Kriegserklärung

[665] Kriegserklärung, die förmliche Ankündigung der Aufhebung des Friedenszustandes zwischen verschiedenen Staaten vor Beginn eines Krieges. In alten Zeiten erklärte eine kriegführende Macht, wenn sie nicht zu roh oder auf Eroberungs- oder Raubzügen begriffen war, der zu bekriegenden den Krieg, meist unter gewissen symbolischen Gebräuchen. So schickten z. B. die Athener einen Widder ins feindliche Gebiet zum Zeichen, daß dieses Weideplatz werden solle, oder warfen eine Lanze in Feindes Land. Am feierlichsten war die K. bei den Römern durch die Fetialen (s. d.). Bei den Franken wurden ebenfalls Herolde zu dem Feinde geschickt, die diesem den Krieg anzeigten und einen Pfeil in sein Gebiet schossen. Im Mittelalter hieß bei den Deutschen die K. »Absagung« (diffidatio). Bei den Franzosen mußten (für Fehden) 40 Tage zwischen Absage und Angriff verlaufen sein. Später kam die Sitte des Absagens wieder in Verfall, und viele Kriege wurden ohne K. begonnen. In neuerer Zeit folgt dem Abbruch der resultatlos gebliebenen Unterhandlungen und des diplomatischen Verkehrs, also der Abberufung der Gesandten, welch letztere »ihre Pässe erhalten« (s. Abbrechen), in der Regel der Erlaß eines Kriegsmanifestes, um den eignen Untertanen, dem Feind und namentlich auch den neutralen Mächten den Grund des Krieges zu erklären. Doch hat dasselbe zumeist weniger diese Bestimmung, als vielmehr jene, den Beginn des Kriegszustandes (s. d.) genau zu bestimmen, da bei den modernen Verkehrs- und Presseverhältnissen alles übrige schon vorher allgemein bekannt ist. Eine ausdrückliche K. wird mit Recht heute nicht mehr als unbedingt notwendig erachtet, sie wird vielmehr ersetzt durch den Beginn der Feindseligkeiten. So wurden im russisch-japanischen Krieg die Feindseligkeiten seitens Japans durch Überfall der russischen Flotte in Port Arthur eröffnet, bevor noch Rußland eine K. erhalten hatte. Zuweilen pflegt die K. auch in bedingter Form zu geschehen, indem eine letzte Frist (Ultimatum) zur Erfüllung der als unabweisbar hingestellten Forderungen gesetzt wird, nach deren fruchtlosem Ablauf die Feindseligkeiten beginnen würden. Vgl. Sainte-Croix, La déclaration de guerre et ses effets immédiats (Par. 1892); Bruyas, De la déclaration de guerre, sa justification, ses formes extérieures (das. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 665.
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