[654] Karlsbad, Stadt in Böhmen, 379 m ü. M., an der Tepl unfern ihrer Mündung in die Eger, in einem engen, romantischen, von bewaldeten Bergen umschlossenen Tal, an den Linien Prag-Eger der Buschtěhrader Eisenbahn, Marienbad-K. und K.-Johanngeorgenstadt der Staatsbahnen gelegen, ist einer der berühmtesten Kurorte Europas und Sitz einer Bezirkshauptmannschaft sowie eines Bezirksgerichts.
Die schönste Straße ist die mit Kaufläden besetzte Alte Wiese, am linken Ufer der Tepl, oberhalb in die Puppschen Anlagen (mit dem Denkmal Goethes von Donndorf) auslaufend; ihr gegenüber am rechten Flußufer liegt die Neue Wiese. Schöne Gartenanlagen sind außerdem der Stadtpark und der Stadtgarten mit dem Denkmal Kaiser Karls IV. Die Stadt hat eine katholische, eine evangelische, eine anglikanische[654] und eine russische Kirche sowie eine Synagoge; sie enthält ferner an bemerkenswerten Gebäuden die Mühlbrunnkolonnade, im korinthischen Stil von Zitek 1878 erbaut, die Sprudelkolonnade, einen leichten Eisenbau (1879), das Kurhaus, das Militärbadehaus, das großartige Kaiserbad (1895 eröffnet), das neue Stadttheater, das Postgebäude, die Sparkasse, das Obergymnasium und zählt (1900) 14,637 deutsche Einwohner. Die rege Gewerbtätigkeit erstreckt sich auf Sprudelsteinverarbeitung, Nadlerei, Herstellung von Likör (Karlsbader Bitter), Zuckerwaren (Karlsbader Oblaten) etc. Auch bildet K. einen Mittelpunkt der Porzellanfabrikation; in der Umgebung wird vorzügliche Kaolinerde gewonnen und bestehen 15 Porzellanfabriken. Außerdem wird in K., namentlich während der Saison, lebhafter Handel mit Porzellan- und Glaswaren, Spitzen und Stickereien betrieben. Die Stadt hat ein Elektrizitätswerk, eine Straßenbahn und einen Pferderennplatz.
Die 19 Thermen von K. sind heiße alkalische Glaubersalzquellen und brechen aus einer Spalte im Granit hervor, die sie teilweise mit Sprudelstein ausgefüllt haben. Die älteste und wichtigste Quelle ist der Sprudel, am rechten Ufer der Tepl, mitten in der Stadt. Er hat eine Temperatur von 72,5° und springt stoßweise in Mannsdicke 4 m hoch empor; die Wassermenge, die er liefert, beträgt 25 bis 30 hl in der Minute.
Die andern Quellen, an Temperatur wie an Ergiebigkeit geringer, sind: der Bernhardsbrunnen mit 64°, die Franz-Josephsquelle mit 65°, der Neubrunnen mit 55,4°, die Felsenquelle mit 58° und der Schloßbrunnen auf dem Schloßberg mit 52,4°, der Mühlbrunnen mit 51°, der Theresienbrunnen mit 55°, der Marktbrunnen mit 54°, der Kaiserbrunnen mit 47,5° und die Elisabethquelle mit 40°. Das Wasser schmeckt schwach salzig und säuerlich. Über die Analyse des Sprudels, Mühl-, Markt- und Schloßbrunnens vgl. die Tabelle »Mineralwässer«, II.
Das Wasser der Quellen setzt an der Luft unter Verlust von Kohlensäure kohlensauren Kalk (Sprudelstein) ab, der zu allerlei Gegenständen verarbeitet wird. Die Karlsbader Quellen werden vornehmlich zu Trinkkuren benutzt, die in manchen Fällen durch Bäder (auch Moorbäder) unterstützt werden. Man braucht die Kurmittel bei chronischem Magenkatarrh und Dyspepsie, Magengeschwür, chronischem Darmkatarrh, Hämorrhoiden, Katarrh der Gallenwege, Gallensteinen, Leberhyperämie, Fettsucht, Krampfzufällen im Bereich der Unterleibsorgane, Gicht, Rheumatismus, Diabetes, Skrofulose, Frauenkrankheiten, Harngries. Außer den Thermalquellen sind auch mehrere kalte Mineralquellen in der Umgebung von K. bemerkenswert, als: der Rote Säuerling[655] bei Drahowitz, der Cambridgesäuerling bei der Cambridgesäule links an der Tepl und der Säuerling bei der Dorotheenau (Sauerbrunn, 12,5°) sowie eine 1853 unweit des Einflusses der Tepl in die Eger aufgefundene Eisenquelle von 10°. Die Wässer sämtlich er Quellen werden seit 1843 auch versandt (1903: 2,5 Mill. Flaschen). Man gewinnt aus dem Wasser durch Verdampfung das Karlsbader Salz, das kristallisiert und als Pulver hergestellt wird, ferner werden Pastillen und Seife in den Handel gebracht. Die Zahl der Kurgäste Karlsbads betrug 1903: 54,000. Das Klima von K. ist das von Mitteldeutschland, vorherrschend sind Nord- und Westwinde; erstere bedingen oft plötzlichen Temperaturwechsel, auch sind die Temperaturabfälle am Morgen und Abend erheblich. Die relative Luftfeuchtigkeit hält sich in mittlerer Höhe, Niederschläge sind häufig.
