Pythagoras

[601] Pythagŏras, einer von den berühmtesten griech. Philosophen, war der Sohn eines Kaufmanns und 584 v. Cht. [601] auf der Insel Samos geboren. Als seine Lehrer werden mehre ältere Philosophen angeführt, auch soll er Italien, Gallien, Ägypten, Palästina, Chaldäa und Indien bereist haben und namentlich in das geheime Wissen der ägypt. Priester eingeweiht gewesen sein. In die Heimat zurückgekehrt, soll er dort schon als Lehrer aufgetreten sein, jedoch bald darauf sich nach der griech. Pflanzstadt Kroton an der Südküste von Italien gewendet haben, wo er eine vorzugsweise die italische oder auch Pythagoräische genannte Philosophenschule stiftete. Diese hatte die Form einer geschlossenen Gesellschaft und wird auch Pythagoräischer Bund oder Orden genannt. Außer der gemeinsamen geistigen Ausbildung gehörte auch Beförderung der Sittenreinheit zu den Zwecken desselben; die Mitglieder hatten gewisse Prüfungen zu bestehen, trugen eine besondere Kleidung, welche in weiten, weißen und mit Purpurstreifen verbrämten Gewändern bestand und beobachteten eine strenge Lebensordnung. Außerordentlich muß das Ansehen gewesen sein, welches P. sich erwarb, indem er Jung und Alt mit dem lebhaftesten Eifer für Wissenschaft und Tugend in einem Orte erfüllte, wo wie zu Sybaris große Sittenverderbniß herrschte. Die Männer sollen in Folge seiner Lehren der Schwelgerei entsagt, ihre Buhlerinnen verabschiedet und die Frauen sogar ihre Prunkgewänder und ihren Schmuck im Tempel der Juno als überflüssig niedergelegt haben. P. selbst nahm zum Beweise seiner Achtung vor der Ehe ein Weib von Kroton zur Gattin und hatte mit ihr außer mehren Kindern auch zwei Söhne, Teleanges und Mnesarchus, welche Schüler und Nachfolger von ihm wurden. Da P. aber nicht blos in der Philosophie, sondern auch in der Mathematik (welche seiner Philosophie zur Unterlage diente), in der Naturkunde, Heilkunst und Tonkunst Kenntnisse und Fertigkeiten besessen hat, mittels deren er für seine Zeit außerordentliche Erfolge bewirkte, so wurde er sogar von Manchen für einen Gott gehalten, welcher zum Heil der Menschen vom Himmel gekommen sei. Es werden ihm ferner mehre Erfindungen und Entdeckungen zugeschrieben, wohin in der Geometrie der Pythagoräische Lehrsatz (auch magister matheseos genannt, welcher erweist, daß in einem rechtwinklichen Dreieck das Quadrat der Hypotenuse oder der dem rechten Winkel gegenüberliegenden Seite denen der zwei andern oder der Katheten gleich ist), die Pythagoräische Rechnentafel, welche das Einmaleins in ein Viereck eingeschlossen enthielt und der Pythagoräische Kanon, eine Art Monochord (s.d.) gehören. Schon das Äußere des P., welcher im ägypt. Priestergewande mit langem Bart, ernst und würdevoll von Angesicht dem Volke sich zeigte, nie Fleisch genossen haben soll und sich häufig in kurzen, orakelmäßigen Aussprüchen vernehmen ließ, schien einen außerordentlichen Mann anzukündigen. Die große Achtung, welche er eine Zeit lang genoß, verhinderte aber doch nicht, daß ein reicher und angesehener Bewohner von Kroton, Namens Kylon, welchem seines unruhigen Charakters wegen die Aufnahme in den Bund des P. verweigert worden war, einen Volksaufstand wider denselben anzetteln konnte, bei dem viele von den in einem Hause versammelten Schülern des P. durch Anzünden des Gebäudes und durch die Waffen umkamen. P. selbst soll jedoch entkommen und erst später um 504 v. Chr. zu Metapontum am tarentinischen Meerbusen gestorben sein. Die Krotoniaten errichteten ihm nach seinem Tode Bildsäulen und verwandelten sein Haus in einen Tempel der Ceres. Ob er Schriften hinterlassen hat, ist ungewiß und was sich unter seinem Namen erhielt, rührt gewiß aus späterer Zeit her, wie alle Nachrichten über seine Lehre, von der wir daher eigentlich nichts Zuverlässiges wissen. Die gewaltsame Zersprengung des Pythagoräischen Bundes hatte übrigens keineswegs das Aufhören der Schule selbst zur Folge, welche auch nachher in und außer Unter, italien ihre Anhänger (s. Pythagoräer) besaß.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 601-602.
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