Nahuatl

[398] Nahuatl (Mehrzahl: Naua oder Nauatlaca), bei den alten Bewohnern der Stadt Mexiko und ihren Verwandten diejenigen ihrer Nachbarn, die dieselbe Sprache wie sie oder eine von ihr nur dialektisch abweichende Sprache redeten. Man gebraucht deshalb in neuerer Zeit das Wort N. als allgemeine Benennung für die sonst auch als mexikanische oder aztekische bezeichnete Sprache und ihre Dialekte. Das N. steht in gewisser Beziehung zu den sogen. sonorischen Sprachen, einer Anzahl verwandter Dialekte, die in den nordwestlichen Teilen der heutigen Republik Mexiko gesprochen werden, und seine weitere Verwandtschaften scheinen ziemlich weit nach Norden bis in das Great Basin, die Territorien Utah und Idaho zu reichen. Entsprechend der hohen Kultur, die das Volk, das diese Sprache sprach, erreicht hatte, zeigt das N. eine reiche Ausbildung. Die spanischen Mönche schrieben die Laute des N. mit den Buchstaben des spanischen Alphabets nieder, verfaßten Wörterbücher und Grammatiken und zeichneten im Verein mit gebildeten Eingebornen die alten Traditionen des Landes, die Geschichte, die Sagen, die alten heidnischen Zeremonien und die alten Gesänge auf, so daß zur Zeit von allen eingebornen amerikanischen Sprachen für das N. das beste und reichste sprachliche Material vorliegt. Die alte einheimische Literatur enthalten das Geschichtswerk des Paters Sahagun, die Annalen des Chimalpain (ein Teil von Rémi Siméon publiziert), die Annalen von Quauhtitlan (in den »Anales del Museo Nacional de México« publiziert), der Kodex Aubin (hrsg. von Goupil-Boban) u.a. Eine Anzahl Lieder und Gesänge hat Brinton u. d. T. »Ancient N. poetry« (Philad. 1887), allerdings mit ungenügender Übersetzung, herausgegeben. Die alten religiösen Gesänge sind von Seler in dem 2. Band seiner »Gesammelten Abhandlungen zur amerikanischen Sprach- und Altertumskunde« (Berl. 1904) mit Übersetzung und Kommentar veröffentlicht worden. Von der kirchlichen Literatur sei das »Evangeliarium, Epistolarium et Lectionarium« des Paters Sahagun (hrsg. von Biondelli, Mail. 1858) und der »Camino del Cielo« des Paters Nicolas de Leon (Mexiko 1611) erwähnt. Ein reichhaltiges Lexikon ist das des Paters Molina (Mexiko 1571; von J. Platzmann in Faksimiledruck, Leipz. 1880, neu herausgegeben), die besten Grammatiken sind die des Paters Olmos (1547, von Rémi Siméon in Paris 1875 und korrekter von del Paso y Troncoso im 3. Bande der »Anales del Museo Nacional de México« herausgegeben) und die des Jesuitenpaters Horacio Carochi (Mexiko 1645). Die Sprache wird noch heute in weiten Teilen des Landes gesprochen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 398.
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