[433] Damaskus (arab. esch Scham, auch Dimischk), Hauptstadt der asiatisch-türk. Provinz Syrien, fünftgrößte Stadt des osmanischen Reiches, in entzückender Lage am östlichen Fuß des Antilibanon, 690 m ü. M., in weiter, fruchtbarer Ebene (El Ghuta, mit 134 Dörfern), die von den Orientalen als das schönste der vier irdischen Paradiese gepriesen wird. Der Barada (Chrysorrhoas) durchströmt in mehreren Armen die Stadt, bewässert die stundenweit ausgedehnten Gärten und Felder und verliert sich endlich gegen O. hin in Sümpfen. Die von alten Mauern mit Türmen und Gräben umgebene Stadt hat neun Tore und krumme, staubige, unsaubere Straßen. Die schnurgerade, 1,6 km lange Hauptstraße soll dieselbe sein, die in der Apostelgeschichte (9,11) als die »gerade« erwähnt wird. Im übrigen hat D. trotz seines hohen Alters nur wenig Altertümer aufzuweisen. Unter den zahlreichen Moscheen (angeblich 248) ist die berühmteste die Moschee der Omaijaden oder die Große Moschee, ursprünglich eine Kirche des heil. Johannes, die an der Stelle eines heidnischen Tempels errichtet und später von Welid (705715), dem sechsten Kalifen des Hauses der Omaijaden, in das jetzige, durch seine Pracht und Schönheit ausgezeichnete Wunderwerk arabischer Baukunst umgewandelt wurde. Von den drei Minarets genießt »Mâdinet'-Isâ« besondere Verehrung wegen der Sage, daß am Jüngsten Tage Jesus sich auf dieses Minaret vom Himmel herablassen werde. Das größte Heiligtum der Moschee ist die Kapelle, wo das Haupt Johannis des Täufers ruhen soll, obschon es zur Zeit des byzantinischen Reiches nach Konstantinopel gebracht wurde. An nichtmohammedanischen Gotteshäusern besitzt D. 14 Synagogen, je eine griechische, maronitische, syrische und armenische Kirche, dazu 3 römisch-katholische Klöster. Merkwürdig ist die umfangreiche, 1219 erbaute Zitadelle im NW. der Stadt. Die Basare von D. (über 30 an der Zahl), die originellsten im Morgenland, ziehen sich in unendlichen Verzweigungen bedeckter Passagen um die Moschee der Omaijaden herum. In ihnen findet man Chane, wo sich der Großhandel konzentriert, eine Börse, Bäder, Kaffeehäuser und Brunnen. Im N., W. und S. breiten sich vor den Toren drei große Vorstädte aus; die bedeutendste ist die südliche, der Meidan. Die Zahl der Einwohner beträgt etwa 154,000, bestehend aus 7000 Juden und 10,000 Christen (Armeniern, Griechen etc.), im übrigen aus fanatischen Mohammedanern. Vor dem großen Christengemetzel 1860 zählte man 32,000 Christen. Industriell ist D. berühmt durch Backwaren, Rosenöl, Seidenmanufakturen, Arbeiten in ziseliertem Metall und inkrustiertem Holz. Der schwere Damast wird zwar noch hier verfertigt, jedoch von ähnlichen Fabrikaten in Westeuropa übertroffen. Die Anzahl der Webstühle für seidene Zeuge und gemischte Baumwolle wird auf 8765 angegeben. Ferner werden Gold- und Silberfäden und-Stoffe, Sattelzeug, feine Öle, Parfümerien, Balsame, Teppiche etc. verfertigt. Von Bedeutung sind Gerberei, Seilerei, Stärke- und Albuminfabrikation. Ehe Tamerlan die Waffenschmiede von D. nach Samarkand fortführte,[433] hatten auch seine Säbelklingen Weltruf. Auch die Garküchen von D. (etwa 400) sind nicht zu vergessen. Der Handel der Stadt, der über Beirut (Eisenbahn von 147 km Länge) geht, sinkt unaufhaltsam. Eingeführt werden namentlich Reis, Holz, Eisen, Salz, Zucker, Petroleum, baumwollene und wollene Stoffe, Kram- und Kurzwaren, ausgeführt vor allem Mehl, Aprikosenteig, Wolle, Getreide, Früchte, Süßholz, Schafbutter, Gewebe. Die Eisenbahn beförderte 1899: 90,903 Ton. Waren. Die große Pilgerkarawane für Mekka sammelt sich hier alljährlich im September. Von der projektierten Bahn D.-Mekka ist eine ca. 95 km lange Teilstrecke im Betrieb. D. ist Sitz eines deutschen Konsuls.
Geschichte. In der Geschichte erscheint D. (Dimaschki), die einzige aramäische Staatsgründung größern Stils, zuerst zur Zeit des Königs David, der die Stadt nach einem blutigen Krieg eroberte. Doch machte sie sich unter Rezon schoie von Salomo wieder unabhängig, und die Könige von D. benutzten die Teilung des Reiches, um auf die nördlichen Teile Israels Angriffe zu machen. Besonders Bir-idri (885844; der Benhadad der Bibel) und Hazael bedrängten das Reich Israel wiederholt; Versuche Salmanassars, D. zu bezwingen (854839), schlugen sechsmal fehl. Das Reich von D. umfaßte den ganzen Osten Syriens, ward aber unter Mari' (Benhadad II.) um 806 v. Chr. von den Assyrern vorübergehend und 732 durch Tiglat-Pileser III. dauernd unterworfen. Sowohl unter der assyrischen als später unter der neubabylonischen und persischen Herrschaft blieb D. eine blühende Stadt und Hauptstadt Syriens, der Stapelplatz des arabischen und babylonischen Handels mit Syrien und Palästina. Erst unter den Seleukiden verlor es diese Stellung. Als Antiochos Dionysios 85 im Kriege gegen die Araber fiel, ward deren Anführer Aretas I. von den Damaszenern zur Herrschaft berufen. Seine Nachkommen herrschten seit 64 v. Chr. unter römischer Oberhoheit, bis 105 n. Chr. Trajan D. der römischen Provinz Syria einverleibte. Das Christentum faßte in D. frühzeitig Wurzel, und Paulus wurde hier zum Christentum bekehrt. Seit Hadrian führte die Stadt den Ehrentitel Metropolis; Philippus Arabs machte sie zu einer römischen Kolonie, Diokletian legte daselbst gegen die Sarazenen bedeutende Waffenfabriken, Magazine und Festungswerke an. Später wurde D. der Sitz eines Bischofs und dem oströmischen Reich einverleibt. 635 eroberten es die Araber unter Omar nach zweimonatiger Belagerung. Moâwija, der Stammvater der omaijadischen Kalifen, verlegte seine Residenz hierher, und seine Nachkommen sowie die ersten Abbasiden residierten von 660753 daselbst. Nachdem Manssur I. Bagdad zu seiner Residenz gemacht, wurde D. durch Statthalter verwaltet, von denen mehrere ein eignes Sultanat begründeten. So ward es 877 von dem Tuluniden Ahmed dem Kalifat entrissen, wechselte aber öfters die Dynastie. Um 1100 residierten hier einige Zeit Seldschuken aus Tutusch' Familie, 1148 belagerten die Kreuzfahrer D. ohne Erfolg. 1154 ward es von dem Atabeg Nureddin erobert, nach dessen Tod es 1174 von Saladin, dem Ejjubiden, erobert wurde; doch wurde dessen Urgroßneffe Saladin Yusuf 1260 von dem Mongolen Hulagu, dem Beherrscher von Persien, getötet. Timur schlug 5 Jan. 1401 die Ägypter unter den Mauern von D., legte der Stadt eine Brandschatzung von 1 Mill. Dukaten auf, verheerte sie aber trotzdem noch (25. März 1401). Wegen seiner wichtigen Lage für den Handel des Orients ward D. von neuem aufgebaut. Später waren die Mamelucken als Herrscher Ägyptens auch Herren von D., bis es im Herbst 1516 von Selim I. dem osmanischen Reich einverleibt ward. Seit dieser Zeit war D. als Sitz eines türkischen Statthalters ein wichtiger Bestandteil des Reiches. Am 14. Juni 1832 eroberten es die Ägypter unter Ibrahim Pascha, und 1833 trat es die Pforte nebst Syrien und Palästina an Ägypten ab; aber schon 1840 nötigten die europäischen Großmächte Mehemed Ali, Syrien dem Sultan zurückzugeben. Seitdem ist D. wieder türkisch. 1840 (noch unter ägyptischer Herrschaft) fand hier eine große Judenverfolgung statt, bei welcher der fanatische französische Konsul Graf Ratti-Menton die Hauptrolle spielte, und 9.16. Juli 1860 eine furchtbare Metzelei der Christen durch die fanatisierte mohammedanische Bevölkerung, infolge deren die christliche Bevölkerung aus D. und den benachbarten Orten meist nach Aleppo und in andre sichere Plätze übersiedelte und erst nach genügenden Bürgschaften für ihre Sicherheit zurückkehrte. Im November 1898 wurde D. von dem deutschen Kaiser Wilhelm II. gelegentlich einer Orientfahrt besucht. Vgl. Kremer, Topographie von D. (Wien 1855); Porter, Five years in Damascus (2. Aufl., Lond. 1870); Macintosh, Damascus and its people (das. 1882).