Carmer

[699] Carmer, eine aus der Normandie stammende u. von da nach England ausgewanderte Familie, von welcher ein Glied mit der Prinzessin Elisabeth, Gemahlin des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, nach Deutschland kam u. sich in der Pfalz niederließ; seine Nachkommen traten in preußische Dienste, erwarben Güter in Schlesien u. wurden 1791 in den Freiherrn- u. 1798 in den Grafenstand erhoben; die Familie folgt der Evangelischen Confession u. theilt sich jetzt in 2 Linien. 1) Graf Johann Heinrich Casimir, geb. 1721 in Creuznach, trat 1749 in preußische Staatsdienste u. wurde 1768 zum Justizminister für Schlesien ernannt. Als solcher richtete er sein Augenmerk darauf, den schleppenden Gang des Gerichtswesens zu reformiren u. veraltete Mißbräuche in der juristischen Praxis abzuschaffen. Seine erfolgreiche Wirksamkeit bestimmte Friedrich II. ihn mit dem Entwurf einer Proceßordnung für die ganze Monarchie zu betrauen, welchen C. im August 1774 dem Könige vorlegte. Diesen Entwurf mißbilligte der damalige Großkanzler von Fürst in sehr wesentlichen Punkten, u. C. entschloß sich, sich der Arbeit noch einmal zu unterziehen, welche er nach zwei Jahren vollendete. Abermals widersetzte sich der Großkanzler den Reformvorschlägen C-s, weshalb der König denselben entließ u. C. an seine Stelle erhob. Dieser wurde 1780 durch Cabinetsordre mit der Reform der Justiz betraut u. gab 1781 das Corpus juris Fridericianum, Erstes Buch von der Proceßordnung, 2 Bde., heraus. Die Neuerung[699] gewährte sich jedoch in der Praxis nicht, u. C. unterzog sich einer vollständigen Umarbeitung seines Werkes, welches 1793 als Allgemeine Gerichtsordnung in 3 Theilen erschien. Während dieser Zeit wurden auch die Vorarbeiten zur Zusammenstellung eines allgemeinen preußischen Gesetzbuchs vollendet. Nach mancherlei Schwierigkeiten, die ihm die Feinde der Rechtsreform entgegen stellten, gelang es E., Ende 1793 die Zustimmung des Königs zur Publikation seines Gesetzeswerks zu erlangen, welches als Allgemeines Landrecht am 1. Juni 1794 in Kraft trat. Als der erste Versuch einer umfassenden Rechtsgesetzgebung seit Justinian, war das C-sche Werk von hoher Bedeutung für die Rechtsgeschichte. Der König Friedrich Wilhelm III. erhob den Verfasser 1791 in den Freiherrn- u. 1798 in den Grafenstand. Den Rest seiner Tage verlebte C. in Glogau, wo er am 23. Mai 1801 starb. Biographie (von seinem Sohne) Breslau 1802. Die beiden jetzt blühenden Linien sind: A) Das Haus Panzkau, besitzt die Majoratsgüter Borne (bei Neumarkt) u. Panzkau (bei Striegau); Chef ist: 2) Graf Friedrich, Sohn des 1837 verstorbenen Grafen Karl, ist unvermählt. B) Das Haus Rützen, besitzt die Majoratsherrschaft Rützen im Kreise Guhrau; jetziger Chef: 3) Graf Wilhelm, Sohn des 1841 gestorbenen Grafen Wilhelm, geb. 1798; er ist ebenfalls unvermählt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 699-700.
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