Nil

Nil

[294] Nil (der) ist der einzige bedeutende afrik. Strom, welcher sich ins mittelländ. Meer ergießt, dessen Quellen aber noch immer nicht genau bestimmt sind.

Er entsteht zunächst in der Provinz Sennaar in Nubien oberhalb des an seinem Ufer auf einer Halbinsel gelegenen bedeutenden Ortes Halfaia durch die Vereinigung des Bahr el Asrek oder [294] blauen Stromes, welcher östl. unter 11° nördl. Breite in Abyssinien (s.d.) entspringt, und des Bahr el Abiad oder weißen Flusses, welcher von Südwest her aus weiter Ferne und wie man mit den Alten vermuthet, aus den Thälern des Mondgebirges kommen soll. Vereinigt nehmen sie noch von O. her den Takazze oder Atbara auf, den letzten Zufluß, welchen der Nil empfängt. Dieser bricht endlich in mehren Wasserfällen und Stromschnellen durch die Grenzgebirge von Abyssinien und überschreitet bei Syene oder dem jetzigen Assuan, nachdem er zwischen den an alten Ruinen reichen Inseln Philä und Elephantine die letzten Stromschnellen zurückgelegt hat, die Südgrenze von Ägypten. Hier durchströmt er in einer von 3–9000 F. wechselnden Breite das Nilthal, welches an der Südgrenze zu einem engen Granitthore verengt, sich nördl. bis zu 4 M. Breite erweitert und dessen 750 ! M. ohne die regelmäßig wiederkehrenden Überschwemmungen des Nils eine unfruchtbare Wüste sein würden. Fünf Stunden unterhalb Kairo theilt er sich endlich in zwei Hauptarme, von denen der westl. oder Rosettearm der wasserreichste ist und unterhalb Rosette, der östl. oder Damiettearm bei Damiette ins Meer fällt. Beide Mündungen sind in gerader Linie 16 M. von einander entfernt und umschließen das unter dem Namen Nildelta seiner Fruchtbarkeit wegen berühmte, von zahlreichen Kanälen durchschnittene, tiefgelegene Küstenland. Dieses, sowie der von den Überschwemmungen am meisten betroffene Boden des Nilthals ist an manchen Stellen dadurch mit einer 30′ tiefen Lage schwarzer Schlammerde bedeckt worden, welche ein vortreffliches Material zu Backsteinen und Töpferarbeiten abgibt und vom Nilwasser frisch durchdrungen, unglaublich reiche Ernten liefert. Die jährliche Nilüberschwemmung, welche von den im Innern von Afrika vom März bis gegen den Sept. fallenden starken Regen herrührt, beginnt um die Mitte Jun. und erreicht zu Ende Sept. den höchsten Stand, welcher von 16–28 Ellen über den niedrigsten beträgt, der zu Ende Mai eintritt. Da nur diejenigen Ländereien zum Ackerbau benutzt werden können, welche die Überschwemmung mit betrifft, so sind schon seit den ältesten Zeiten zahlreiche Kanäle und Schöpfräder angelegt worden, um das Wasser auch an solche Stellen zu leiten, welche es von selbst nicht berühren würde. Viele jener Kanäle sind von Querdämmen durchschnitten, welche die Verbindung von Ort zu Ort während der Überschwemmung bilden und zugleich das zu schnelle Ablaufen des Wassers von den höhern nach den niedern Gegenden hindern, was mittels Eröffnung von Durchzügen erst dann gestattet wird, wenn die obern genug Feuchtigkeit erhalten haben. Das Zeichen dazu ist die als besonderes Freudenfest jährlich begangene Durchstechung des Dammes, mit welchem der aus dem Nil nach Kairo gehende Kanal jedesmal versperrt wird, sobald das Wasser zu steigen beginnt und die erst erfolgt, wenn es eine bestimmte Höhe erlangt hat. Die vornehmsten Beamten und eine jubelnde Menge wohnen derselben bei und die Öffnung des Dammes findet unter Musik, Feuerwerk und andern Festlichkeiten statt.

Der wichtige Einfluß des Steigens und Fallens des Nils macht dasselbe natürlich zum Gegenstande allgemeiner Theilnahme und es befindet sich deshalb auf der Insel Rodda bei Kairo in einem viereckigen Thurme der Mekias oder Nilmesser, eine in Grade abgetheilte, achteckige Säule, woran während der Uberschwemmung der Wasserstand täglich von einem besondern Beamten beobachtet und dann öffentlich bekannt gemacht wird. Das tägliche Steigen pflegt nicht über vier Zoll zu betragen und hat das Wasser die volle Höhe erreicht, so bedeckt es den Nilmesser. Es hat dann von dem ihm beigemischten vielen Thon eine röthliche Farbe; im Anfang der Nilschwelle sieht es grünlich, für gewöhnlich aber ist es ziemlich klar und wird als Trinkwasser außerordentlich geschätzt, bedarf. aber doch einer künstlichen Abklärung. Von den alten Ägyptern wurde der Nil als Landesgottheit verehrt und als Flußgott von schwarzem Marmor, zur Andeutung seines äthiop. Ursprungs, sowie von 16 Kindern umgeben vorgestellt, weil er so viel Ellen wachsen muß, um Ägypten am wohlthätigsten zu befruchten. Zuweilen werden ihm auch das Nil- oder Flußpferd (s.d.) und das Krokodil (s.d.) zugesellt.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 294-295.
Lizenz:
Faksimiles:
294 | 295
Kategorien: