Brüten

Brüten
Brüten

[337] Brüten heißt bei den Vögeln das instinctartige Bemühen, durch anhaltende Erwärmung der gelegten Eier mittels sorgfältiger Bedeckung durch den eignen Körper die Entwickelung der darin enthaltenen Keime junger Thiere und dadurch die Fortpflanzung ihres Geschlechts zu bewirken.

Auch die meisten Amphibien, Fische, Insekten und Würmer pflanzen sich durch Eier fort, überlassen aber das Ausbrüten derselben der Sonnenwärme; nur die Vögel besorgen dies wichtige Geschäft selbst und bisher weiß man blos vom Kukuk und vom amerikan. Kuhvogel, daß sie ihre Eier in die [337] Nester anderer Vögel legen, die sie mit den ihrigen ausbrüten. Bei sehr vielen Vögeln, wie bei Gänsen, Enten und Hühnern, übernehmen die Weibchen das Brüten allein, bei andern hingegen und besonders solchen, welche, wie Tauben und Lerchen, paarweis zusammenhalten, hilft auch das Männchen, indem es mit dem Weibchen abwechselt oder ihm wenigstens Nahrung zuträgt. Die Dauer der Brütezeit ist bei jedem Vogel verschieden, hängt aber auch von Klima, von Wärme und Kälte der Witterung ab und ist bei großen Vögeln gewöhnlich länger als bei kleinen. Die Schwäne brüten z.B. fünf, Gänse und Enten vier Wochen, das Huhn braucht bei uns 21, der Hänfling 14 Tage, in Afrika aber sollen auch die Hühner nur 14 Tage zubringen. Merkwürdig ist die Ausdauer und Geduld, welche die Vögel beim Brüten beweisen, indem sie oft Nahrung und Alles darüber vergessen, die unbequemste Lage nicht scheuen und nur um den dringendsten Bedürfnissen zu genügen, das Nest verlassen, nachdem sie vorher noch die Eier durch Zudecken mit Moos, Federn oder ähnlichen Dingen vor dem Erkalten während ihrer Abwesenheit zu sichern suchen. Nur selten zeigen zahme Vögel Widerwillen gegen das Brüten und zerbrechen dann zuweilen die ihnen untergelegten Eier, in der Regel nimmt aber ihr Eifer mit der Entwickelung der Jungen in den Eiern zu und sie dulden dann keine Störung. Die Haushenne z.B. widersetzt sich dem größten Hunde, der sie vertreiben will und selbst manche wilde Vögel lassen sich lieber mit Händen greifen, als daß sie Eier und Nest verließen; manche hören jedoch schon zu brüten auf, wenn ihre Eier während ihrer Abwesenheit blos von Menschen berührt wurden. Über die in bebrüteten Eiern vorgehende Veränderung hat man bei den Hühnern durch genaue Beobachtungen bemerkt, daß zu Ende des ersten Tages schon eine Spur davon, am zweiten bereits die Bewegung des noch nicht völlig ausgebildeten Herzens wahrnehmbar ist. Nach fünf Tagen sieht man das kleine gallertartige Hühnchen sich regen, am 14. Tage brechen die Federn aus, am 19. vermag es einen Laut von sich zu geben und am 21. durchbricht es die Schale mittels eines knorpelichen Schnabelaufsatzes, der nachher abfällt, und verläßt die Hülle, in der es zeither von Dotter und Eiweis gelebt hat.

Das Ausbrüten der Eier kann indessen durch jede zweckmäßige Wärme, die man im Durchschnitt zu 32° R. annimmt, auch auf künstliche Weise bewirkt werden, wie z.B. in Ägypten in besonders dazu eingerichteten Öfen, welche Kunst während des 15. Jahrh. auch in Neapel ausgeübt wurde. Diese Ofen sind viereckig von Ziegelsteinen erbaut, bestehen aus zwei niedrigen Stockwerken und sind durch einen Gang in der Mitte in zwei gleiche Hälften getheilt, von denen jede aus einer Reihe übereinanderliegender Doppelkammern besteht. In die untersten führen aus dem Mittelgange und ebenso aus den untern in die obern runde Löcher, durch die ein Mensch bequem kriechen kann, und auf dem Boden der untern Kammern werden, nachdem vorher der Ofen angemessen geheizt worden, auf Matten und Strohlager die Eier zu Tausenden so gelegt, daß sie einander nicht berühren. Nach 8–10 Tagen werden die verdorbenen ausgesucht und entfernt, die andern aber in die obere Kammer gebracht und vollends ausgebrütet. Ägypten soll gegen 400 solcher Öfen besitzen und jeder jährlich 40–50,000 Küchlein ausbrüten, wofür der Besitzer ein Drittheil der Eier erhält. Auch in China werden die Eier, jedoch auf andere Weise, künstlich ausgebrütet, und in England und Frankreich sind neuerdings viele zum Theil gelungene Versuche für diesen Zweck angestellt worden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 337-338.
Lizenz:
Faksimiles:
337 | 338
Kategorien: