Auerochs

[923] Auerochs (Ur, Urochs, Zubr, Wisent [?], Bos s. Bonasus Bison Smith. s. Urus Nordm.), ist specifisch vom Bison NAmerikas verschieden, hat aber mit ihm die breite Stirn, die kurzen unter der Stirn eingefügten Hörner, den Höcker zwischen den Schultern u. die langzottigen Haare am Kopf, Hals u. Brust gemein; der Hals ist kurz, der Kopf wird abwärts hängend getragen u. der Schwanz hat einen langen Haarbüschel; die schmale Schnauze ist nur an der Mitte u. den Rändern der Oberlippe nackt; die Hörner sind dick, rund, mondförmig nach innen u. an der Spitze nach oben gebogen. Theils aus diesen Kennzeichen, theils weil er 14, nicht 13 Rippenpaare hat, kann er wohl schwerlich der Stammvater unseres gemeinen Rindes gewesen sein. Der A ist das größte Thier Europas u. nächst Elephanten, Rhinozeros u. Flußpferd überhaupt das größte Säugethier; das alte Männchen hat eine Höhe von 6 Fuß am Widerriste u. ohne den 3 Fuß langen Schwanz eine Länge von 10 Fuß; Kopf u. Stirn mancher Stiere ist so breit, daß zwischen den Hörnern 3 Mann von mittlerer Statur sitzen können, wovon König Sigmund eine Probe anstellen ließ. Markgraf Georg Friedrich von Preußen soll 1595 einen A. bei Friedrichsburg geschossen haben, der über 7 Fuß Höhe hatte. Früher war der A. in den größeren Wäldern von ganz Deutschland verbreitet, jetzt kommt er nur noch in einem wüsten Walde Lithauens, zwischen dem Bug u. der Stadt Osla, vom 52' 29' bis 51' der nördl. Br. u. 41°10' bis 42° östl. Länge vor, ein Wald, in dessen Mitte das Dorf Bialowicz liegt, nach dem auch der Wald benannt wird. Außerdem soll er noch in den Wäldern des südlichen asiatischen Rußlands, der Karpathen, des Kaukasus u. der Wüste Kobi vorkommen. Das Winterhaar ist dicht, wollig, filzig u. dunkelbraun, an Schultern u. Hals blässer u. mit weißlichen Haaren vermischt, an den Beinen dunkeler braun; das Sommerhaar ist kürzer, glatt anliegend u. glänzend dunkelbraun, Backenbart u. Schwanz braunschwarz, Nase gelblichweiß; Kälber braunroth, mit schwarzbraunem Backenbarte u. Schwanze. Man schildert den A. als wild u. unbändig u. im Kopf, Hals u. Brust soll er eine furchtbare Stärke besitzen. Die Kuh kalbt nach 9 Monaten im Mai u. säugt ein ganzes Jahr lang. Der A. wächst bis ins 6. Jahr u. kann 40 Jahre alt werden. Die Kühe werden übrigens kaum aller 3 Jahre trächtig, daher sich auch der Wildstand im Bialowiczer Walde, trotz der großen Sorgfalt, mit der sie daselbst die Regierung hegen u. pflegen läßt, nur langsam vermehrt. Der Wildstand besteht aus 6–700 alten Auerstieren u. Auerkühen u. nur etwa 50–60 Kälbern. Freilich werden auch viele von Wölfen zerrissen. Das Fleisch der jüngeren Stiere u. Kühe ist mürbe, schmackhaft u. gesund u. hat einen eigenthümlichen Wildgeruch; geräuchert ist es hart, aber einige Tage in Essig od. Rothwein gelegt, gespickt u. gebraten, soll es ein wahrer Leckerbissen sein. Die Haut ist noch einmal so dick, wie die des gemeinen Rindes, aber so schwammig, daß man sie nur in gedrehten Riemen als Stränge brauchen kann. Der größte Stier wiegt übrigens 12–16 Ctnr., die Kühe (weniger. Sonst geschah der Fang des A. in Deutschland in Gruben, od. die Jugend suchte sie zu erlegen u. brachte dann als Siegeszeichen die stattlichen Hörner mit, die mit silbernem Rande geziert als Trinkgeschirr dienten u. auch von den Römern gesucht wurden. Urweltlicher A.: B. Urus priscus u. colossus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 923.
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