Fliesen

[695] Fliesen, meist quadratische oder mehreckige, seltener runde Belegplatten für Fußböden und Mauerwerk von Stein (Marmor, Tonschiefer), gebranntem, glasiertem oder nicht glasiertem Ton, von Porzellan oder Glas, einfarbig oder bunt, die zu mehr oder minder einfachen Mustern zusammengestellt und in Mörtel gelegt verwendet werden. Die Sitte, Wände und Fußböden mit Marmorplatten zu bekleiden, tauchte schon in der spätern Kaiserzeit in Rom auf und erhielt sich das ganze Mittelalter hindurch. Die Platten wurden später mit figürlichen und ornamentalen Darstellungen, mit Wappen u. dgl. dekoriert, die anfangs schwarz auf weiß durch Gravierung, dann farbig durch Einlagen bunten Marmors hergestellt wurden. Ein glänzendes Beispiel dieses Plattenbelags findet sich im Dom zu Siena. Seit dem 13. Jahrh. kamen in Europa auch Platten aus gebranntem Ton auf, deren Muster teils ausgemalt, teils in eingepreßtem Relief dargestellt waren. Die Platten wurden auch emailliert und vergoldet. Der Ursprung dieser Tonfliesen ist im Orient zu suchen, namentlich im alten assyrisch-babylonischen Reich, in Persien und Arabien. Hauptfabrikationsorte waren später Brussa in Kleinasien, Ispahan, Damaskus und Kairo. In Europa war diese Plattenbekleidung am meisten verbreitet unter den Mauren in Spanien (s. Azulejos), von wo sie auch nach Holland kam, und in Italien und Frankreich während des Mittelalters und des 16. und 17. Jahrh. (italienische Fliesen s. Tafel »Ornamente III«, Fig. 20; vgl. auch Textfig. 1–3). In Holland wurden Fayencefliesen mit blauer oder brauner Malerei (Plamutzen genannt) hergestellt.

Fig. 1 u. 2. Französische Bodenfliese (13. Jahrh.).
Fig. 1 u. 2. Französische Bodenfliese (13. Jahrh.).
Fig. 3. Bodenplatten aus dem Palazzo Pitti in Florenz (17. Jahrh.).
Fig. 3. Bodenplatten aus dem Palazzo Pitti in Florenz (17. Jahrh.).
Fig. 4. Bodenplatte von Villeroy u. Boch in Mettlach.
Fig. 4. Bodenplatte von Villeroy u. Boch in Mettlach.
Fig. 5. Bodenplatte von Villeroy u. Boch in Mettlach.
Fig. 5. Bodenplatte von Villeroy u. Boch in Mettlach.

Neuerdings ist die Fabrikation von Ton- und Porzellanfliesen wieder sehr in Schwung gekommen, wobei teppichartige ornamentale und figürliche Kompositionen, auch ganze Wandgemälde aus F. zusammengesetzt werden. Hauptfabrikationsorte sind Stoke upon Trent (Minton), Broseley in Shropshire (Maw u. Komp.), Mettlach (Villeroy u. Boch) und Karlsbad[695] (Knoll). Die besten F. sind die Mettlacher, die auf einer nicht ganz homogenen Grundmasse eine starke Schicht farbigen Tons besitzen und zum Teil sehr reiche Muster zeigen (Fig. 4 u. 5). Sie werden unter sehr starkem hydraulischen Druck geformt und dann gebrannt. Die schwedischen F. bestehen aus grobem Marmor, dem sogen. Fliesenstein. Vgl. Amé, Les carrelages émaillés du moyen-âge et de la Renaissance (Par. 1859); Rotellini und Brenci, Raccolta di ornamenti tratti da terre cotte dipinte in Siena nel secolo XV e XVI (Siena 1873); Meurer, Italienische Majolikafliesen aus dem Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrh. (Berl. 1881); Brenci und Lessing, Majolikafliesen aus Siena 1500–1550 (das. 1884); Jacobsthal, Süditalienische Fliesenornamente (das. 1886); Knochenhauer, Niederländische Fliesenornamente (das. 1888); Becking, Fliesenböden nach Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts (Stuttg. 1903); Forrer, Geschichte der europäischen Fliesenkeramik (Straßb. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 695-696.
Lizenz:
Faksimiles:
695 | 696
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Der Weg ins Freie. Roman

Der Weg ins Freie. Roman

Schnitzlers erster Roman galt seinen Zeitgenossen als skandalöse Indiskretion über das Wiener Gesellschaftsleben. Die Geschichte des Baron Georg von Wergenthin und der aus kleinbürgerlichem Milieu stammenden Anna Rosner zeichnet ein differenziertes, beziehungsreich gespiegeltes Bild der Belle Époque. Der Weg ins Freie ist einerseits Georgs zielloser Wunsch nach Freiheit von Verantwortung gegenüber Anna und andererseits die Frage des gesellschaftlichen Aufbruchs in das 20. Jahrhundert.

286 Seiten, 12.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon