Eis

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Eis

[639] Eis wird im Allgemeinen jede gefrorene Flüssigkeit, insbesondere aber gefrorenes Wasser genannt, und da die Erstarrung desselben unter gewöhnlichen Verhältnissen stets bei demselben Stande des Thermometers eintritt, hat dieser den Namen des Eispunktes erhalten.

Indem das Wasser, welches bei 3° R. seine größte Dichtigkeit (s.d.) oder specifische Schwere besitzt, von diesem Wärmegrade einbüßt und der Eiskälte sich nähert, verliert es fortwährend an Dichtigkeit; es muß also der Theil einer Wassermasse, bei dem dies eintritt, immer die Oberfläche derselben ausmachen und daher an dieser zuerst das Gefrieren stattfinden, wodurch das in Eis verwandelte Wasser um 1/10 seines frühern Raumes ausgedehnt und folglich auch um so viel leichter wird. Unter besondern Bedingungen kann indessen auch Eis ausnahmsweise auf dem Boden der Gewässer entstehen und heißt dann Grundeis, ebenso vermag heftig bewegtes oder umgekehrt im Zustande der vollkommensten Ruhe befindliches Wasser eine Abkühlung von mehren Graden unter dem Eispunkt zu erleiden, ohne zu Eis zu werden; im letzten Falle bewirkt jedoch eine kleine Erschütterung oder das Hineinwerfen eines festen Körpers das augenblickliche Gefrieren desselben. Das Meerwasser und alles Salzwasser gefriert nur bei heftigerer Kälte als süßes Wasser, und das darin enthaltene Salz scheidet sich dabei am Boden aus, sodaß man durch Schmelzen solchen Eises reines, trinkbares Wasser erhält. Die Ausdehnung des Wassers beim Gefrieren geht mit großer Gewalt vor sich, weshalb mit Wasser angefüllte und fest verschlossene Gefäße zersprengt werden, sobald der Inhalt zu Eis wird; ja diese Gewalt ist so groß, daß ihr mit Wasser gefüllte und mit Schrauben verschlossene eiserne Bomben nicht widerstehen und Mauern, deren Grundlage von Nässe durchdrungen ist, durch Gefrieren derselben in die Höhe gehoben werden können. Wenn Eis auf einer Wasserfläche lagert, vermag es schon bei einem Zoll Stärke einen Mann zu tragen, der jedoch nicht lange auf derselben Stelle verweilen darf. Je strenger die Kälte, desto härter und fester ist das Eis, das in den Polarländern kaum mit dem Hammer zerschlagen werden kann und aus dem sich z.B. die Eskimos (s.d.) Hütten bauen, welche, da Eis ein schlechter Wärmeleiter ist, sogar Schutz gegen sehr heftige Kälte [639] gewähren. Auch in Petersburg wurde während des harten Winters von 1740 auf der Newa nach allen Regeln der Baukunst ein 521/2 F. langes, 161/2 F. tiefes und 20 F. hohes Haus ganz aus Eis errichtet, vor dem sechs auf der Drehbank gearbeitete Kanonen und zwei Mörser sämmtlich aus Eis standen. Die Kanonen hatten die Größe der Sechspfünder, wurden aber nicht, wie diese, mit drei Pfund Pulver, sondern nur mit 1/2 Pfund, jedoch auch mit eisernen Kugeln geladen, welche auf 60 Schritt noch durch ein Bret von zwei Zoll Stärke drangen; ähnliche Versuche sind 1795 in Landshut mit aus Donaueis gedrehten Kanonen und Mörsern angestellt worden, welche ebenfalls angemessene Ladungen vertrugen.

Da das Eis leichter als das Wasser ist, von dem es umgeben wird, drängt es sich natürlich nach der Oberfläche desselben, und dadurch werden die großen Eismassen und Eisberge der Polarmeere gehoben und der unmittelbaren Einwirkung der Sonne ausgesetzt, auch von den Strömungen als das den Schiffen freilich gefährliche Treibeis in südl. Breiten, oft bis in die Nähe des Äquators geführt, wo sie schmelzen; ohne dieses wohlthätige Naturgesetz würden aber wahrscheinlich die Polarmeere längst bloße Eismassen sein. Solche umstehend abgebildete Eisberge der Polarmeere erheben sich in den seltsamsten Gestalten manchmal über 250 F. über das Wasser, bilden oft zusammenhängende Massen von mehren ! M., und haben das Ansehen blendendweißer Kreidegebirge oder prangen mit grünen und blauen Farben. Sie sind mitunter auch mit Erde und Steinen bedeckt und man vermuthet daher, daß sie nicht nur im Meere, sondern zum Theil an den Küsten entständen und allmälig ins Meer fortrückten, wie man ein ähnliches Fortrücken an den Gletschern beobachtet hat. Die sogenannten Eisfelder dagegen bilden sich gewiß auf dem Meere, aus dem sie wenig hervorragen, und haben manchmal eine Oberfläche von mehren 100 ! M. – Eisborsten heißen die Sprünge und Risse, welche vorzüglich dann in alten und starken Bäumen bei plötzlich eingetretener heftiger Kälte entstehen, wenn vorher nasses Wetter war. Die in den Saftröhren der Bäume gefrierende Feuchtigkeit macht diese dann manchmal mit dem Knall eines schwachen Schusses bersten, und dergleichen Risse verwachsen nie wieder gänzlich. – Zu den beliebtesten Wintervergnügungen gehören in Rußland die Rutscheisberge, wie man 50–60 F. hohe, gewöhnlich auf zugefrorenen Flüssen erbauete, hölzerne Gerüste nennt, welche oben einen mit Fähnchen und Nadelholz verzierten Balcon tragen, zu dem auf der einen Seite eine Treppe hinauf-, von der andern aber eine auf untergelegtem Holzwerk durch Belegen mit Eis und Begießen mit Wasser künstlich hergestellte, sehr abschüssige und noch mehre 100 Schritte auf dem ebenen Boden verlängerte Eisbahn hinabführt, auf der man pfeilschnell mittels kleiner Rennschlitten hinabgleitet, deren jeder von einem hinter den Fahrlustigen sitzenden Führer geleitet wird.

