselben Winkel
ab, unter dem er anprallte. Dem bespielten Ball kann man nur auf Grund dieser Gesetze die Richtung anweisen; den Spielball zu lenken hat man aber weitere Mittel, was besonders wichtig für die vornehmste Billardpartie, die Karambolage (s. unten), ist. Solche Mittel sind: 1) der Seiten- oder Schiefstoß (Esset- und Contreeffetstoß), durch welchen dem Ball eine eigentümliche Rotation um seine senkrechte Achse verliehen wird. Die Wirkung hiervon veranschaulichen unsre Skizzen. Fig. 1 zeigt einen Ball, der in den Richtungen R und r je dreimal direkt auf, die Bande gespielt wird; in beiden Fällen wird zuerst zentral gestoßen (Q 1), zweitens »Esset gegeben« (Q 2), drittens »Kontereffet gegeben« (Q 3). Nach den zentralen Stößen prallt der Ball in Linie 1 ab, der Anschlagswinkel a ist dabei gleich dem Abschlagswinkel b (beide durch Bogen angezeichnet). Die Effetstöße lassen den Ball in Linie 2 abgehen, sie verkleinern den Abschlagswinkel und erscheinen im Vergleich zur Wirkung des zentralen Stoßes verstärkend. Die Kontereffetstöße ergeben die Abschlagslinie 3, vergrößern den Abschlagswinkel, erscheinen abschwächend. Ein extremer Kontereffetstoß kann sogar die durch den zentralen Stoß bedingte Abschlagsrichtung in ihr Gegenteil verkehren und den Abschlagswinkel zu einem stumpfen machen (in der Skizze punktiert). Spielt man den Ball lotrecht auf die Bande, so kehrt er bei zentralem Stoß auf demselben Wege zurück, auf dem er hingerollt, der Anschlagswinkel erreicht sein Maximum, 90 Grad, der Unterschied zwischen Esset u. Kontereffet verschwindet. In Fig. 2 lassen wir den Spielball, ehe er die Bande berührt, erst einen andern Ball schneiden; der Schnitt erfolgt bei allen drei Stößen an gleicher Stelle (s). Nun wird auch der Anschlagswinkel durch Esset verkleinert, durch Kontereffet vergrößert, aber nicht so stark wieder Abschlagswinkel, weil der (bespielte) Ball minder elastisch ist als die Bande.
2) Der Tiefstoß in verschiedenen Graden entweder allein oder in Verbindung mit Schiefstoß und vollerm oder dünnerm Schnitt ermöglicht es, den Spielball in allen Radien eines Halbkreises seitwärts und rückwärts vom freistehenden bespielten Ball abprallen zu lassen. Die schärfsten Formen des Tiefstoßes, in denen der Spielball vermöge der ihm gegebenen Eigendrehung nach hinten ganz oder fast auf gleichem Wege zurückrollt, wie er vorgeglitten war, heißen Rückschnäpper oder Rückzieher, die mildern Formen, wo der Ball mehr seitwärts geht, Zieher schlechthin. Die mildeste Form ist der Klappstoß, nach dem der Spielball auf dem Standorte des bespielten verharrt. Alle Tiefstöße werden kurz, unter schnellem Rückziehen[876] des Queues ausgeführt, der Rückschnäpper besonders energisch, indem man das dicke Ende des Queues etwas höher hebt als sonst. 3) Der Hochstoß gibt dem Spielball ein Übergewicht nach vorn und läßt ihn mit besonderer Ausdauer nach vorwärts rollen. Dieser Stoß wird vornehmlich benutzt, um mit dem eignen hinter dem bespielten Balle herzulaufen (einen »Nachläufer« zu machen). 4) Der Kopfstoß (Masséstoß, Walker), mit senkrecht gehaltenem Queue von obenher und stets seitlich geführt, läßt den Spielball einen Vogen beschreiben. Man wendet diesen künstlichen Stoß vorzugsweise an, wenn der Spielball sehr dicht an einem andern steht. 5) Der Quetscher. Steht ein Ball fest an die Bande gelehnt (»presse-collé«, »preß«), so kann man den eignen je nach Art des Stoßes in mannigfaltigster Weise von jenem abprallen lassen, ähnlich wie von der Bande.
