Pellăgra

[549] Pellăgra (lat. pellisagra, rauhe Haut, Maïdismus, ital. Mal rosso, lombardischer oder mailändischer Aussatz, auch mailändische Rose), eigentümliche Krankheit in Oberitalien, besonders um Padua herum, in Südtirol, in Südfrankreich und einigen Gegenden Spaniens, in der Moldau und Walachei, befällt meist Landbewohner und zwar Frauen leichter als Männer. Als Ursache wurden von manchen Forschern Pilze angesehen, die Scleroticum Maïdis oder Penicillium glaucum, die auf den Maispflanzen vorkommen und angeblich im Darm schädliche Gärungen hervorrufen. Besser begründet ist die Anschauung, daß die P. eine Intoxikationskrankheit sei und durch verschiedene in verdorbenem Mais vorhandene, aus demselben auch darstellbare Gifte verursacht werde. Die P. ist trotz der reichlichen über dieselbe veröffentlichten Literatur noch nicht hinreichend erforscht, und die Darstellungen darüber enthalten große Verschiedenheiten in Angaben und Deutung. Sie entsteht im Frühling unter Verdauungsstörungen, Fieber und Bildung einer umschriebenen, rosenartigen, meist bräunlichroten Entzündung der Haut an den der Luft und dem Sonnenlicht ausgesetzten Stellen, vorzüglich dem Handrücken, die, nachdem ein Schuppenausschlag entstanden, im Herbst allmählich wieder verschwindet. Im nächsten Frühjahr kehrt sie aber wieder, das Übel wird immer hartnäckiger und die Teilnahme des Gesamtorganismus immer größer, namentlich zeigt sich starke Abzehrung und zahlreiche nervöse Störungen in Gestalt von Lähmungen, Krämpfen, Schwindel, Geistesstörungen. Der Ausschlag färbt sich immer dunkler braun, die Haut bleibt rauh und rissig; vielfach ist sie auf weite Strecken mit Pusteln und Borken von ekelhaftem Aussehen bedeckt. Auch die Schleimhäute werden allmählich in Mitleidenschaft gezogen; die Mundschleimhaut ist gerötet, aufgelockert und schmerzhaft; es stellen sich Magenschmerz, Erbrechen, Durchfall, Sehschwäche oder Doppeltsehen, Krämpfe, Halluzinationen aller Art bis zu Delirien von akutem oder chronischem Charakter (Mania pellagrosa) etc. ein. Zuweilen gehen die Kranken unter allgemeinen Ernährungsstörungen, zuweilen unter Symptomen von Gehirnkrankheiten zugrunde. Nur leichte Fälle sind heilbar. Viele enden durch Selbstmord. Bei der Behandlung wird hauptsächlich Arsen empfohlen. Wichtiger ist die Verhütung; als hierzu geeignete Maßregeln haben sich bewährt die ausschließliche Einführung guter Maissorten, der Anbau andrer Feldfrüchte, die rasche Trocknung, zweckmäßige Aufbewahrung und Verarbeitung des Maises. Für Tirol ist zur Bekämpfung der P. ein Gesetz vom 24. Febr. 1904 erlassen worden, das neben Einrichtung von Maistrockenöfen Sorge für den Verkauf von gesundem Mais, namentlich Maßnahmen für bessere Ernährung der Bevölkerung in Aussicht nimmt. Vgl. Neusser, Die P. in Österreich und Rumänien (Wien 1887); Lombroso, Trattato della P. (Turin 1892; deutsch von Kurella, Berl. 1898); Tuczek, Klinische und anatomische Studien über die P. (Berl. 1893); Babes und Sion, Die P. (Wien 1901); Antonini, La P. (Mail. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 549.
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