Pilsen

[879] Pilsen (tschech. Plzen), Stadt in Böhmen, nächst Prag die größte Stadt des Landes, 320 m ü. M., an der Mies, die hier die Radbusa (mit der Angel) und die Uslawa aufnimmt und von da an Beraun heißt, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Wien-Gmünd-Eger, Prag-P.-Furth im Wald und Dux-P.-Eisenstein, besteht aus der eigentlichen, regelmäßig angelegten Stadt und den von derselben durch Anlagen geschiedenen Vorstädten, hat hübsche Straßen und Plätze, ein Denkmal des Bürgermeisters Martin Kopetzky (gest. 1854), eine frühgotische Erzdechanteikirche (1292) mit 102 m hohem Turm, ein Franziskanerkloster mit gotischer St. Barbarakapelle (Fresken aus dem 15. Jahrh.), eine evang. Kirche und eine Synagoge, ein Rathaus mit dem Bankettsaal, wo 1634 die Generale Wallenstein den Eid der Treue leisteten (»Pilsener Revers«), ein deutsches und ein neues tschechisches Theater u. zählt 1900 (mit Einschluß von 2259 Mann Militär) 68,079 Einw. (größtenteils Tschechen, 9174 Deutsche, der Religion nach meist Katholiken, 3293 Juden). Die Stadt enthält an Fabrikunternehmungen: mehrere Bauschlossereien und Bautischlereien, 3 Maschinenfabriken, 2 Drahtstiftefabriken, 2 Emailgeschirrfabriken, 3 Metallwarenfabriken, eine große Fabrik zur Erzeugung von Gußstahl, Schiffsbestandteilen, Geschützen und Munition (Aktiengesellschaft Skodawerke), eine Glockengießerei, eine Fabrik für englische Ketten, 2 Eisenmöbelfabriken, eine Wagenfabrik, eine Granit- und Marmorschleiferei, 2 Mühlsteinfabriken, eine Zementwaren-, eine Porzellan- und eine Glasfabrik, 2 Ofen- und Tonwarenfabriken, 4 Dampfmühlen und 2 Dampfbrotbäckereien, 2 Kanditenfabriken, eine Kaffeesurrogatfabrik, eine Sodawasserfabrik, 3 große Bierbrauereien (das bürgerliche Bräuhaus der brauberechtigten Bürgerschaft,[879] die Aktienbrauerei und die Genossenschaftsbrauerei, von denen die erste 1903: 751,600 hl des berühmten, einen wichtigen Ausfuhrartikel bildenden Pilsener Bieres erzeugte); ferner eine Malzfabrik, 3 Spiritusraffinerien, 2 Preßhefe- und 9 Likörfabriken, 3 Leder-, 2 Papierfabriken, je eine Maschinenriemen-, Holzrouleaus- und Goldleistenfabrik, 8 Buch- und Steindruckereien. P. ist auch ein wichtiger Handelsplatz, namentlich für Schafwolle, Bettfedern, Leder, Manufakturwaren, Kurz- und Wirkwaren, Pferde und Hornvieh, und hat besuchte Jahrmärkte. Die Umgegend ist reich an Holz, Kaolin, Steinkohlen und Vitriolschiefer. An Unterrichtsanstalten bestehen ein deutsches Obergymnasium der Prämonstratenser, ein tschechisches Obergymnasium, eine deutsche und eine tschechische Oberrealschule, eine deutsche und eine tschechische Staatsgewerbeschule, eine deutsche und eine tschechische Handelsakademie, eine tschechische Lehrerbildungsanstalt, eine tschechische Ackerbauschule und 2 höhere Mädchenschulen.[880]

Wappen von Pilsen.
Wappen von Pilsen.
[879] Außerdem besitzt P. ein Gemeindemuseum mit Waffen-, Antiquitäten- und naturhistorischen Sammlungen, ein kunstgewerbliches Museum, ein Krankenhaus, eine Siechenanstalt, ein Waisenhaus, ein Armeninstitut, eine Strafanstalt (900 Gefangene), ein Franziskanerkloster, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank und mehrere andre Banken, 2 Pfandleihanstalten und eine Sparkasse, ein öffentliches Lagerhaus, ein Gaswerk, elektrische Beleuchtung und Straßenbahn sowie eine Wasserleitung. P. ist Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, eines Kreisgerichts, einer Finanzbezirksdirektion, einer Staatsbahndirektion, eines Revierbergamtes und einer Handels- und Gewerbekammer sowie eines Infanteriedivisionskommandos. Nordwestlich liegt Lochotin mit einer eisenhaltigen Mineralquelle (10°), Badeanstalt, Villen und Park. – 1272 wurde P. zur Stadt erhoben. Im Hussitenkrieg widerstand es erfolgreich vier Belagerungen, insbes. 1434 gegen Prokop, im Dreißigjährigen Kriege wurde es 1618 von Mansfeld belagert und erstürmt; 1633–34 war es Wallensteins Hauptquartier (s. oben).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 879-881.
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