[59] Chinesische Mauer, der an der Nordgrenze von China errichtete Schutzwall, das riesenhafteste Verteidigungswerk der Erde. Sie heißt mongolisch Japan Kerma, d. h. Weiße Wand, chinesisch Wanlitschangtschöng, d. h. Mauer von 10,000 Li, während sie in Wahrheit nur 5000 Li, d. h. 2450 km, lang ist. Man führt sie auf den großen Kaiser Tsinschihwangti (221209 v. Chr.) zurück, doch waren einzelne Teile schon von dessen Vorfahren, den »Markgrafen von Tsin«, gegen die innerasiatischen Nomaden errichtet worden. Nach neuern Forschungen ist sie bis auf wenige Teile später erneuert worden, wahrscheinlich während der Ming-Dynastie (13681641). Sie beginnt im W. von Kansu westlich von Sutschou mit dem »Tor des Yüsteins« (Yümönn) und zieht sich auf der Scheide zwischen Steppe und entwässertem Gebiet entlang in einem weiten Bogen bis zum Meerbusen von Tschili und auf der Grenze von Schönking in nordöstlicher Richtung weiter bis zum Sungarifluß. An manchen Stellen ist sie doppelt, ja dreifach, wie namentlich in der Nähe von Peking. Dort befindet sich in der innern Mauer das berühmte Tor Küjungkwan mit Inschriften von 1345 in Sanskrit, in chinesischer, mongolischer, uigurischer, tibetischer und schutschi-tungusischer Sprache (vgl. Wylie im »Journal of the Royal Asiatic Society«, 1870). Die äußere Mauer besteht größtenteils aus Erdwällen mit Futtermauern, läuft aber als solide Mauer an den steilsten Gebirgswänden und über Abgründe hinweg. Die zweite, innere Reichsmauer ist höher als die äußere; sie hat 11 m Höhe bei 7,5 m Dicke, ist aus Granitplatten zusammengesetzt und mit Zinnen aus Ziegelsteinen gekrönt. Auf den höher gelegenen Punkten ist sie durch viereckige Türme verstärkt (s. Tafel »Chinesische Kultur I«, Fig. 8). Seitdem die Mandschudynastie den chinesischen Thron bestiegen hat (1644), ist die Mauer gegenstandslos geworden und wird mit Ausnahme einiger wichtiger Pässe, die zu Grenzzollzwecken erhalten wurden, dem zunehmenden Verfall überlassen. Vgl. v. Möllendorff, Die große ch. M. (in der »Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft«, Bd. 32, 1878).
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