Es gibt zwei Hauptarten des Billards: 1) Das kleinere, löcherlose (französische oder Karambolage-) B., das gegenwärtig fast allein vorherrschend geworden. Dieses B. hat gewöhnlich eine Spieltafel von 200230 cm Länge, 100115 cm Breite. Die drei Bälle haben je 5,96,4 cm Durchmesser; einer davon ist rot gefärbt, und von den beiden weißen (den Spielbällen) trägt einer zur Unterscheidung einen schwarzen Punkt. Einen oder gar zwei farbige Ringe statt des Punktes sollte man nicht wählen, weil solche Zeichnung das Visieren auf den Ball stört. Man hat versucht, dem löcherlosen B. kreisrunde, achteckige und sechseckige Form zu geben, doch nur letztgenannte fand hier und da einigen Beifall. In der Hauptsache spielt man auf dem löcherlosen B. nur zwei Partien:
a) die Karambolage, wobei das stete Ziel des Spielers dahin geht, mit dem eignen Balle die beiden andern Bälle, den des Gegners und den roten, zu treffen (zu karambolieren), aber möglichst so, daß im nächsten Stoße leicht ein Gleiches geschehen kann. Denn solange man Bälle (»Karambolagen«) macht, spielt man weiter; hat man gefehlt (den Ball »ausgelassen«), so kommt der Gegner an die Reihe. In der gewöhnlichen Partie, die am besten unter zweien gespielt wird (doch sind auch Verbindungen wie einer gegen zwei sich ablösende oder zwei gegen zwei etc. möglich), zählt jede Karambolage einen Point. Wenig Geübte spielen bis 20 oder 30, Geübtere bis 50 oder 100, Professionsspieler oft bis zu vielen tausend Points. Namentlich bei kürzern Partien wird vorgeschrieben, den letzten Ball nicht mittels direkten Schnittes, sondern »indirekt«, auf Dublee, Triplee, Quart etc., zu machen, d. h. der Spielball muß mindestens einmal (Dublee) die Bande berührt haben, ehe er die Karambolage fertig macht. Gleichgültig bleibt es aber, ob man den einen Ball direkt trifft und dann Bande nimmt, oder ob man brikoliert (mit »Vorbande« spielt), d. h. den Spielball gleich an die Bande schickt, um dann erst beide andern Bälle zu treffen. Im Karambolage-Poule zählen drei gemachte Bälle (die kleinste Serie) 5, vier Bälle 7, fünf Bälle 10 Points, jeder weitere Ball 4 Points mehr, also z. B. eine Serie von zehn Bällen 30 Points. An dieser Partie nehmen drei, vier, auch noch mehr Personen teil und zählen jeder von einem Stamme (200 oder 100) abwärts; die Sieger machen schließlich »Gute« und tilgen so den Stammrest der Besiegten. Fehler, die einen Verlust an Points (oder Gewinn für den Gegner) herbeiführen, gibt es in der Karambolage nicht, und die »Füchse« (Bälle, die zufällig, in unbeabsichtigter Weise gehen) müssen gelten, da es gerade hier oft schwer fällt, einen Fuchs als solchen zu erweisen, sowie die Grenze zwischen Fuchs und »reellem Ball« genau festzustellen. Dagegen wird eine gemachte Karambolage nicht berechnet und der Spieler abgesetzt, wenn erbillardiert, einen Ball herausgesprengt oder mit dem falschen Ball gespielt hat. Billardieren (Durchstoßen) heißt das gegen die Absicht oft eintretende Nachschieben mit dem Queue, wenn der Spielball nahe an dem zu treffenden steht und der Spieler einen Nachläufer machen will. Trotz ihrer einfachen Mittel steht die Karambolage an der Spitze der Billardpartien, weil sie allein dem Spielball die Arbeit zuweist und deshalb allein die künstlichern Stöße richtig ausnutzt, mit denen man den eignen Ball lenken kann. Dazu kommt noch, daß der Karambolagespieler, wenn er große Serien machen will, genötigt ist, den Lauf aller drei Bälle einigermaßen vorauszuberechnen, es sich im Geist auszumalen, welche Stellung er beim nächsten Stoße vorfinden werde. Die Professionsspieler (meistens Franzosen, z. B. Mangin, Vigneaux) machten große Serien öfter dadurch, daß sie die Bälle in eine Ecke zusammenspielten, dort lange festhielten und schließlich langsam an der Bande aufwärts schoben. Um übermäßige Ausbeutung dieses Kunstgriffes zu verhüten, teilt man jetzt bei Wettkämpfen die Tafel durch Linien in eine größere Anzahl Rechtecke, und innerhalb eines jeden derselben dürfen nicht mehr als 4 Karambolagen hintereinander gemacht werden.
b) Die Kegelpartie, in der auch geringe Kunstfertigkeit temporäre Erfolge erzielen kann, derzeit eine Lieblingsunterhaltung des deutschen Bürgertums. Hier schickt man den bespielten Ball auf Dublee, Triplee etc., aber nicht auf Schnitt in die Kegel und sucht möglichst viele zu werfen, nebenbei auch zu karambolieren. Die 5 Kegel stehen in Form der Würfelfünf mitten auf dem B. Wirft man mit dem eignen Ball oder auf Schnitt Kegel, so ist dies ein Verläufer. Der ganze Wert des Stoßes zählt in diesem Falle für den Gegner oder wird (beim Poule) dem Stamme des Spielers hinzugeschrieben. Die Berechnung an Points ist hier sehr verschieden; vielfach zählt man den gemeinen Kegel 2, den König (Mittelkegel) zusammen mit andern Kegeln 4, den König allein 10, den »Kranz« (4 um den König) 20, alle fünf 30, die Karambolage 4. In dem so beliebten Kegelpoule gewährt man meist dem Spieler nur einen Stoß in jeder Runde, wodurch der Einfluß des Glückes natürlich bedeutend wächst. Bei allem Kegelspiel auf dem B. sind Masken, d. h. Stellungen, in denen die Kegel den Spielball hindern, einen andern direkt zu treffen, häufig.
2) Das ältere, größere B. (unpassend auch das deutsche genannt), das sechs Löcher hat (in den vier Ecken und in der Mitte der langen Banden) und unter den Löchern sechs Beutel. Auf diesem B. werden mit 219 teilweise gefärbten oder numerierten Bällen sehr verschiedene Partien gespielt. Haupttendenz ist hier, die bespielten Bälle mittels direkten Schnittes, Dublees etc. in die Beutel zu bringen, nicht aber den eignen, denn dann »verläuft man sich«, was für den Gegner zählt. Das Spiel auf dem Lochbillard ist leichter als das Karambolagespiel, weil man die künstlichern Stöße wenig oder gar nicht braucht. Erschwerend wirkt nur bisweilen die Größe des Tisches, die den Spieler hindert, die linke Hand als Lager des Queues (»Bock«) zu benutzen, und ihn zu Pistoletstößen nötigt. Dabei faßt er das Queue wie einen Wurfspieß mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger am dicken Ende.
Die beliebesten Partien des alten Billards sind, bez. waren die Partie blanche, mit 2 Bällen bis 12[877] gespielt und mit »Acquitgeben« (Preisgeben, d. h. der eine Spieler setzt seinen Ball aus und der andre spielt darauf) eröffnet; die Karoline (richtiger Karamboline), mit 5 Bällen (2 Spielbällen, 2 Karambolen und der Karoline) bis 48 gespielt, und die (sehr seine) Besetzpartie. 15 weiße Bälle werden mittels hölzernen Triangels zur Pyramide geschichtet und diese Pyramide vom Spieler mit dem eignen (roten) Ball durch Anspielen auf die Spitze aufgelöst. Dann gilt es, ohne einmal zu fehlen (den Ball »auszulassen«), in jedes Loch 2 Bälle zu machen (zu »besetzen«), womit der kleinste Erfolg erreicht ist. Der größte besteht darin, daß man mit dem Machen des 15. Balles zugleich verläuft (die Tafel räumt). Auslassen setzt sofort ab, und der Gegner beginnt sein Spiel. Das Billardspiel war sicher schon im 16. Jahrh. bekannt, damals aber sehr einfach gestaltet. Die ältesten Billards hatten auf der Mitte des Tisches einen kleinen Bogen (»Pforte«), durch den der Spieler die Kugel mit einem gebogenen Stock nach einem Kegel (dem König) trieb. Der Stock hieß in England balyard, und daraus wollten die Engländer irrtümlich das Wort B. herleiten. Allmählich wurde das Spiel umgebildet und vervollkommt. Um die Mitte des 18. Jahrh. treten zuerst die geraden Stangen (Queues) und die elastischen Banden auf. Seit 1818 übte man das Bekreiden der Queues, und 1827 führte der Franzose Mengaud die Lederspitze am Queue ein, wodurch die Effetstöße ermöglicht wurden. Überhaupt stand Frankreich in der Pflege und Vervollkommnung des Billardspiels stets voran; in Deutschland war das Spiel anfänglich auf die französierenden Kreise des Adels beschränkt und wurde erst nach den Befreiungskriegen in Kaffee- und Gasthäusern allgemein. Vgl. Bogumil, Das Billardbuch. Vollständige Theorie und Praxis des Billardspiels (2. Aufl., Leipz. 1894); Derselbe, Der Meister im Billardspiel (7. Aufl., Braunschw. 1898); Achard, Die Kunst des Billardspiels (8. Aufl., Berl. 1898); v. Kübel, Das Billardspiel (Leipz. 1901); German, Billardstudien (2. Aufl., Freiburg i. Br. 1896).
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