Anhalt

Anhalt

[84] Anhalt, das Herzogthum, hat seinen Namen von dem uralten, längst in Trümmer verfallenen Bergschlosse Anhalt, welches eine Stunde von Harzgerode an dem Selkefluß lag. Es ist beinahe gänzlich von preuß. Gebiete umgeben und besteht aus zwei größern und drei kleinern Theilen auf beiden Ufern der Elbe und umfaßt 472/3 ! M. mit etwa 137,000 Einw. Die Herzoge von A. stammen von einem Grafen Efico, der um die Mitte des 10. Jahrh. in Ballenstedt hauste und viele Güter an der Elbe und Saale besaß. Sein Urenkel, Albrecht der Bär, erweiterte im 12. Jahrh. die Macht und das Ansehn seines Hauses, und von seinen sieben Söhnen wurde Bernhard der Gründer des anhalt. Stamms. Dieser theilte sich seit 1606 in vier regierende Linien: Anhalt-Dessau, Anhalt-Bernburg, Anhalt-Cöthen und Anhalt-Zerbst, von denen aber 1793 die letztere ausstarb, deren Land dann die andern drei Fürsten theilten. Jeder von ihnen hat völlige Souverainetät in seinem Lande; aber alle drei Häuser stehen in Beziehung auf Erbfolge, landständische Verfassung und das Schuldenwesen des Gesammthauses in einer Vereinigung, und der jedesmalige Senior übt die Oberdirection aus. Die Regierungsform ist in allen drei Herzogthümern rein monarchisch; denn obgleich noch alte Landstände bestehen, so ist doch seit 1698 kein eigentlicher Landtag gehalten worden. Auf der Bundesversammlung hat A. mit Oldenburg und Schwarzburg die 15. Stelle, im Plenum aber jedes der drei Häuser eine eigne Stimme. Zum Bundesheere stellen sie gemeinschaftlich 1223 M. Ein gemeinschaftliches Oberappellationsgericht zugleich für die schwarzburg. Lande hat in Zerbst seinen Sitz.

Das Herzogthum Anhalt-Dessau liegt größtentheils an der Elbe und Mulde, ist etwas über 16 ! M. groß und hat über 57,000 Einw., unter ihnen gegen 1700 Juden. Die Hauptnahrungsquellen desselben sind Ackerbau und Viehzucht; insbesondere sind Getreidebau und Schafzucht in blühendem Zustande; auch besitzt das Land schöne Waldungen; Gewerbe und Handel aber sind von keiner besondern Bedeutung. Die Haupt- und Residenzstadt des Landes ist Dessau, nach ihr ist Zerbst mit 8300 Einw., einem Schlosse, dem gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichte, einem Gymnasium und einer berühmten Töchterschule, welche 1806 vom Herzog Leopold Friedrich Franz gestiftet wurde, die bedeutendste Stadt. Außerdem sind zu erwähnen die Städte Wörlitz, mit einem schönen Schlosse und herrlichem Park; Oranienbaum mit 2000 Einw., einem Schlosse und einer ausgezeichneten Orangerie von mehr als 400 der schönsten Bäume; Gröbzig mit beinahe 1300 Einw., Jeßnitz mit 2300, Raguhn mit 1600 und Sandersleben mit 1700 Einw. Der jetzt regierende Herzog von An halt-Dessau ist Leopold III. (Friedrich) aus der ältesten der drei Linien.

Die Theile des Herzogthums Anhalt-Bernburg liegen zerstreut zwischen dem Harze, der Saale und Elde und haben 151/3 ! M. Flächeninhalt mit 43,300 Einw., unter ihnen etwa 800 Juden. Der obere Theil des Landes ist gebirgig und waldig, doch von freundlichen Thälern durchschnitten; der untere dagegen, an der Saale und auf dem rechten Ufer der Elbe flach und fruchtbar, während hier Getreide im Überfluß Hülsenfrüchte, Flachs u.s.w. erbaut werden und dir Viehzucht mit Erfolg getrieben wird, besteht der Reichthum des Oberlandes in Waldungen und Producten des Bergbaus. Ein vorzügliches Eisenwerk ist beim Mägdesprung Vitriol, Schwefel und Steinkohlen gewonnen. Haupt- und Residenzstadt des Landes ist Bernburg mit 6000 Einw., der Sitz der obersten Landesbehörden; nächst ihr sind die bedeutendsten Orte: das freundlich gelegene Ballenstedt mit 3700 Einw. und einem Schlosse, wo bis zu seinem Tode der Herzog Alexius Friedrich Christian residirte; Coswig an der Elbe mit 2700 Einw. und einem Schlosse; Hoym an der Selke mit 2200 Einw. und einem Schlosse nebst Garten; die Gebirgsstadt Günthersberg mit 800 Einw.; Gernrode am Harz mit 1600 Einw. und einer Gewehrfabrik; Harzgerode mit 2200 Einw. und einem Schlosse, das Dorf Großmühlingen ebenfalls mit einem Schlosse; der sogenannte Stubenberg am Harze mit einem Lustschlosse und herrlichen Anlagen, und endlich das Alexisbad im Selkethale, einer der reichhaltigsten Eisenbrunnen Deutschlands mit romantischen Spaziergängen nach dem Rondel, dem Habichtstein, dem wilden Mägdesprung, der Victorshöhe u.s.w. Der jetzt regierende Herzog von Anhalt-Bernburg ist Alexander Karl.

Das Herzogthum Anhalt-Cöthen liegt in vier ungleichen Theilen auf dem linken und rechten Ufer der Elbe, hat 151/3 ! M. Flächeninhalt und 36,000 Einw. Der Boden ist fruchtbar, der Getreidebau sehr ergiebig und die Schafzucht so gut, daß die Wolle der sächs. Electoralwolle nicht nachsteht. Die Hauptstadt des Landes, wo auch der regierende Herzog Heinrich residirt, ist Cöthen mit 6000 Einw., zwei Schlössern, mehren trefflichen Schulen und reichhaltigen wissenschaftlichen Sammlungen. Außerdem sind zu erwähnen die Städte Güsten mit 1600 Einw., Nienburg mit 1900 Einw. und einem Schlosse, an der Saale, über welche 1824 eine Kettenbrücke erbaut wurde, die aber bei der Einweihung, am 6. Dec. 1825, zerriß, wobei viele Menschen verunglückten; dann Roßlau mit 1400 Einw. und das Dorf Warmsdorf, wo sich ebenfalls herzogliche Schlösser befinden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 84.
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