Hippursäure

[401] Hippursäure (Benzoglycinsäure, Harnbenzoësäure, Pferdeharnsäure, = C18H8NO5 . HO = Hi), eine organische Säure, welche zuerst im Pferdeharn gefunden, nachher im Harn anderer Pflanzenfresser u. von Liebig als normaler Bestandtheil im Menschenharn nachgewiesen wurde; in geringen Mengen findet sie sich auch im Blute. Die H. krystallisirt in kleinen Flimmerchen od. in rhombischen Prismen, welche denen des Tripelphosphats sehr ähnlich sind; sie ist geruchlos, schmeckt bitterlich, aber nicht sauer; ist in kochendem Wasser u. Alkohol leicht, in Äther u. kaltem Wasser schwer löslich; d ie Lösungen reagiren stark sauer. Bei schwachem Erhitzen schmilzt die H. zu einer öligen Flüssigkeit, welche beim Erkalten krystallinisch erstarrt; bei stärkerem Erhitzen sublimirt Benzoësäure u. benzoësaures Ammoniak, zugleich bilden sich rothe ölige Tropfen, welche stark nach frischem Heu riechen; beim Glühen entwickelt sich Blausäure. Durch Einwirkung von concentrirten Mineralsäuren od. Alkalien zerfällt sie unter Aufnahme von 2 At. Wasser in Benzoesäure u. Glycocoll; mit Braunstein u. Schwefelsäure erhitzt bildet sich Kohlensäure, Ammoniak u. Benzoësäure; kocht man sie mit Bleisuperoxyd, so entsteht Benzamid, Kohlensäure u. Wasser; löst man H. in Salpetersäure auf u. leitet durch die Lösung Stickoxydgas, so entwickelt sich Stickstoff u. in Lösung bleibt Benzoglycinsäure. Durch Gährung u. Fäulniß zersetzt sich die H. unter Bildung von Benzoësäure, daher man im Harn, wenn derselbe einige Zeit gestanden hat, keine H., sondern Benzoësäure findet. Mit den Alkalien u. alkalischen Erden verbindet sich die H. zu löslichen krystallisirbaren Salzen. Hippursaures Ammoniak, saures = H4NO . Hi. HO + 2HO, krystallisirt in quadratischen Prismen. Hippursaures Äthyloxyd = C4H5O . Hi, bildet lange weiße, seidenglänzende Nadeln, ohne Geruch u. von scharfem Geschmack, in kaltem Wasser schwer, in heißem leichter löslich. Hippursaurer Baryt = BaO . Hi + HO, kleine farblose Prismen. Hippursaures Bleioxyd = PbO . Hi + 2HO, feine weiße glänzende Nadeln, ist bei 100° wasserfrei; aus kalten Lösungen krystallisirt es bei langsamem Verdunsten mit 3 At. Wasser. Hippursaures Eisenoxyd, gelb, unlöslich in Wasser, löslich in Alkohol. Hippursaures Kali = KaO . Hi + 2HO, schiefe rhombische Prismen, bei 100° wasserfrei. Hippursaurer Kalk = CaO . Hi + 3HO. dem Kalisalz ähnlich. Hippursaures Kupferoxyd = CuO . Hi + 3HO, blaue, rhombische Prismen. Hippursaures Silberoxyd = AgO . Hi + HO, käsiger Niederschlag, ist löslich in heißem Wasser u. krystallisirt beim Erkalten in schönen seidenglänzenden Nadeln. Zur Darstellung der H. verwendet man frischen Pferde- od. Kuhharn, derselbe wird bis auf 1/8 seines Volumens eingedampft, mit Salzsäure versetzt u. die ausgeschiedene Säure, welcher noch Farbstoff anhängt, in heißem Wasser gelöst, mit Kalkhydrat gekocht, filtrirt, die Flüssigkeit mit Alaunlösung bis zur sauren Reaction versetzt u. durch kohlensaures Natron die Alaunerde gefällt; aus dem Filtrat wird die H. wieder durch Salzsäure präcipitirt, in siedendem Wasser gelöst, mit Thierkohle gekocht u. heiß filtrirt, beim Erkalten krystallisirt die Säure in farblosen Prismen.[401]

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 8. Altenburg 1859, S. 401-402.
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