[527] Kaīro oder El Kahirah, d.h. die Siegreiche, ist die größte Stadt Ägyptens, Residenz des Vicekönigs, und liegt am rechten Ufer des Nils, etwa 600 Klaftern vom Flusse entfernt, an den letzten Ausläufen des Mokattemgebirges.
Die Altstadt soll schon von Sesostris gegründet sein; Neukairo aber ward um 970 n. Chr. von Almansur, dem ersten fatimitischen Khalifen, erbaut, von Saladin 1176 mit einer Mauer umgeben, und erhob sich schon früh, auf Kosten Alexandrias, zu hoher Blüte. Die Straßen sind sämmtlich eng, zum Theil so schmal, daß die Balcone der gegenüberstehenden Häuser dicht aneinander stoßen. Manche Straßen sind, um die Sonnenstrahlen abzuhalten, bedeckt, und haben Pforten. Da sie sämmtlich ungepflastert sind, und es hier nur höchst selten regnet, so herrscht in der volkreichen Stadt ein lästiger Staub, weshalb wohlhabende Leute in der Regel, um schneller fortzukommen, auf Eseln reiten. Die Häuser haben, eine Seltenheit im Oriente, zumeist drei Stockwerke, und sind aus Erde oder Backsteinen aufgeführt; die Fenster gehen nach dem geräumigen Hofe hinaus und die Gassen werden daher von ununterbrochenen, einförmigen Mauern gebildet. Übrigens hat Kairo einige große Plätze, von denen etliche im Sept., wenn der Nil seinen höchsten Stand erreicht hat, ganz unter Wasser stehen, z.B. der große Ezbekyehplatz. Wenn der Fluß wieder in sein Bett zurückgetreten ist, dann bedecken sie sich bald nachher mit mancherlei Pflanzen. Außer den vielen Gärten innerhalb der Stadt sind die Hunderte von Moscheen mit ihren schlanken Minarets eine Zierde derselben; die des Sultan Hassan ist unter ihnen die größte. Unter den Stadtthoren sind einige in ebenso einfachem als großartigem Style erbaut, und Dasselbe [527] gilt von den öffentlichen Bädern, den mit Marmorsäulen geschmückten Cisternen und manchen Grabmälern der Mamluken. Der Vicekönig wohnt in der Citadelle, welche sich auf einem Hügel erhebt und einen bedeutenden Umfang hat. Die Bevölkerung beläuft sich auf etwa 330,000 Einw., von denen die Mehrzahl Araber sind; etwa 10,000 Kopten, ebenso viele Juden, mehre tausend Armenier, Syrer und Europäer beschäftigen sich vorzugsweise mit Handel und Gewerbe; die Industrie ist übrigens von keiner großen Bedeutung und bezieht sich auf Matten- und Posamentirwaarenmanufactur, Drechslerei, Leinwand-, Wollenwaaren- und Lederfabrikation und Verfertigung von Goldschmiede-, Töpfer- und Glaswaaren. Dagegen ist K. der wichtigste Stapelplatz Afrikas und aus allen Städten Vorderasiens Nord- und Mittelafrikas kommen zahlreiche Karavanen an. Für das Unterkommen der Reisenden ist hinlänglich gesorgt, und es sind mehr als 1200 Kaffeehäuser vorhanden. – In der unmittelbaren Umgebung der Stadt, gleichfalls auf dem rechten Nilufer, liegen die beiden Hafenplätze Kairos. Bulak und Altkairo. In Bulak hat der Pascha eine Druckerei und eine höhere Lehranstalt gegründet, in welcher die Ägypter in europ. Wissenschaften und Künsten unterrichtet werden, und eine große Kattun- und Seidenfabrik angelegt, in der täglich 800–1000 Arbeiter beschäftigt sind. Etwas weiter aufwärts am Nil liegt der unten abgebildete, von Ibrahim Pascha erbaute Palast. In Altkairo sind große Getreidespeicher.