Julitage

[517] Julitage (die) werden zum Andenken an die Revolution vom 27., 28. und 29. Jul. 1830, durch welche Ludwig Philipp (s.d.) König der Franzosen wurde, in Paris mit öffentlichen Lustbarkeiten begangen. Die nächste Veranlassung zur Julirevolution gaben bekanntlich die vom Könige Karl X. und seinem Minister Polignac am 25. Jul. erlassenen Ordonnanzen, durch welche gegen die Bestimmungen der franz. Charte das Wahlrecht abgeändert und die Freiheit der Presse beschränkt wurde. Am 26. Jul. erschienen in zwei der gelesensten Zeitungen Rügen gegen die Verletzung der Charte und 44 Schriftsteller unterzeichneten eine gegen die Ordonnanzen gerichtete Erklärung. Die Maßregeln, welche die Regierung durch die Policei gegen jene Zeitungen ergriff, dienten nur, die Aufregung im Volke zu vergrößern. Das Volk erhob sich in Masse, die Policei konnte seiner nicht Herr werden und Polignac rief die bewaffnete Macht zu Hülfe. Das bewaffnete Volk und die königl. Truppen unter dem Befehle des Marschalls Marmont geriethen am 27. in Kampf, der mit der heftigsten Erbitterung geführt wurde. In der darauf folgenden Nacht wurden über 4000 Barrikaden (s.d.) aufgeworfen, hinter denen sich das Volk gegen die Truppen vertheidigte. Gegen 18,000 regelmäßig bewaffnete Bürger standen den nur 6400 Soldaten entgegen, welche Marmont befehligte, und überdies wurde auch aus den Häusern und von den Dächern herab der Tod gegen die Truppen geschleudert. So war es fruchtlos, daß am 28. Paris in Belagerungszustand erklärt wurde. Der König und der Hof befanden sich zu St.-Cloud. Dahin begab sich am Morgen des 28. ein Verein von Deputirten, unter ihnen Laffitte, Casimir Périer und der General Gérard, um den König zur Aufhebung der Ordonnanzen und zur Entlassung seiner Minister zu bewegen; sie wurden aber nicht vorgelassen und die Deputirten, sowie die Pairs, welche an demselben Morgen eine Protestation gegen die Ordonnanzen unterzeichnet hatten, dachten nun an die Aufhebung der bestehenden Regierung. Die Bürger hatten das Stadthaus erobert und noch am 28. wurde von den Deputirten die Regierung vorläufig Lafayette, Gérard und dem Herzoge von Choiseul übertragen, den Oberbefehl über die Nationaltruppen erhielt Lafayette. Auf ähnliche Weise wurden die übrigen nothwendigsten Behörden organisirt. Die niedergesetzte Municipalcommission, zu welcher Audry de Puyraveau, Laffitte und Casimir Périer gehörten, machte früh am 29. bekannt: Karl X. habe aufgehört zu regieren. Es war zu spät, als Karl X. nachzugeben sich entschloß. Marschall Marmont zog mit den Garden nach St.-Cloud und um 2 Uhr war der Kampf in Paris beendet. Im Volke hatten sich laute Stimmen erhoben, welche foderten, daß Frankreich zur Republik erklärt werde; aber die Häupter der Revolution waren zu besonnen und wußten zu gut, was das wahre Wohl ihres Vaterlandes erheische, als daß sie mit jenen in Übereinstimmung gehandelt hätten. Ludwig Philipp, Herzog von Orleans, wurde von Neuilly, seinem gewöhnlichen Aufenthaltsorte, von 89 Deputirten und 30 Pairs nach Paris berufen und am 30. Abends traf derselbe in der Hauptstadt ein. Am Morgen des 31. geleitete ihn eine Deputation der Deputirten, an deren Spitze Laffitte stand, aus dem Palais royal auf das Stadthaus und hier wurde er zum Generallieutenant des Königreichs ausgerufen. Begleitet von 3000 Garden zog am 31. Morgens der entthronte Karl X. von St.-Cloud nach Rambouillet und am 2. Aug. entsendete er ein von ihm und dem Dauphin unterzeichnetes Schreiben an den Herzog von Orleans, in welchem er diesen als Reichsverweser anerkannte und zu Gunsten des jungen Heinrich, Herzogs von Bordeaux, der Krone entsagte. Unter Gérard zogen Truppen und die pariser Nationalgarde gegen Rambouillet, und Karl X. wurde durch die an ihn abgesandten Commissarien bewogen, seine Garden zu entlassen, die Diamanten der Krone auszuliefern und Frankreich zu verlassen. Am 3. Aug. verließ er Rambouillet und am 16. in Cherbourg den franz. Boden. Indeß wurde zu Paris ein neues Staatsgrundgesetz entworfen, der Entwurf am 7. Aug. von beiden Kammern angenommen und noch an demselben Tage Ludwig Philipp von der Pairskammer als »Bürgerkönig« begrüßt. Alle unter Karl X. Regierung erfolgten Pairsernennungen waren für ungültig erklärt worden. Ludwig Philipp beschwor am 9. Aug. in den vereinigten Kammern die neue Charte und bestieg als König der Franzosen den erledigten Thron. Zum Andenken an die Julitage 1830 stiftete am 30. Dec. desselben Jahres Ludwig Philipp den Orden des Julikreuzes, welches Denen ertheilt wurde, die sich in den Revolutionstagen ausgezeichnet hatten. Auch das Andenken der in den drei Tagen Gefallenen wurde geehrt. Es wurde ihnen ein Trauerdenkmal auf dem Platze der Bastille errichtet, auf welchem ihre Namen verzeichnet sind; ihre Witwen und Waisen erhielten, sowie die Verwundeten, Pensionen und ihre Töchter erhalten bei Gelegenheit der Julifeste, wenn sie sich verheirathen, Ausstattungen. Die Theilnahme des Volks an den Festlichkeiten der Julitage haben sich von Jahr zu Jahr verringert, je mehr man eingesehen hat, daß die excentrischen Hoffnungen, welche Viele an jene Revolution knüpften, nicht in Erfüllung gegangen sind.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 517.
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