Lafayette

Lafayette

[688] Lafayette (Gilbert Mottier, Marquis de), der berühmte Vertheidiger der Freiheit in Nordamerika und Frankreich, wurde am 6. Sept. 1757 zu Chavagnac in Frankreich, im Departement der obern Loire, geboren.

Er gehörte einem sehr alten und vornehmen Geschlechte an und wurde schon in seinem 16. Jahre mit der Tochter des Grafen von Noailles d'Ayen vermählt, um eine Anstellung am königl. Hofe zu erlangen, zu deren Übernahme er selbst sich aber nicht entschließen konnte. Nachdem der amerik. Freiheitskrieg ausgebrochen war, faßte L. die Idee desselben mit Begeisterung auf und ließ sich dem Vertreter Nordamerikas, dem berühmten Franklin (s.d.), in Paris vorstellen. Obschon die amerik. Angelegenheiten damals sehr mislich standen, so ließ sich der junge L. doch nicht abhalten, auf seine Kosten eine Fregatte auszurüsten und auf derselben 1777 nach Amerika zu gehen und hier als Freiwilliger in Dienst zu treten. Er wurde hierauf vom Congresse zum Generalmajor erklärt, zeichnete sich bei mehren Gelegenheiten aus und erhielt öffentliche Danksagungen vom Congreß. Nachdem Frankreich die Freistaaten anerkannt hatte, ging L. 1779 nach seinem Vaterlande zurück, um von hier aus den Amerikanern Unterstützung zu verschaffen. Bei seiner Wiederankunft in Amerika verkündete er ein franz. Unterstützungscorps und wurde zu Boston glänzend empfangen. Abermals ging er nach Frankreich, um neue Mannschaften für Amerika zu gewinnen, und eben im Begriff, mit diesen in See zu gehen, erhielt er Nachricht von dem versailler Frieden. Als einige Jahre später L. nach Nordamerika kam, so ward er in Erinnerung seiner Verdienste auf das glänzendste empfangen. Man ertheilte ihm und seinem Sohne das Bürgerrecht und zugleich das Recht, den Sitzungen des gesetzgebenden Körpers beizuwohnen. Nach Europa zurückgekehrt, reiste L. nach Deutschland und fand hier bei Kaiser Joseph II. und Friedrich dem Großen die ehrenvollste Aufnahme. In Frankreich [688] wurde 1787 die Versammlung der Notabeln berufen und in ihr sprach L. für Abschaffung der veralteten Misbräuche, drang auch auf Zusammenberufung der Nationalversammlung, in die er selbst 1789 gewählt wurde. Er trat mit Besonnenheit für die Sache der Freiheit auf, foderte zur Erklärung über die Menschenrechte auf, wurde zum Generalcommandanten von Paris ernannt und richtete die Nationalgarde daselbst ein. Er war es auch, der den Befehl zur Schleifung der Bastille gab und der die dreifarbige Cocarde einführte. Bei Hofe war L. verhaßt, obschon er am 6. Oct. die königl. Familie zu Versailles rettete und überhaupt aufs eifrigste bemüht war, das pariser gemeine Volk im Zaume zu halten, welches zu allen Arten von Ausschweifungen sich berechtigt glaubte. Er verlangte die Einführung der Geschworenengerichte, die Abschaffung der Sklaverei, die Aufhebung der Orden und des Erbadels, aber er lehnte es ab, als man ihn zum Dictator oder Generallieutenant des Königreichs ernennen wollte, sowie er auch seine Ernennung zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Nationalgarden hintertrieb. Er war nebst Bailly der Stifter des Clubs der Feuillans. Nachdem die Constitution angenommen worden war, zog sich L. auf sein Landgut zurück; doch die Berufung zur Ardennenarmee brachte ihn wieder auf den Schauplatz der Begebenheiten, wo er sich ehrenvoll behauptete. Indeß wurde er selbst in Paris verleumdet und zugleich erfuhr er, daß auch der König und die Verfassung bedroht würde. Muthig eilte er 1792 nach Paris, sprach in der Nationalversammlung für die Rechte des Throns und wollte, die von der Bergpartei aus drohende Gefahr übersehend, den König nach Compiegne in Sicherheit bringen. Aber der König ging auf seinen Plan nicht ein, und L.'s Feinde hatten dieien so in der Volksgunst zu stürzen gewußt, daß ihn der Pöbel von Paris im Bildniß öffentlich verbrannte. Aber, in Anklagezustand versetzt, ward L. freigesprochen. Indeß sah er ein, daß er seinen Gegnern nur durch Entzündung eines Bürgerkriegs würde die Spitze bieten können, und. dieses Mittel verschmähend, von der republikanischen Partei geächtet, verließ er Frankreich, um sich in ein neutrales Land zu begeben. In Begleitung mehrer gleichgesinnter Freunde kam er nach Rochefort in Flandern. Hier bemächtigten sich die Östreicher der Angekommenen und brachten sie erst nach Wesel, dann nach Olmütz. Der Versuch, L. zu befreien, welchen ein Deutscher, Namens Bollmann, der seit längerer Zeit in Paris und London gelebt hatte, unternahm, schlug fehl und erst in Folge der Unterhandlungen zu Leoben erlangte L. durch den Einfluß Napoleon's 1797 die Freiheit wieder. Er blieb noch eine Zeit lang in Hamburg und kehrte erst nach dem 18. Brumaire (9. Nov. 1799), an welchem Napoleon die Directorialregierung vernichtete, nach Frankreich zurück. Das Mistrauen, welches er offen gegen Napoleon äußerte, zog ihm dessen Unwillen zu und seitdem erschien L. nicht wieder an Napoleon's Hofe, sondern lebte auf seinem Landsitze Lagrange in Auvergne, welcher ihm allein von seinen frühern Besitzungen übrig gelassen worden war. Als nachher die Heere der Verbündeten gegen Frankreich rückten, ließ sich L. zum Mitgliede der Deputirtenkammer wählen, nachdem er die von Napoleon ihm angetragene Pairswürde abgelehnt hatte. Nach der Schlacht von Waterloo drang er auf Napoleon's Abdankung. und ging als Commissar zu den Verbündeten, um wegen eines Waffenstillstandes zu unterhandeln. Er wurde aufgehalten, bis Paris capitulirt hatte; kräftig erklärte er sich gegen die Auslieferung Napoleon's. Nachdem die Deputirtenkammer militairisch aufgehoben worden war, unterzeichnete L. die Protestation gegen diese Gewaltthat und begab sich wieder nach seinem Landgute Lagrange. Obschon syäter die Regierung ihren Einfluß dahin aufbot, daß L. nicht in die Deputirtenkammer komme, so behauptete derselbe doch 1818–24 seinen Sitz in derselben. Er hielt fortwährend streng an den Grundsätzen fest, welche sein Auftreten bei Beginn der franz. Revolution bestimmt hatten. Von 1824–25 folgte er einer Einladung des Präsidenten des Congresses der Vereinigten Staaten von Nordamerika. Begleitet von seinem Sohne, wurde L. zu Neuyork und überall, wohin er sich begab, »als Gast der Nation« auf das ehrenvollste aufgenommen. Nach Frankreich zurückgekehrt, wurde er wieder zum Mitgliede der Kammer der Abgeordneten erwählt. Im Sommer 1829 reiste L. durch einige südl. Departements und wurde überall mit lautem Beifall begrüßt und als er nach Paris 1830 zurückkehrte, brach die Juliusrevolution aus. Am 29. Jul. wurde er zum Oberbefehlshaber der Nationalgarde ernannt, die er durch eine öffentliche Bekanntmachung wiederherstellte. Er gab seine Zustimmung zur Erhebung des Herzogs von Orleans, doch er wollte einen Königsthron, umgeben mit republikanischen Einrichtungen. Am 7. Aug. erklärte er auf dem Balcon des Palais royal Ludwig Philipp für die beste der Republiken; sein Ansehen befestigte den Thron des Königs der Franzosen. Hierauf ward er am 16. Aug. zum Oberbefehlshaber sämmtlicher Nationalgarden in Frankreich ernannt. Doch L. mußte erleben, daß sich der Thron mit republikanischen Einrichtungen als ein Traumbild erwies und schon am 25. Dec. verlangte er seine Entlassung als Oberbefehlshaber der Nationalgarden. Als Mitglied der Kammer erwies sich L. fortwährend seinem alten Wahlspruche: »Freiheit und öffentliche Ordnung« treu. Nach dem Falle Warschaus trat er als eifriger Beschützer der poln. Flüchtlinge auf. Ergeben den Überzeugungen eines Republikaners, sich selbst niemals untreu werdend, nie der Stimme des Ehrgeizes gehorchend, hat er seine Grundsätze stets mit der würdigen Ruhe der Überzeugung verfochten, nie durch Leidenschaftlichkeit zu gesetzlosen Handlungen sich hinreißen lassen und mit Lebensgefahr ebenso sehr für die Ordnung im Staate gekämpft, wie für die Freiheit desselben. Daher haben ihm auch die Vernünftigen aller Parteien nie ihre Achtung versagen können und nur die Unbesonnenen seiner eignen Partei haben ihn geschmäht. Nachdem er bei vollem Bewußtsein am 20. Mai 1834 zu Paris gestorben war, wurde in Nordamerika wie in Frankreich seine Todtenfeier mit allgemeiner Theilnahme begangen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 688-689.
Lizenz:
Faksimiles:
688 | 689
Kategorien:

Buchempfehlung

Anonym

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.

158 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon