Kartometrie

[699] Kartometrie, Kartenausmessung, die auf Plänen und Karten möglichen Längen-, Winkel-, Flächen- und Volumenmessungen. Hat das auf Plänen dargestellte Terrain geringen Umfang (bis 50 qkm) und großen Maßstab (bis 1: 20,000), so kann die Abweichung des scheinbaren Horizonts (Kartenebene) vom wirklichen Horizont (ideale Erdoberfläche) vernachlässigt werden; bei größerer Ausdehnung (bis 4000 qkm) und rechtwinkligem Koordinatennetz ist die Meridiankonvergenz zu beachten. Auf topographischem Bild mit kleinerm Maßstab und größerer Fläche, nach der üblichen Polyederprojektion dargestellt, kann wegen der Winkel- und Flächentreue noch direkt gemessen werden; auf geographischen Karten, die ganze Länder und Erdteile umfassen, ist die unvermeidliche Verzerrung zu berücksichtigen.

1) Pläne und topographische Karten. a) Längenmessung: Mittels des Zirkels werden die geradlinigen Horizontalentfernungen der Punkte mittelbar am verjüngten Längenmaßstab, die Neigungswinkel des Terrains am Böschungsmaßstab abgelesen. Regelmäßig gekrümmte Kurven werden zweckmäßig durch Zirkelrektifikation, unregelmäßig verlaufende, wie Wasserläufe, Wege, Isohypsen etc., werden mittels besonderer mechanischer Vorrichtungen (Kurvenmesser, Longimeter etc.) ausgemessen. b) Winkelmessung: Die Richtung einer Linie wird entweder durch ein graphisches Verfahren, Abtragen einer bequemen Radienlänge auf den Winkelschenkeln und Längenmessen der Sehne, oder durch Abnahme des Magnetazimuts bei Stollenrichtungen, Schacht- und Durchschlagsangaben und Grubenfeldgrenzen, oder endlich durch Entnahme der Partialkoordinaten zweier Richtungspunkte bestimmt. c) Flächenmessung (s. Flächenbestimmung): Haben die Flächen regelmäßige Gestalt, so findet man deren Inhalt nach einfachen geometrischen Sätzen, ist die Begrenzung unregelmäßig, so kommen die verschiedenen Planimeter, Integratoren und Integraphen, oder die alte Methode des Wägens der ausgeschnittenen Papierstücke, bei sehr kleinen [699] Flächen Glasmikrometer zur Anwendung. d) Volumenmessung: Mit Hilfe von a) und c) werden die Längen-, bez. die Querprofilflächen vertikaler Schnittebenen bei Führung der Tracé von Festungswerken und Eisenbahnlinien, bei Kubizierung von Erdarbeiten des Bergwerkstagebaues sowie die Horizontalflächen der Isohypsen bekannt. Aus je zwei aufeinander folgenden Flächen wird das arithmetische Mittel genommen und mit dem zwischenliegenden Achsenstück, bez. dem Höhenabstand multipliziert.

2) Geographische Karten. Die zur Abbildung gelangten Stücke der Erdoberfläche sind so groß, daß die der Abbildungsmethode anhaftenden Verzerrungen berücksichtigt werden müssen. Nach Tissot sind die Größen der Elementarverzerrung leicht zu erkennen, wenn in der Karte die Systeme der Linien gleicher Werte enthalten sind. a) Längenmessung: Die sphärische Entfernung zweier Punkte, als Stück eines größten Kreises der Erdkugel, wird durch Abgreifen der geographischen Längen und Breiten und Berechnen der sphärischen Linie gefunden. Bei Azimutalprojektion unter Benutzung der stereographischen Abbildung kann der betreffende größte Kreis mittels Zirkel eingetragen und gemessen werden. Unregelmäßige Linien einer Atlaskarte (Grenzen der Länder und Provinzen, Fluß- und Küstenlinien) werden bei genügend großem Maßstabe der Karte durch mechanische Rektifikation (la) gemessen. b) Winkelmessung: Zu geographischen und geophysischen Zwecken auszuführende Messungen der Schnittwinkel der erdmagnetischen Isogonen, Isoklinen und Intensitätskurven mit der sphärischen Verbindungslinie zweier Erdpunkte werden Atlaskarten, die in einer der abwickelbaren Projektionen hergestellt sind, benutzt. Die Mercatorprojektion gestattet eine geradlinige Eintragung der Loxodrome, d. h. derjenigen Kursrichtung eines Schiffes, die alle Erdmeridiane unter einem konstanten Winkel schneidet. Diese läßt sich mittels des Lineals eintragen, wobei der Kurswinkel abgelesen werden kann. c) Flächenmessung: Auf flächentreuen Karten erfolgt die Messung ohne weiteres mit einem Planimeter, was auch bei nicht äquivalenten Projektionen zulässig ist, wenn das zu messende Stück nach geographischer Länge und Breite nicht sehr ausgedehnt ist, da trotz der vorhandenen Flächenverzerrung die Änderung dieser Verzerrung nach den Randlinien hin genügend langsam Platz greift. Eine planimetrische Vergleichung der zu messenden Fläche mit der zugehörigen Netzmasche ergibt die Relativzahl der Messung, mit deren Benutzung auf Mercatorkarten solche Flächenbestimmungen sogar in höhern Breiten zulässig erscheinen. Nicht abwickelbare krumme Flächen werden erst durch Projizierung auf gesetzmäßig liegende Ebenen meßbar. d) Volumenmessung: Bestimmung der Festlandmassen von Gebirgszügen, Ländern und Kontinenten wird nach den in 1 d) entwickelten Gesichtspunkten mit Hilfe von hypsographischen, bez. orometrischen Kurven und zugehörigen Höhenabständen ausgeführt. Eine Kubizierung der Wassermengen von Seen und Meeren kann nur dann korrekt vorgenommen werden, wenn aus einer genügend großen Anzahl von Lotungen das Relief des Bodens erkannt wird, wie dies bei vielen Binnenseen der Fall ist; für die größern Meere und Ozeane sind deshalb nur annähernde Bestimmungen möglich. Die die Lotpunkte enthaltenden Schnittflächen werden durch vertikale parallele Ebenen gebildet.

Die Messungen von 1) und 2) werden noch beeinflußt durch die unvermeidlichen Verzerrungen, die das ungleiche Einschrumpfen des während des Druckes angefeuchteten und nachher trocknenden Papiers hervorruft. Bei genauen Messungen ist dem Maß der Winkelverzerrung wie der Längen- und Flächenverzerrung Rechnung zu tragen. In vielen Fällen genügt die Bestimmung des aus zwei sich rechtwinklig kreuzenden Richtungen ermittelten Schrumpfungskoeffizienten. Vgl. die Lehrbücher der Geodäsie und Kartenprojektionslehre (s. Landkarten); Fiorini, Misure lineari, superficiali ed angolari offerte delle carte geografiche (Flor. 1336).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 699-700.
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