Migräne

[781] Migräne (franz. migraine, verstümmelt aus dem griech. Hemikranie, »einseitiges Kopfweh«), ein Kopfschmerz, der, verbunden mit erheblicher Störung des Allgemeinbefindens und mit Magenbeschwerden. gewöhnlich nur eine Seite des Kopfes einnimmt, heftiger ist als der gewöhnliche Kopfschmerz und ohne äußere Veranlassung periodisch wiederkehrt. Die M. kommt häufiger beim weiblichen Geschlecht vor, besonders bei blutarmen Personen. Bei an M. leidenden Frauen treten die Anfälle vielfach nur zur Zeit der Menstruation (s. d.) oder unmittelbar vor derselben ein. In den meisten Fällen datiert der Anfang des Leidens aus der spätern Kindheit her. Vielfach läßt sich Vererbung nachweisen. Die Erscheinungen der M. zeigen sich bald plötzlich, bald kündigen sie sich einige Stunden oder Tage vor dem Anfall durch Vorboten an. Letztere äußern sich in Unlust, großer Mattigkeit, Frösteln, Blutandrang zum Kopf, Schwindel, Neigung zum Gähnen, Appetitmangel und pappigem Geschmack im Munde, Brechneigung, Augenflimmern und Ohrensausen. Der Anfall selbst tritt sodann mit häufig unerträglichen Schmerzen auf, die einseitig, am häufigsten links, besonders in der Scheitel- oder Schläfengegend, reißend, bohrend oder stechend empfunden werden. Abspannung und Schmerz treiben die Kranken ins Bett, sie sind sehr empfindlich gegen Licht und Geräusch und suchen das dunkelste und entlegenste Zimmer auf. Auf der Höhe des Anfalls tritt häufig Übelkeit und Erbrechen ein; in manchen Fällen besteht während des ganzen Anfalls fast unstillbares Erbrechen. Oft besteht vermehrte Absonderung eines stark sauern Magensaftes. Nach dem Erbrechen pflegt der Anfall nachzulassen; meist gegen Abend stellt sich Schlaf ein, aus dem die meisten Kranken am andern Morgen zwar noch angegriffen, aber frei von Schmerz erwachen. Die Krankheit bedroht niemals das Leben; das Leiden pflegt meist im höhern Alter und bei Frauen in den klimakterischen Jahren zu schwinden. Man hat die M. als eine Krankheit des sympathischen Nervengeflechtes angesehen, die sich in Reizung oder Lähmung desselben äußern kann. Im erstern Fall findet man die befallene Kopfseite blaß, die Pupille weit (angiospastische Form), im zweiten ist die Haut gerötet, die Pupille eng (angioparalytische Form). Ob diese Erscheinungen Ursachen oder nur Folgen der M. sind, ist unentschieden; das Wesen der M. ist noch unbekannt. Der Sitz der auslösenden Ursache ist im Gehirn, manche nehmen hierbei angeborne Entartung, andre Vergiftungen infolge Autointoxikation (s. d.) an. Die Behandlung besteht in Bekämpfung etwaiger allgemeiner Nervosität, in Entfernung aller Schädlichkeiten (Überanstrengung, reizende Diät), im Anfall ist Bettruhe, Gebrauch von Phenacetin, Antipyrin, Kaffein u. a. zu empfehlen. Bei der krampfartigen Verengerung der Gefäße läßt man zuweilen mit gutem Erfolg Amylnitrit einatmen, das eine Lähmung der sympathischen Gefäßnerven bewirkt. Vgl. Möbius, Die M. (Wien 1894).[781]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 781-782.
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