Hochzeit

Hochzeit

[395] Hochzeit (die) begreift die Festlichkeiten, welche bei Verheirathung eines liebenden Paars gebräuchlich sind.

Fast bei allen Völkern ist es üblich, den Act, welcher zwei Menschen in die nächste Verbindung, in der Regel fürs Leben bringt, festlich zu begehen. Die Art der bei den verschiedenen Völkern bei dieser Gelegenheit üblichen Festlichkeiten ist jedoch nach den Ansichten, welche dieselben von der Ehe und von dem Verhältniß des Weibes zum Manne hegen, sehr verschieden. Alterthümlich ist im Allgemeinen die Vorstellung, daß der Mann in seinem Weibe eine nützliche Dienerin besitze, und hierauf gründet sich der bei vielen Völkern auch jetzt noch herrschende Gebrauch, daß der Mann an die Ältern der Frau für diese eine gewisse Summe zahlen, oder wol auch, wie z.B. Jakob that, um des Laban Tochter zu erhalten, für die Frau dem Vater derselben eine Zeit lang dienen muß. Bei den gebildeten Völkern kam dagegen die würdigere Ansicht auf, daß die Ehe eine aus gegenseitiger Liebe eingegangene Verbindung sei, und indem man das Weib für gleichberechtigt wie den Mann ansah, gaben die Ältern der Frau vielmehr wo möglich eine Mitgift mit, damit sie durch dieselbe auf den Erwerb des Mannes einen gegründeten Anspruch gewinne. Höchst eigenthümlich war die Sitte der Assyrer, nach welcher die schönen Mädchen öffentlich an den Meistbietenden versteigert wurden und das auf diese Weise gelöste Geld angewendet wurde, um die häßlichen Mädchen mit einer Aussteuer an den mindestfodernden Mann zu bringen. – Besonders festlich begingen die alten Griechen, namentlich die Athener, ihre Hochzeiten. Die Bewerbung [395] um ein Mädchen geschah bei den Ältern derselben unter Überreichung von Geschenken. Am Tage vor der Vermählung schnitt sich das Brautpaar eine Locke ab und weihete dieselbe den Göttern, deren Schutz Neuvermählte empfohlen waren. Es wurden Opferthiere geschlachtet, deren Galle man sorgfältig entfernte und aus deren Eingeweiden die Zukunft des Paars prophezeit ward. In feierlichem Fackelzuge wurde die Braut, welche dem Manne eine Mitgift zubrachte, in das Haus des Bräutigams gebracht und hier streute man Blumen und Kornähren auf das Brautpaar, damit es fruchtbar sei, und verbrannte die Achse des Wagens, auf welchem die Braut gekommen war, denn diese sollte das Haus nicht wieder verlassen. Es folgte ein Festmahl, und darauf wurde das Paar in das Brautgemach gebracht, wo ein Knabe die Füße der Braut mit Wasser aus dem Quell Kallirrhoe (d.h. Schönbrunn) wusch und Braut und Bräutigam einen Granatapfel oder eine Quitte speisten. Die Mutter übergibt die Braut dem Lager, der Bräutigam löst ihr den Gürtel und draußen singen Knaben und Mädchen Hochzeitlieder. – Bei den Spartanern war die alterthümliche Sitte, die Frau zu rauben, der Form nach beibehalten worden, und erst nachdem sich der Jüngling wiederholt heimlich aus dem mit den Altersgenossen gemeinsamen Schlafgemach fortgeschlichen und seine Geliebte besucht hatte, wurde die feierliche Heimführung vorgenommen. – Bei den alten Römern lag der ehelichen Gemeinschaft eine Übereinkunft zwischen dem Manne und dem Vater der Braut zu Grunde, welche niedergeschrieben wurde. Zugleich wurde die Mitgift festgesetzt, und die Braut wechselte mit dem Bräutigam Ringe, worauf die Verlobung gefeiert wurde. Man unterschied drei Arten von Verheirathung, indem die Ehe auch dann schon als eine gültige angesehen wurde, wenn die Frau nur über ein Jahr im Hause des Mannes gelebt hatte oder wenn der letztere dem Vater der Braut diese durch Übergabe eines Geldstücks gleichsam abgekauft hatte. Beiweitem feierlicher war die dritte Art der Verheirathung. Es wurden festliche Opfer gebracht, die Haare der Braut wurden zur Erinnerung an den Raub der Sabinerinnen mit einer Lanze nach Matronenart getheilt. Man wählte gewissenhaft einen Tag zur Heimführung aus, an welchem keine böse Vorbedeutung Unheil verkündete. Drei Knaben, deren beide Ältern noch am Leben waren, führten Abends bei Fackelschein die Braut, welche eine Stirnbinde mit einem Blumenkranz trug und mit einem feuerfarbenen Schleier verhüllt wurde, aus dem älterlichen Hause in das des Bräutigams. Hier erhielt sie die Schlüssel des Hauses nebst einem Spinnrocken und berührte mit dem Bräutigam Feuer und Wasser. Hierauf wurde zum Gastmahl geschritten und während die Matronen die Neuvermählten ins Brautgemach führten, fangen die Jungfrauen Hochzeitgesänge und die Knaben stimmten leichtfertige Lieder an. Die Hochzeitgäste erhielten kleine Geschenke und am folgenden Tage wurde noch ein Nachfest gehalten.

Bei den alten Hebräern hatte die Ehe zwar durch die Worte Gottes: »Seid fruchtbar und mehret euch« eine religiöse Weihe erhalten, doch scheint das Hochzeitfest nur weltlicher Art gewesen zu sein. Die Braut wurde feierlich eingeholt und dann wurden mehre Tage hintereinander Gastmahle im Hause der Neuvermählten gehalten. Dabei erschienen die jungen Eheleute bekränzt. Nach dem Mahle wurden dieselben feierlich ins Brautgemach geleitet. Bei den Hebräern, wie bei fast allen Orientalen, wurde eine hohe Wichtigkeit darauf gelegt, daß die Braut als Jungfrau dem Bräutigam übergeben wurde. Die jetzigen Juden heirathen so jung als möglich. Nach der feierlichen Verlobung erhält die Braut der Regel nach vom Bräutigam eine Morgengabe. Die Hochzeit wird gewöhnlich Mittwochs oder Freitags abgehalten. Am Vorabende wird die Braut von ihren Freundinnen gebadet und am Hochzeittage sitzen Braut und Bräutigam unter einem Thronhimmel, von einem großen schwarzen Schleier umgeben und den Kopf mit einem schwarzen Tuche bedeckt. Sie trinken aus einer Schale Wein, der ihnen unter Lobpreisung Gottes gereicht wird; der Bräutigam steckt der Braut vor Zeugen einen Ring an, der Ehecontract wird verlesen und gelobt, es werden Gebete gesprochen, worauf die Eheleute nochmals Wein trinken und der Becher dann an der Erde zerschmettert wird. Gastmahl, Tanz und Abführung der Braut in das Brautgemach beschließen das Fest.

Die Mohammedaner haben zwar die Erlaubniß, vier rechtmäßige Frauen heirathen zu dürfen, doch hat selten ein Mann mehr als eine, wegen der Kostspieligkeit mehrer Frauen. Eine religiöse Feier ist mit den Hochzeitfestlichkeiten nicht verknüpft. Bei den Türken wird die Ehe noch durch Kauf abgeschlossen, gewöhnlich in Folge eines zwischen den Verwandten der Brautleute eingegangenen Vertrags. Auf einem Pferde wird die Braut verschleiert in das Haus des Bräutigams gebracht. Hier herrscht Freude, eine Gesellschaft von Männern und Frauen, welche jedoch voneinander abgesondert sind, wird bewirthet, während im Hause der Ältern der Braut Trauer und Klage wie um eine Verstorbene ist. Während der Türke seine Braut vor der Hochzeit selten oder gar nicht zu sehen bekommt, sucht der Araber dieselbe unter Begünstigung ihrer Verwandten, ehe er um sie wirbt, entschleiert zu belauschen. Nachher wird der Kaufcontract geschlossen, und am Hochzeittage werden Braut und Bräutigam gebadet und geschmückt; Männer und Frauen versammeln sich, jedes Geschlecht für sich, zu Schmausereien. Abends endlich führen Matronen die Braut in das Zelt des Bräutigams, schweigend empfängt dieser die Braut, welche sich vor ihm neigt. Er drückt ihr ein Geldstück auf die Stirn und trägt sie, nachdem diese Ceremonie sich dreimal wiederholt hat, endlich in das innere Zelt. Bei den Beduinen raubt der Bräutigam die Braut in Begleitung seiner Freunde, welche sämmtlich mit Stöcken bewaffnet sind, während die Gespielinnen der Braut diese vergeblich zu vertheidigen suchen. – Bei den Brahmanen in Indien wird zwischen den Brautleuten als Sinnbild der Liebe ein Feuer angezündet, sodann werden Beide mit einer seidenen Schnur umwunden, als Zeichen der Unzertrennlichkeit, und zwischen ihnen liegt ein zusammengefaltetes Tuch. als Sinnbild, daß vor der ehelichen Verbindung keine Gemeinschaft unter ihnen stattfinden dürfe. – In China kennt der Bräutigam die Braut vor der Hochzeit nur aus den Beschreibungen, welche ihm die Verwandten von ihr gegeben haben. Er kauft sie ihren Ältern ab und sie wird ihm dann unter festlichem Prunk bei Fackelschein und Zimbelklang in einem verschlossenen Tragsessel zugeführt. Noch ist sie vermummt und erst, nachdem das Mahl vorüber, enthüllt sie der Bräutigam allein in einem Zimmer. Bald aber werden nun auch alle [396] Gäste eingeladen, die Braut in Augenschein zu nehmen und diese sprechen laut und ungenirt Lob und Tadel über die junge Braut aus. In dieser peinlichen Stunde zeigt unsere Abbildung die chines. Braut, der große Hut und der Schleier, welche sie versteckten, liegen am Boden, und der Bräutigam horcht auf die Complimente, die seiner Braut eben gesagt werden. – In sehr hohem Ansehen steht die Ehe bei den Parsen oder Feueranbetern. Reinigungen und Festgelage gehen der Trauung woraus, welche durch den Priester vollzogen wird, und bei der zum Zeichen der Fruchtbarkeit das junge Paar mit Reis bestreut wird. Ein festlicher Zug, bei Fackeln und Musik, unter Geleitung der jubelnden Freunde, beschließt das Fest. – Die Hochzeitfeierlichkeiten der rohen, sogenannten wilden Völker sind ebenso mannichfaltig, wie diese Völker selbst, und im Allgemeinen kann man aus der Wichtigkeit, welche dieselben auf diese Festlichkeiten legen, auf die Höhe des Culturzustandes, welchen sie einnehmen, schließen.

Bei den Christen ist die wesentliche Bedingung einer gesetzlichen Ehe die förmliche Trauung (s.d.), und unter Hochzeit versteht man häufig nur die willkürlichen, oft aber durch Herkommen geregelten weltlichen Vergnügungen, die man mit der Trauung zu verbinden pflegt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 395-397.
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