Strophe

[937] Strophe (v. gr.), 1) die Wendung; 2) der Tanz des Chors in der Orchestra; 3) in der lyrischen Poesie die Verbindung mehrer Verse zu einem metrischen Ganzen. Ursprünglich waren die Chorgesänge auf dem Theater S-n; sie theilten sich, wie der ganze Chor in zwei Theile getheilt war, in zwei Abtheilungen, von welchen den einen die von der Rechten nach der Linken sich bewegenden Choreuten absangen (S. im eigentlichen Sinne); den andern die von links nach rechts sich Bewegenden in demselben Zeitmaße (Gegenstrophe, Antistrophe), daher S. u. Antistrophe im Rhythmus u. Metrum gleich sein mußten. Beiden schloß sich ein für sich bestehender Theil an (Epodos, Epode, s.d.). War damit das Lied noch nicht beendigt, so begannen die S-n u. Gegenstrophen von Neuem. Diese Benennungen blieben auch in den Liedern, welche nicht von Mehren vorgetragen, sondern von Einzelnen zur Leier od. zur Flöte abgesungen wurden, wie in den Pindarischen Oden, wo man indeß auch statt S. u. Antistrophe die Ausdrücke Ode u. Antode brauchte. Übrigens bestehen auch andere lyrische Gedichte des Alterthums aus S-n, welche aber nicht von Epoden unterbrochen sind, sondern fortlaufen u. wo nicht jede S. mit ihrer Antistrophe neues Metrum hat, sondern wo dem Metrum der ersten S. das der übrigen gleich ist. In ihnen heißen die einzelnen Verse Kola (Strophenglieder), u. nach der Anzahl dieser Kola werden die S-n benannt; Verse gleicher Art, welche ein gleiches Metrum haben, galten zusammen nur als Ein Kolon. Hatte die S. nur zwei verschiedene Kola, so hieß sie Dikolon, z.B. das vierversige Sapphische Metrum (s.d.), hatte sie drei, so hieß sie Trikol on, z.B. das ebenfalls vierversige Alkäische Metrum (s.d.). Auch die deutsche zum Gesang bestimmte Poesie der Minnesänger des Mittelalters bewegt sich in S-n (Gesetzen), u. zwar die Volkspoesie in der sogenannten vierzeiligen Nibelungenstrophe (s.u. Nibelung S. 873), theils in dem sogenannten dreizehnzeiligen Berner Ton (weil mehre Sagen von Dietrich von Bern in derselben gedichtet sind); für die Kunstpoesie gilt der dreitheilige Strophenbau, wo auf zwei gleiche Theile der S-n (Stollen) ein dritter als Abschluß (Abgesang) folgt; die Zahl u. Länge der Zeilen sowie die Ordnung der Reime sind sehr verschieden, so daß in dem Meistergesang, welcher den dreitheiligen Strophenbau beibehielt, die S. bis 100 Reime hatte. In den neueren Literaturen hat man die strophischen Gedichte in antiker Form nachgeahmt, z.B. im Deutschen; zum Theil hat man andere an ihre Stelle gesetzt, wie die provençalischen, italienischen, spanischen S-n, z.B. im Sonett, in den Canzonen etc. Nicht nur in Oden u. Liedern bei immer wiederkehrender Melodie, sondern auch bei größeren Gedichten, welche nicht zum Gesang bestimmt sind, findet man die S. gebraucht. Die Verse lassen sich hierbei sehr mannigfaltig mischen, doch muß die Melodie dem Inhalte angemessen sein; auch muß jede S. in gereimten Gedichten hinsichtlich der Gedanken ein Ganzes für sich ausmachen, was in den antiken nicht nöthig ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 16. Altenburg 1863, S. 937.
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