Die anmutige Umgebung von K. (s. das Textkärtchen, S. 655) ist durch schöne Anlagen zugänglich gemacht; schöne Aussichten bieten namentlich der Hirschensprung (498 m), die Franz Joseph-Höhe (510 m), der Dreikreuzberg (554 m), die König Otto-Höhe (599 m), das Ewige Leben (636 m) mit der Stephaniewarte, der Aberg (609 m) mit Aussichtsturm. Zu den besuchtesten Punkten gehören ferner südlich der Posthof, der Kaiserpark und Pirkenhammer (Dorf mit Porzellanfabrik und 1639 Einw.), südwestlich Aich (Dorf mit Schloß, Porzellanfabrik, Bierbrauerei und 1911 Einw.) und die Hans Heiling-Felsen, südöstlich der Markt Engelhaus mit malerischer, auf 713 m hohem Klingsteinfelsen gelegener Burgruine und 953 Einw., östlich Gießhübl-Sauerbrunn (s. d.), nordöstlich Dallwitz (s. d.). Nordwestlich von K. liegen das Dorf Donitz mit Glas-, Porzellan- und Strickwarenfabrik, Sägewerk und 3649 Einw., dann die Stadt Fischern mit Kaolinschlämmerei, Porzellanfabrik, Bierbrauerei und 8234 Einw.
Geschichte. Die älteste Urkunde über K. datiert von 1325. Man kennt von ihr zwar nur den Titel: »König Johanns Privilegium oder Breve testatum und Lehenbrief über den Tiergarten sub anno 1325«; doch stellt es sich hiernach als bloße Sage heraus, daß K. von Karl IV. auf einer Hirschjagd 1347 entdeckt worden sei. Dagegen ließ dieser Kaiser nach vollendeter glücklicher Heilung seiner bei Crécy erhaltenen Wunden 1358 ein festes Schloß bei der Quelle erbauen, und der um dasselbe bald entstehende Ort Namens Vary (Sprudel) erhielt bereits 1370 städtische Rechte. Kaiser Joseph I. erhob K. zur königlichen Freistadt. Schon 1531 hatte Graf Albrecht Schl ik das erste Armenhospital in K. erbaut; 1711 entstand ein Kurhaus auf der Alten Wiese; 1762 ließ Maria Theresia das Bade- und Trinkhaus am Mühlbrunnen ausführen, und 1812 wurde aus einer Schenkung des Grafen Kinsky das Badehaus und Hospital für arme Kurgäste am Spitalbrunnen errichtet. Bis 1520 wurde in K. nur gebadet; um diese Zeit erst ward das Wasser auf Anraten eines Dr. Payer auch zu Trinkkuren verwendet. Ebenso hat dieser Arzt die erste medizinische Abhandlung über K. 1522 drucken lassen. Unter seinen größten Wohltätern nennt K. den schottischen Lord Jakob Ogilvi, Grafen von Findlater, der K. mehr als 20 mal besuchte und jeden Besuch mit Anlegung eines Gebäudes, einer Straße, eines Spazierganges etc. bezeichnete. Goethe hat K. 12mal vesucht (vgl. Hlawacek, »Goethe in K.«, 2. Aufl., Karlsbad 1883). In späterer Zeit gründete dort der Dichter und Erzbischof Ladislaus Pyrker ein Hospital für arme Offiziere. 1819 kam es hier auf einer Ministerkonferenz zu den reaktionären Karlsbader Beschlüssen (s. d.). In den letzten 40 Jahren erhob sich K. zum Weltkurort ersten Ranges. Vgl. Hochstetter, K., seine geognostischen Verhältnisse und seine Quellen (Karlsb. 1856); Hlawacek, K. in geschichtlicher, medizinischer und topographischer Beziehung (14. Aufl., das. 1884); Kraus, Ärztlicher Rat für den Kurgebrauch in K. (9. Aufl., das. 1882); Fleckles, Der Karlsbader Kurgast (3. Aufl., das. 1886); Sorger, Die wichtigsten Punkte der Diätetik während einer Karlsbader Kur (9. Aufl., das. 1884); Jaworski, Wirkungen des Karlsbader Thermalwassers (Leipz. 1885); Stephanides des, K., seine Thermen und übrigen Heilfaktoren (2. Aufl., Karlsb. 1889); Cartellieri, K., die Stadt und ihre Umgebung, der Kurort und seine Heilmittel (das. 1888); Hertzka, K. in Böhmen für Ärzte und Kurgäste (2. Aufl., Wien 1894); Ruff, Die Karlsbader Diät (Karlsb. 1894); Friedenthal, Der Kurort K., topographisch und medizinisch dargestellt (Wien 1895); Schnée, K. als Terrainkurort (das. 1900); Prökl, Geschichte der k. Stadt K., historisch, statistisch und topographisch dargestellt (Karlsb. 1883); Löw, Chronik von K. (das. 1874).
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