Länge [2]

[167] Länge, geographische. In der mathematischen Geographie ist L. eines Punktes der Erdoberfläche der Winkel, den die Ebene seines Meridians mit derjenigen eines festen, des sogen. ersten Meridians, einschließt; derselbe wird gemessen durch den Bogen des Äquators, der zwischen-beiden Meridianen liegt. Die geographische L. wird vom ersten Meridian entweder nach W. bis 360° oder gewöhnlich nur bis 180° nach W. und O. gezählt (westliche und östliche L.). Durch L. und Breite (s. d.) ist die Lage eines Punktes auf der Erde bestimmt. In der Annahme des ersten Meridians herrscht indes große Verschiedenheit. Bei den Alten legte ihn Hipparch, der zuerst L. und Breite zur Bestimmung der Orte auf der Erde anwendete, durch seinen Beobachtungsort, die Insel Rhodos; Marinus Tyrius und nach ihm Ptolemäos legten ihn durch die Glückseligen Inseln (Kanaren), ebenso die Araber, die ihn aber zum Teil auch an die äußerste Westküste von Afrika verlegten. Der Geograph Zarqala (um 1075) nahm als ersten Meridian den von Apin, 10° westlich von Bagdad, an; im 16. Jahrh. nahm Mercator die Kanarische Insel Corvo, Hondius die Kapverdische Insel Santiago als Ort des ersten Meridians an etc. Endlich schrieb auf den Rat eines am 25. April 1634 in Paris versammelten Kongresses von Mathematikern und Geographen Ludwig XIII. den französischen Kartenzeichnern den durch die Westspitze der westlichsten Kanarischen Insel Ferro gehenden als ersten Meridian vor, der später auf Delisles Vorschlag, genau 20° westlich von Paris gelegen, angenommen wurde. Da die ganze Neue Welt auf der Westseite, die Alte Welt aber auf der Ostseite dieses Meridians liegt, so war er bis Ende des 19. Jahrh. noch vielfach im Gebrauch. Die Franzosen zählen gegenwärtig die L. vom Pariser Meridian, fast alle andern Nationen aber von dem Meridian von Greenwich (2°20´ 14´´ westlich von Paris, 17°39´ 46´´ östlich von Ferro). Da die Sonne bei ihrer scheinbaren täglichen Bewegung von O. nach W. nach je einer Stunde in einen um 15° weiter westlich gelegenen Meridian tritt, so entspricht einem Längenunterschied von 15° ein Unterschied von einer Stunde der mittlern Ortszeit, man gibt daher die L. auch öfters in Zeit statt in Gradmaß an, dabei ist eine Stunde = 15°, eine Minute = 15´, eine Sekunde = 15´´ und umgekehrt 1° = 4 Zeitminuten, 1´ = 4 Zeitsekunden, 1´´ = 1/15 Zeitsekunde; es gibt die L. dann direkt den Unterschied der betreffenden Ortszeit gegen die Greenwicher Zeit an. Greenwich liegt also 9 Min. 21 Sek. westlich von Paris, Washington 77°3´ 2´´ = 5 Stund. 8 Min. 12,1 Sek. westlich von Greenwich; wenn es daher in Washington Mitternacht ist, so ist die mittlere Ortszeit in Greenwich bereits 5 Uhr 8 Min. 12,1 Sek. morgens. Die nachstehende Tabelle gibt den Längenunterschied der hauptsächlichsten Orte der Erde gegen Greenwich, also den Unterschied der betreffenden Ortszeiten gegen die mittlere Greenwicher Zeit. Für die Orte im Gebiet der mitteleuropäischen Zeit s. Ortszeit.

Tabelle

[167] Nachdem in den meisten Ländern an Stelle der mittlern Ortszeit eine Einheitszeit (s. d.) als bürgerliche Zeit eingeführt ist, ist an Stelle der durch den Längenunterschied bedingten Differenz der Ortszeiten der Unterschied der Einheitszeiten getreten (vgl. Zeitdifferenz). Man bestimmt den Längenunterschied zweier Orte, indem man entweder ihre Entfernung nach Größe und Richtung ermittelt, wie das zur See aus der Beobachtung von Log und Kompaß mittels der Schiffsrechnung erfolgt, oder zuverlässiger, indem man die Differenz der Ortszeiten bestimmt. Über die verschiedenen Methoden der Ortsbestimmung s. d. Unter L. eines Gestirns versteht man in der Astronomie den Bogen der Ekliptik vom Frühlingspunkt nach O. bis zum Breitenkreis des Gestirns; je nachdem man den Erd- oder den Sonnenmittelpunkt als Mittelpunkt der Himmelskugel betrachtet, spricht man von geozentrischer oder heliozentrischer L.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 167-168.
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