Verdauung

[456] Verdauung (Digestio), diejenige Verrichtung des lebenden Körpers, durch welche dem Organismus die zu seiner Erhaltung erforderlichen Stoffe als Nahrungsmittel zugeführt u. so vorbereitet werden, daß sie zur Aufnahme ins Blut tauglich werden. Der Proceß der V. zerfällt in verschiedene Vorgänge: Die Vorverdauung, bestehend in Aufnahme der Speisen u. Getränke in die Mundhöhle, woselbst die flüssigen Stoffe mit dem Schleim u. Speichel der Mundhöhle vermischt werden, um dann verschluckt in den Magen zu gelangen. Die festeren Stoffe werden vorher durch Zerkauen mittelst der Zähne zerkleinert, während welchen Vorgangs aus mehren, in der Mundhöhle liegenden Speicheldrüsen der Speichel zur Durchfeuchtung der gekauten Stoffe abgesondert wird. Nach dem Einspeicheln wird der Bissen verschluckt u. gelangt in den Magen. Im Magen (Magenverdauung) beginnt die Speisebreibildung (Chymification) mit Hülfe des Magensaftes, welcher die ihm anvertrauten Stoffe in einen Brei (Speisebrei, Chymus) auflöst. Allmälig (nach 2–6 Stunden) wird dieser Brei durch die Magenbewegungen hinaus in den Darm getrieben, jedoch nicht ohne daß schon von den Saugadern u. Blutgefäßen des Magens flüssige Theile des Breies aufgesogen u. in das Blut geschafft worden sind. Im Dünndarm findet nun die Dünndarmverdauung statt; hier beginnt die Einwirkung des Darmsaftes gemeinschaftlich mit der Galle u. dem Bauchspeichel, welche beide hier sich ergießen. Nachdem so wiederum ein Theil des Speisebreies flüssig gemacht worden, kann die Lösung als Speisesaft (Chylus) von den Saugadern des Dünndarms aufgesogen u. durch die Gekrösdrüsen in das Blut geschafft werden. Bei dem langsamen Fortrücken des Speisebreies wird mehr u. mehr herausgesogen u. gelangt endlich größtentheils Festes u. Untaugliches in den Dickdarm, u. hier beginnt die Dickdarm- od. Nachverdauung, durch welche der Rest des Speisebreies mehr u. mehr die Beschaffenheit des Kothes annimmt. Der Koth soll nur aus den unlöslichen u. nicht nahrhaften Bestandtheilen zusammengesetzt sein; bei unvollkommener V. gehen jedoch auch verdauliche [456] Stoffe unverdaut ab. Die eiweißartigen Substanzen mehrer Nahrungsmittel werden durch den Magen- u. Darmsaft, die fetten durch Galle u. Darmsaft, die stärkehaltigen durch Mund- u. Bauchspeichel, sowie durch den Darmsaft aufgelöst, umgeändert u. verdaut u. dadurch zur Aufsaugung geeignet gemacht. Alle übrigen löslichen Bestandtheile der Speisen werden einfach aufgelöst u. aufgesaugt, ohne vorher eine weitere Veränderung zu erleiden. Nur solche Nahrungsmittel können also einen zur Ernährung des Körpers tauglichen Speisesaft geben, welche alle die Stoffe in sich enthalten, aus denen unser Körper zusammengesetzt ist.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 456-457.
Lizenz:
Faksimiles:
456 | 457
Kategorien: