Draht

[590] Draht nennt man im Allgemeinen fadenartig ausgedehntes Metall von sehr verschiedener Dicke, deren gewöhnliche Grenzen ungefähr zwischen einem Zoll und 1/500 Zoll liegen, obgleich auch Draht von 1/30000 Zoll Stärke verfertigt wird. Je nach den Metallen, aus denen der in Gewerben und Künsten die vielfältigste Anwendung findende Draht besteht, unterscheidet man Gold-, Silber-, Platin-, Kupfer-, Messing-, Tomback-, Eisen-, Stahl- und Bleidraht; die Form ist für gewöhnlich rund, allein man hat auch ovalen, drei- und viereckigen, halbmond- und sternförmigen und rosenförmigen Draht und nennt die letztern Sorten zusammen gaufrirten und façonnirten oder Façon- und Desseindraht. Von gutem Draht wird die verhältnißmäßig größte Biegsamkeit und Zähigkeit, eine völlig glatte Oberfläche und durchaus sich gleichbleibende Dicke und Gestalt gefodert. Das Metall, welches zu Draht verarbeitet werden soll, was am häufigsten mit dem Eisen geschieht, wird zuerst in mehr und weniger dünne Streifen oder runde Stangen geformt, die dann mittels des Hammers oder der Feile an dem einen Ende so weit zugespitzt werden, daß sie damit durch ein Loch des sogenannten Zieheisens gesteckt und von einer Zange gefaßt werden können, welche vom Wasser oder einer andern Kraft auf einer wagerecht vor dem Zieheisen befindlichen Bahn hin und her bewegt wird. Sie zieht dabei den Metallstab eine gewisse Strecke weit durch die ihn verdünnende Öffnung des Zieheisens, läßt dann los und kehrt zurück, um ihn von Neuem dicht vor dem Zieheisen zu fassen und weiter hindurchzuziehen, woher auch der Name Drahtziehen für die Verfertigung des Drathes kommt. Manche Arten Draht, die einen Überzug von edlem Metall haben, wie z.B. der sogenannte plattirte und versilberte oder vergoldete Kupferdraht, können nicht mit solchen Zangen hergestellt werden. Da nämlich nicht der Draht, sondern schon die dazu bestimmten Stangen z.B. mit Gold überzogen werden, das sich während des Verarbeitens zu Draht mit ausdehnt, so würde das öftere Fassen des entstehenden Drahtes durch die Zange den Metallüberzug bald beschädigen; sie darf ihn daher nur an der Spitze fassen und muß ihn in einem Zuge durch das Zieheisen ziehen, was manchmal auf einer Ziehbahn von 20–30 F. Länge geschieht. Feinerer Draht wird auch ohne Zange von Walzen, Rollen und Scheiben genannt, durch das Zieheisen gezogen, an denen man das Ende desselben befestigt und die, indem sie sich um ihre Achse drehen, den Drath aufwickeln, gröbere Drahtsorten aber bis etwa zu einem Viertelzoll Stärke herab werden auch durch Walzwerke hergestellt. Diese bestehen aus zwei eisernen Walzen, jede mit einer halbrunden, in sich selbst zurückkehrenden Rinne versehen, welche zusammen, da sie genau aufeinander passen und die Walzen sich ebenso genau berühren, zwischen beiden eine runde Öffnung bilden. In diese steckt man, wie in das Zieheisen, die Metallstücke und läßt nun die Walzen nach entgegengesetzter Richtung umdrehen, welche während dieser Bewegung die Stange fassen und zwischen sich hindurchtreiben, dabei aber ihr die Gestalt der Öffnung geben.

Die Herstellung eines Drahts von gewisser Feinheit kann aber nicht durch einmaliges Ziehen bewirkt werden, indem die dadurch mögliche Verlängerung und Verdünnung des Metalls eine Grenze hat. Es muß daher durch mehre stufenweise kleinere Löcher so lange gezogen und weil dies den Draht spröde macht, wiederholt geglüht werden, bis Draht von der gefoderten Feinheit erhalten wird. Die Zieheisen, wie man die durchbohrten Stahlplatten heißt, durch welche der Draht gezogen wird, enthalten daher stets eine oder mehre Reihen fortschreitend kleinerer Löcher. Die größten sind etwa eine Elle lang, 3–6 Zoll breit, einen Zoll dick und enthalten nur Löcher für gröbern Draht; die kleinsten Zieheisen sind aber kaum den vierten Theil so groß und haben oft einige hundert Löcher, welche immer von der Seite, wo der Draht hineingesteckt wird, trichterförmig gestaltet sind. Die Verfertigung und das Bohren solcher Zieheisen erfodert die größte Sorgfalt und da die Öffnungen sich schnell erweitern, so muß man diese entweder wieder enger machen oder ein neues Zieheisen anwenden, um mit Sicherheit stets Draht von einer gewissen Stärke zu bekommen. Neuerdings hat man aber mit Erfolg durchbohrte und dann in Metall gefaßte Edelsteine, z.B. Rubine und Saphire, zum Ziehen des feinsten Gold-und Silberdrahts angewendet und gefunden, daß deren Öffnungen sich weit weniger abnutzen. In den Handel kommt der gewöhnliche Draht zum Theil gleich vom Drahtzuge und durch Ausglühen im Glühofen schwarz und weich, zum Theil wird er mit Säuren gebeizt, mit Kochsalz und Weinstein ausgesotten und blank gemacht und ist dann fest und spröde, weil er nicht geglüht wurde. Die außerordentlich nutzbare Verwendung von Metallen in fadenartiger Gestalt veranlaßte schon in frühester Zeit die Verfertigung von Draht, der aber geschmiedet und nicht gezogen wurde; später bereitete man ihn auf Handziehbänken und erst im 14. Jahrh. kam ein von Wasser getriebener Drahtzug, auch wol Drahtmühle genannt, in Nürnberg in Gang. Eine der wichtigsten neuern Benutzungen des Drahts ist die zu Drahtseilen, wie man aus starkem, zähem Drahte geschmiedete Ketten nennt, deren Dicke von oben nach unten abnimmt, damit die eigne Schwere weniger bedeutend sei, die in dieser Form zuerst in den Harzbergwerken anstatt der sonst üblichen Seile angewendet wurden, und da sie oft 4–5 Jahre dauern, ohne bedeutende Ausbesserungen zu bedürfen, große Ersparnisse mit sich bringen. Ähnliche Drahtseile werden auch zum Bau eiserner Hängebrücken (s. Brücke) gebraucht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 590.
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