[148] Mineralquellen und Mineralwässer. Unter diesen Namen werden, obgleich alle Fluß- und Quellwasser mineralische und luftförmige Bestandtheile enthalten, doch nur solche Wässer verstanden, die daran reich genug sind, um kräftige arzneiliche Wirkungen hervorzubringen, wenn sie getrunken oder als Bäder angewendet werden. Daher erklären sich denn die Namen Heilquelle und Gesundbrunnen von selbst, sowie warum die blos bergmännisch benutzten Vitriol- und Cementwasser und Soolen nicht mit darunter begriffen sind. Mineralwässer kommen in allen gebirgigen Ländern häufig vor und das südl. und westl. Deutschland ist ebenfalls reich daran, für ärztliche Zwecke werden sie jedoch blos in den civilisirten Ländern und auch da nur die kräftigsten umfänglich benutzt, wie z.B. von den fast 100 bekannten Mineralquellen Böhmens kaum der achte Theil in besonderm Rufe steht. Schon die alten Römer kannten die außerordentlichen Wirkungen, welche Mineralwässer in vielen Fällen als Heilmittel hervorbringen, von denen jedoch vorzugsweise die natürlich warmen nur als Bäder benutzt wurden; die innerliche Anwendung kam erst seit dem 16. Jahrh. auf. Über die Entstehung derselben sind die Meinungen der Naturforscher getheilt, doch scheint die Annahme am natürlichsten zu sein, daß die Bestandtheile, welche sie enthalten, ihnen durch die Beschaffenheit des Bodens zugeführt werden, aus dem sie entspringen. Daß sich dabei die unterirdischen Vorräthe auflöslicher Stoffe nicht erschöpfen, ist bei genauer Betrachtung weniger überraschend, als auf den ersten Blick, indem sie davon doch immer nur geringe Mengen enthalten und z.B. nach einer Berechnung der größten Menge Salze, welche die karlsbader Quellen jährlich zu Tage fördern, diese im trockenen Zustande doch binnen 1000 Jahren nur einen Würfel von noch nicht 400 F. bilden würden, was dem Maßstabe der Natur gegenüber wenig bedeutet. Die heißen Mineralquellen stehen jedenfalls mit unterirdischen, vulkanischen Herden in Verbindung, worauf auch die Veränderungen und auffallenden Erscheinungen hindeuten, welche während oft sehr entfernter Erdbeben und wichtiger vulkanischer Ausbrüche an mehren beobachtet worden sind. Unterschieden werden die Mineralquellen zuvörderst nach ihrer Temperatur in kalte und warme, welche letztere man auch nach dem Lateinischen Thermen nennt; außerdem ordnet man sie aber nach den vorzugsweise darin enthaltenen Bestandtheilen. So heißen diejenigen Säuerlinge, in denen freie Kohlensäure (kohlensaures Gas) der vorherrschende Bestandtheil ist, wie z.B. in den berühmten Quellen von Selters, Geilnau, Fachingen und Bilin; Eisen- oder Stahlwässer enthalten Eisen in großer Menge und haben einen zusammenziehenden, tintenartigen Geschmack; in den Schwefelwässern ist vorzugsweise Schwefelwasserstoffgas enthalten, sie zeichnen sich durch eine schwache, bläuliche Färbung und einen, dem verdorbener Eier ähnlichen Geruch aus und sind theils warm, theils mehr kühl; einen mehr und weniger laugenhaften Geschmack besitzen die meist warmen alkalischen Mineralwässer, in denen kohlensaures Natron, gewöhnlich auch kohlensaures Gas, vorwaltende Bestandtheile sind und zu denen Teplitz, Karlsbad, Gastein, Ems, Schlangenbad und andere gehören; den Bitterwassern gibt Bittersalz oder schwefelsaure Magnesia (s.d.) einen auffallend bittern Geschmack; in den Soolquellen endlich ist hauptsächlich Kochsalz enthalten.
Die außerordentliche Genauigkeit, mit welcher die fortgeschrittene Chemie in neuester Zeit die Zerlegung eines Körpers in seine Bestandtheile vorzunehmen erlaubt, hat auch durch Zusammenmischung der aufgefundenen Bestandtheile unter geeigneten Bedingungen die Darstellung künstlicher Mineralwässer möglich gemacht. Vorzüglich sind es die vom Dr. Struve zuerst in Dresden mit der größten Sorgfalt hervorgebrachten Nachbildungen derselben, an denen die höchste Ähnlichkeit, wo nicht Gleichheit mit den natürlichen Mineralwässern, sowie das sehr ähnliche Verhalten ihrer heilkräftigen Wirkungen allgemeine Anerkennung gefunden hat. Es sind daher von ihm seit 1822 auch in Leipzig, Berlin, Brighton, Warschau, Moskau und andern Orten für die wärmere Jahreszeit Anstalten zur Nachbildung von Mineralwässern für den innern Gebrauch eingerichtet worden, die zahlreich von Denen benutzt werden, welche Kosten, Zeit und Unbequemlichkeiten einer Badereise scheuen. Dazu könnte allerdings auch der Gebrauch der von den Quellen versendeten natürlichen Mineralwässer führen, allein es ist dabei immer zu befürchten, daß die Versendung ungünstig auf ihre Mischungsverhältnisse eingewirkt haben könne, was ganz besonders von den warmen gilt, vor denen die in einer Struve'schen Anstalt selbst zu brauchenden den Vorzug verdienen. Auch wird namentlich von seinen künstlichen Säuerlingen gerühmt, daß sie an kohlensaurem Gas reicher und daher in dieser Hinsicht wenigstens den an den Quellen getrunkenen ähnlicher als die versendeten wären. Übersichtliche Nachrichten von allen Mineralwässern Deutschlands und der Schweiz gibt unter Andern: Hille, »Die Bäder und Gesundbrunnen Deutschlands und der Schweiz« (mit Karten und Plänen, 2 Thle. in Heften, Leipz. 1837 fg.).