[98] Franz I. (Joseph Karl), Kaiser von Östreich, vorher als Franz II. bis 1806 röm.-deutscher Kaiser, geb. am 12. Febr. 1768, war der Sohn und Nachfolger Kaiser Leopold II., damaligen Großherzogs von Toscana, der ihm in Florenz die erste Erziehung ertheilen ließ.
Im 20. Jahre trat F. unter seinem kais. Oheim, Joseph II., ins öffentliche Leben ein, begleitete denselben auf dem Feldzuge gegen die Türken, führte 1789 mit dem Beistande des Feldmarschall Laudon den Oberbefehl über das Heer, übernahm 1790 nach dem Tode Joseph II. die Verwaltung der Regierungsgeschäfte, bis sein Vater in Wien erschien, folgte demselben am 1. März 1792 zunächst in den östr. Erbstaaten und wurde dann am 6. Jun. zum König von Ungarn, am 14. Jul. zum röm. Kaiser und am 5. Aug. zum König von Böhmen gekrönt. F. übernahm so viele Kronen unter schwierigen Umständen, denn noch waren die durch Joseph II. übereilte Reformen entstandenen Misverhältnisse im Innern nicht völlig wieder ausgeglichen, und schon am 20. Apr. 1792 hatte Frankreich an Östreich den Krieg erklärt. In drei blutigen Kriegen, von 1792–97, 1799–1802 und 1805 konnte F. dem verzweifelten Muthe der Truppen der franz. Republik und dem mit einer neuen Feldherrnkunst auftretenden Bonaparte auch mit dem ausdauerndsten persönlichen Eifer und Muthe, mit großen wohlgerüsteten Heeren und tapfern, nur leider wenig einverstandenen Bundesgenossen [98] den Sieg nicht abgewinnen und mußte schwere Friedensbedingungen eingehen. Im deutschen Reiche hatte während dieser Kriege der Zwiespalt der einzelnen, allzu selbständig gegeneinander gewordenen Staaten immer mehr zugenommen und Napoleon wußte ihn noch zu vergrößern; F. fühlte schon 1804 den deutschen Kaiserthron wanken, und nur der eignen Kraft vertrauend, erklärte er sich (am 11. Aug. und 7. Dec. 1804) zum Erbkaiser von Ostreich und legte nun nach Errichtung des Rheinbundes (s.d.) durch Napoleon die deutsche Kaiserwürde am 6. Aug. 1806 nieder. Östreich hatte sich von großen Opfern zu erholen und blieb daher während des Krieges neutral, den Preußen und Rußland 1806 und 1807 gegen Frankreich führten; allein darum war F. nicht minder entschlossen, nochmals für die alte Ordnung und Legitimität, für Ehre und Besitzthum in den Kampf zu treten. Im Stillen sammelte er dazu die Kraft; es erfolgte 1808 die Errichtung der östr. Landwehr, und als Spaniens beharrlicher Widerstand die Macht Frankreichs theilte, erklärte er demselben im März 1809 den Krieg und rief seine Unterthanen und alle Deutsche zu den Waffen. Allein auch diesmal waren alle Anstrengungen vergebens und obgleich bei Aspern und Eßlingen (s.d.) der Feind, dem auch Rußland sich nun anschloß, besiegt wurde, mußte F. im Oct. den Frieden von Wien eingehen, der Östreich seine festen Grenzen und damit die Sicherheit und freie Benutzung seiner ihm bleiben. den Besitzungen kostete. Die Verhältnisse nöthigten F. sogar, 1810 in die Vermählung Napoleon's mit seiner ältesten Tochter Marie Luise zu willigen, sowie 1812 ein Bündniß gegen Rußland mit ihm einzugehen. Nachdem aber die Franzosen, verfolgt von den Russen und Preußen, aus Rußland als Flüchtlinge zurückkehrten, schien sich Östreich die Gelegenheit zum sichern Ersatz aller Verluste darzubieten. Doch erst nachdem Napoleon die angetragene Friedensvermittelung abgewiesen hatte, schloß F., der unterdessen drei schlagfertige Heere zusammengezogen, im Aug. 1813 sich Rußland und Preußen an, wohnte persönlich dem Feldzuge von 1813–14 bei und theilte den Ruhm, Deutschlands und Europas Ehre und Freiheit gerettet zu haben. In den beiden pariser Frieden erwarb F. alles Verlorene und mehr noch wieder und stellte die östr. Monarchie größer als je und als ein zusammenhängendes Ganzes her, sodaß Östreich eine entscheidende Stimme in den europ. Angelegenheiten gesichert ist. Die schnelle Unterdrückung der Unruhen in Savoyen, Neapel und zuletzt im Kirchenstaate bewies hinreichend den stets entschiedenen Willen des Kaisers, das Bestehende zu schirmen, sowie andererseits Östreichs Verhalten während des russ.-türk. Kriegs von 1828 und 1829, daß er bei keiner drohenden Beeinträchtigung des neuen europ. Staatensystems gleichgültig sei. Nie hat ihm auch unter den drückendsten Verhältnissen das Vertrauen und die Liebe seiner Unterthanen gefehlt, von denen Jeder persönlich zu ihm gelangen konnte und mit denen er sich gern im gemüthlichen Tone des Volkes unterhielt. Der rasch wieder aufblühende Wohlstand seiner Reiche, der Schutz, welcher den Künsten und Wissenschaften und besonders der Gewerbthätigkeit zu Theil ward, vielfältige Verbesserungen in der Gesetzgebung und Rechtspflege und eine Menge gemeinnütziger Anordnungen und Anstalten sind vorzüglich bezeichnend für die lange Regierung des Kaisers F., der, als er nach kurzem Krankenlager am 1. März 1835 verschied, wie selten ein Fürst von seinem Volke betrauert wurde. F. war viermal vermählt, zuletzt 1816 mit der ihn überlebenden Karoline Auguste, einer geborenen Prinzessin von Baiern, die den Abend seines Lebens würdig verschönern half.