Variationsstatistik der Pflanzen

[1010] Variationsstatistik der Pflanzen, die zahlenmäßige Feststellung der relativen Häufigkeit der einzelnen möglichen Fälle eines nach Zahl oder Maß bestimmbaren veränderlichen Merkmals bei einer größern Anzahl von Pflanzenindividuen derselben Art. Bestimmt man z. B. an einer großen Zahl von Bohnensamen die Länge des Samens in Millimetern, so ergibt sich, daß diese Zahl innerhalb fester Grenzen um einen bestimmten Mittelwert schwankt, den die meisten der gemessenen Samen aufweisen; oberhalb und unterhalb dieses Mittelwertes nimmt die Zahl der Repräsentanten gesetzmäßig ab. Man kann das in Zahlen gefundene Resultat, das die Veränderlichkeit des in Betracht gezogenen Merkmals zum Ausdruck bringt, auch in einer auf rechtwinklige Koordinaten bezogenen Kurve (Variationskurve) graphisch darstellen. Es ergibt sich dabei, daß in den meisten Fällen einfacher Variation eines Merkmals um einen Mittelwert die empirisch bestimmte Kurve annähernd der gewöhnlichen Gaußschen symmetrischen Wahrscheinlichkeitskurve (auch als Normalkurve, Galtonkurve, Quételetsche Kurve bezeichnet) gleicht; indessen kommen auch andre Kurventypen vor. Mehrgipfelige und flachgipfelige Kurven (s. Livikurven) sind häufig ein Anzeichen dafür, daß die der Beobachtung zugrunde liegenden Individuen verschiedenen Nassen angehören. Als Fibonaccikurven bezeichnet man diejenigen mehrgipfeligen Variationskurven, bei denen die Abszissenabstände der Haupt- und Nebengipfel die ganze Variationsweite (auf der Abszisse) fortgesetzt im Verhältnis des Goldenen Schnittes teilen. Man glaubt diese Erscheinung als den Ausdruck eines diskontinuierlichen rhythmischen Wachstums im Pflanzenreich ansehen zü können. Besondere Bedeutung hat die V. in neuerer Zeit für die Vererbungslehre und für die Mutationshypothese zur Erklärung der Entstehung neuer Arten gewonnen. Vgl. Duncker, Die Methode der V. (im »Archiv für Entwickelungsmechanik der Organismen«, Leipz. 1899); Ludwig, Die Variabilität und das Gaußsche Zahlengesetz (in der »Zeitschrift für Mathematik und Physik«, 1898) und Über Variationskurven (im »Botanischen Zentralblatt«, 1898–1901); Davenport, Statistical methods with special reference to biological variations (New York 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 1010.
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