Im Alterthume schon wurden Eis und Schnee zum Abkühlen der Getränke verwendet, was jetzt noch häufiger geschieht, auch sind auf künstliche Weise, meist durch Umhüllen mit Eis zum Gefrieren gebrachte Cremes und dergl. seit dem 17. Jahrh. sehr beliebte Erfrischungen. Um sie während des Sommers bereiten zu können, sammelt man gewöhnlich des Winters große Massen Eis und bewahrt sie in sogenannten Eisgruben und Eiskellern auf, oder sucht sich Eis und Schnee von hohen Bergen oder durch künstliche Mittel zu verschaffen. Eisgruben müssen wo möglich an kühlen [640] Orten, z.B. an der Nordseite von Anhöhen oder hohen Gebäuden und in völlig trockenem Boden angelegt werden, und bestehen am einfachsten aus trichterförmigen, unten mit einem Abfluß für das geschmolzene Eis versehenen, gegen 30 F. tiefen und nach Bedürfniß weiten Vertiefungen, die mit Steinen ausgemauert oder mit Holz ausgeschlagen sind. Das letztere ist vortheilhafter, weil Holz ein schlechterer Wärmeleiter als Steine ist, daher man auch ausgemauerte Eiskeller noch mit Holzwänden und am besten so versieht, daß zwischen ihnen und dem Mauerwerk ein Zwischenraum bleibt, in welchem die Luft ebenfalls einen schlechten Wärmeleiter abgibt. Da jedoch in Kellern und Gruben gewöhnlich die mittlere Temperatur des Himmelsstriches herrscht, unter dem sie liegen, in Deutschland 6–8° R., und das Eis dort weit schwieriger gegen den üblen Einfluß derselben, als über der Erde gegen viel größere Wärme zu schützen ist, so lassen sich die besten Eisbehälter im Großen und Kleinen über der Erde anlegen, was auch die Erfahrung bewiesen hat. Das Eis wird dabei in einem von Holz möglichst dicht hergestellten verschlossenen, unten mit einem Abflusse versehenen Raume im Winter fest aufgeschichtet. Diesen Raum muß in der Entfernung von 3–4 F. eine gemauerte oder hölzerne, durch Anstrich wasserdicht gemachte Wand umschließen, auf der ein dickes Strohdach ruht, der Zwischenraum aber wird mit Moos, Spreu, Häcksel, Nadelstreu, Tannenrinde und andern schlechten Wärmeleitern rund um den Eisbehälter fest ausgestopft, sodaß nur ein Zugang bleibt, der durch Doppelthüren und Mattenvorhänge verwahrt wird. Im Kleinen thun zwei Fässer dieselben Dienste, die man ineinandersetzt, das Innere mit Eis, den Zwischenraum ringsum dasselbe, der jedoch wenigstens eine Viertelelle betragen muß, mit Kohlenstaub und Asche füllt und den Deckel mit Stroh, Moos und dergl. dicht verwahrt, das Ganze aber an einen kühlen Ort stellt. Wie sehr die Erhaltung des Eises blos von der Umschließung desselben mit schlechten Wärmeleitern abhängt, beweist der von Nordamerika aus nach Westindien, und seit 1833 auch nach Ostindien betriebene Handel mit Eis, das dazu mit Maschinen in zwei ! F. große über einen F. starke Stücke geschnitten, in den Schiffen dicht aufeinander geschichtet, wenigstens einen F. dick, rings mit Tannenrinde umgeben und oben noch mit Heu und Stroh bedeckt wird. Um Eis künstlich zu bereiten, wird die bei der Verdunstung der Flüssigkeiten entstehende Abkühlung, selbst in Ostindien, mit Glück benutzt; man stellt dort nämlich nach Sonnenuntergang in zwei F. tiefe, trockene Gruben kleine, niedere, halb mit Wasser gefüllte, unglasirte Pfannen, wirst etwas Schnee oder Eis hinein, welche mit großen Kosten von den höchsten Gebirgen geholt werden, und findet am Morgen das Wasser in Eis verwandelt, das noch vor Sonnenaufgang in tiefen Gruben zum Gebrauch verwahrt wird. Auch unter der Luftpumpe gefriert Wasser sehr schnell, wenn man ein Metallgefäß zur Hälfte damit anfüllt, behutsam ebenso viel Äther darübergießt, so daß beide Flüssigkeiten sich nicht mischen, und nun die Last unter der Glocke verdünnt, wo dann in Zeit von einer Minute der Äther verdunstet und das Wasser zu Eis wird. – Das nördl. Eismeer dehnt sich vom nördl. Polarkreise bis zum Nordpol aus, bespült die nördl. Küsten von Europa, Asien und Amerika, umgibt außer andern Inseln Grönland, Spitzbergen und Nowaja-Semlja und bildet mehre große Busen, von denen das weiße Meer im nördl. europ. Rußland, der Ob-, Jenisei- und Lenabusen an den Mündungen der gleichnamigen sibir. Flüsse und die Baffinsbai die bedeutendsten sind. Das südl. Eismeer umgibt ebenso den Südpol, und beide heißen daher auch Polarmeere. Im südl. Eismeere sind noch keine Länder entdeckt worden, da des ewigen Eises wegen nur wenige Schiffe an einzelnen Punkten darin vorzudringen vermochten.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 639-641.
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