Friedensfürst

[111] Friedensfürst ist die nicht ganz richtige Übersetzung des Titels: Principe de la Paz, welchen Manuel de Godoy, Herzog von Alcudia, führte. Dieser war 1775 zu Badajoz in Spanien geboren, der Sohn eines armen Edelmanns und kam ohne Geld und ohne andere Empfehlungen, als eine schöne, hohe Gestalt und liebenswürdiges Benehmen nach Madrid. Hier lebte er anfangs von der Gunst eines Gastwirths, dem sein gewandtes Benehmen gefiel; nachdem es ihm aber gelungen war, 1787 Aufnahme in die Leibgarde des Königs zu finden, fand er Gelegenheit, dem König und der Königin vorgestellt zu werden und gewann Beide so sehr zu seinen Gunsten, daß er binnen wenigen Jahren alle Rechte eines gefeierten Günstlings einnahm und aller Macht und Ehre genoß, mit der Spaniens König ihn nur bekleiden konnte. Schon 1791 war er Generaladjutant der Leibgarde und Großkreuz des Ordens Karl III., 1792 Generallieutenant, Herzog von Alcudia, Major der Leibgarde, erster Minister und Ritter des Ordens vom goldenen Vließ. Nachdem er 1795 den Frieden mit Frankreich abgeschlossen, ernannte ihn der König zum Granden erster Classe und schenkte ihm das Fürstenthum de la Paz, welches jährlich 50,000 Piaster eintrug. Sein Glück wurde 1797 noch mehr durch die Vermählung mit Maria Theresia von Bourbon einer Cousine des Königs, befestigt. Schon vorher soll er jedoch mit der Tochter eines Offiziers, Namens Tudo, sich heimlich vermählt haben, dieselbe aber unter dem Vorwande, daß es der Wunsch des Königs sei, zum Rücktritt bewogen haben. Nachdem 1828 die Gemahlin Godoy's gestorben, erneuerte die Tudo, welche zur Gräfin Castello Fiel ernannt worden war, ihre alten Ansprüche und wurde von Godoy als Gemahlin öffentlich anerkannt. Der Friedensfürst herrschte unter Karl IV. in Spanien mit unumschränkter Gewalt; er hatte mit der franz. Republik 1796 ein enges Bündniß geschlossen, befehligte 1801 die Armee gegen Portugal, war 1804 zum Generalissimus der span. Land- und Seemacht ernannt worden und hatte endlich 1807 durch ein kön. Decret den Titel Durchlaucht und unbeschränkte Macht im ganzen Königreiche erhalten. Sein Sturz war indeß mit seinem Steigen nahe herbeigerückt. Er war innerlich Napoleon abgeneigt, obschon er äußerlich ihm schmeichelte, und 1806 begann er die Bewaffnung der span. Nation, angeblich zum Schutz gegen die Raubstaaten, in Wahrheit aber gegen den franz. Kaiser. Dieser aber hatte ihn durchblickt und machte den Plan, mit den Bourbons den mächtigen Herzog von Alcudia zu stürzen. (S. Spanien.) Dazu kam, daß Godoy, obschon er manche gute Einrichtungen traf und namentlich dem allzugroßen Einflusse der Geistlichkeit entgegenarbeitete, dem span. Volke im höchsten Grade verhaßt war, und daß dasselbe eine Hofpartei begünstigte, welche den Thronfolger Ferdinand (s. Ferdinand VII.) auf ihrer Seite hatte. Zwar wurden die Absichten dieser Partei entdeckt, Ferdinand selbst gefangen gesetzt, aber die Liebe des Volkes, welche den Prinzen schützte, vermochte den Friedensfürsten selbst, der Vermittler zur Versöhnung zwischen Vater und Sohn zu werden. Napoleon's Heere umstrickten Spanien und Godoy, der vergebens gehofft hatte, durch Unterwürfigkeit die Gunst Napoleon's wiederzugewinnen, rieth der kön. Familie, da er Alles verloren glaubte, zur Flucht nach Amerika. Da brach in Aranjuez, wo der Hof sich aufhielt, am 18. März 1808 eine Revolution aus, bei welcher der Fürst in die Hände des wüthenden Volks gerieth, welches ihn umgebracht hätte, wenn ihn nicht Ferdinand gerettet und der König erklärt hätte, daß über den Günstling Gericht gehalten werden solle. Doch die nun folgende Einmischung Napoleon's bewirkte seine Befreiung, aber auch die Entthronung der Bourbons (s. Ferdinand VII. und Spanien) und den Verlust aller Güter und Einkünfte des Friedensfürsten. Godoy ging mit seinem Könige nach Frankreich und genoß die Liebe seiner hohen Gönner bis zu deren Tode. Später ging er nach Rom, kaufte sich eine Herrschaft und lebte unter dem Titel eines Fürsten von Passerano. Er begab sich 1830 wieder nach Paris und hat Memoiren seines Lebens, das so reich an Begebenheiten ist, herausgegeben, in welchen er in einem weit günstigern Lichte erscheint, als in dem, in welches Parteihaß und die Ungunst des Volkes ihn gesetzt hatten. Man hatte ihm, der stets als treuer Diener seines Herrn erschien, nachgesagt, daß er mit dem Plane umgegangen sei, das Haus der Bourbons in Spanien zu stürzen, um sich selbst die Krone anzumaßen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 111.
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