[418] Thiers (Adolphe), gegenwärtig Präsident des franz. Ministeriums und Minister des Auswärtigen, wurde um 1798 zu Aix in der Provence von Ältern niedern Standes geboren, widmete sich dem Studium der Rechtswissenschaft und zeichnete sich zuerst dadurch aus, daß er bei der Akademie seiner Vaterstadt einen Preis gewann. Hierauf begab er sich nach Paris, ward mit den bedeutendsten Männern der liberalen Partei bekannt und arbeitete im Sinne derselben bei der Redaction der Zeitschrift»Constitutionnel« mit. Als Schriftsteller zeichnete er sich durch seine »Geschichte der Revolution Frankreichs« aus, welche 1823–27 zu Paris in 10 Bdn. erschien. Deutsche Übersetzungen dieses Werkes sind von Mohl (6 Bde., Tüb. 1825–28) und F. Philippi (Lpz. 1836 ff.) herausgegeben worden. Zur Herbeiführung einer neuen Ordnung der Dinge in Frankreich, zum Sturz der Bourbons wirkte T. kräftig als Journalist, indem er 1829 vom »Constitutionnel« zurücktrat und die revolutionnaire Zeitschrift »National« gründete. Durch die Juliusrevolution wurde T. Mitglied der Regierung, von welcher die liberale Partei die Erfüllung ihrer Wünsche und Foderungen hoffte. T. nennt sich selbst daher den »Sohn der Revolution« und gibt sich die Miene, als sei die Verwirklichung der Ideen, welche die Revolution von 1830 hervorriefen, die höchste Aufgabe und der einzige Zweck seines Strebens. T. wurde in den Staatsrath aufgenommen, bekleidete, als Laffitte Ministerpräsident war, das Amt eines Unterstaatssecretairs im Finanzministerium, war unter dem Ministerium Périer Deputirter und wurde 1832 Minister des Innern. Im J. 1836 wurde er endlich zum ersten Mal Minister des Auswärtigen und Präsident des Conseils. Seit T. in das Ministerium aufgenommen worden war, hatte er in doppelter Beziehung eine schwierige Stellung. Wenn man ihn einerseits als Vertheidiger liberaler, unter den bestehenden Verhältnissen zum Theil unpraktischer Ideen ansah, so stellte man andererseits, von Seiten der liberalen Partei, Foderungen an ihn, denen er, eben der von ihm als Staatsmann zu würdigenden obwaltenden Verhältnisse wegen, nicht genügen konnte. So hatte er gleich bei der Übernahme der Präsidentschaft von der liberalen Partei harte Angriffe auszuhalten. T. erklärte indeß offen, daß er im Sinne der Juliusrevolution handeln wolle, und that dies auch, soweit es ihm durch die Verhältnisse nach außen und gegen den König vergönnt war. Einige kräftige Maßregeln charakterisirten seine auswärtige Politik und es gelang ihm, in der Deputirtenkammer eine feste Majorität zu erlangen. Ein Misverständniß mit dem Könige machte indeß diesem Ministerium ein schnelles Ende. T wollte nämlich der liberalen Partei in Spanien kräftig zu Hülfe kommen und gewann den König, indem er ihn glauben machte, daß dieses ohne Aufsehen und ohne daß das Einverständniß mit andern europ. Mächten gestört würde, geschehen könne. Die Fremdenlegion sollte einem neuen Befehlshaber untergeben, ansehnlich verstärkt und der liberalen Partei in Spanien zu Hülfe geschickt werden. Eine Unvorsichtigkeit oder ein voreiliges Handeln des Ministeriums ohne des Königs Genehmigung hatte zur Folge, daß dieses Vorhaben auf eine Art publicirt wurde, welche keine Zweifel über die Absicht ließ, in Spanien mit bewaffneter Macht zu interveniren. Der König, durch die Rücksichten auf das Ausland bestimmt, von welchem er den Frieden Frankreichs und seine eigne Sicherheit abhängig glaubte, sah sich bewogen, alle gethane Schritte rückgängig zu machen und das Verfahren seiner Minister zu misbilligen, worauf diese nach einer nur halbjährigen Verwaltung ihre Ämter niederlegten. T. unternahm nun eine Reise nach Italien und Deutschland und zog sich von den Geschäften zurück, bis er im März 1840 wieder zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten und zum Conseilspräsidenten berufen wurde. Diese Berufung wurde als ein Triumph der liberalen Partei betrachtet, in deren Sinne er auch zu wirken versprach. Die ungemeine Schwierigkeit der gegenwärtigen Verhältnisse hat ihm indeß eine große Menge von Gegnern erweckt, welche ihn auf jede Weise zu verdächtigen suchen. Selbst seine Privatverhältnisse, seit er sich mit der Tochter des Bankier Fould vermählte, hat man zu verdächtigen gesucht. Auch seine erbittertsten Gegner müssen ihm den Ruhm außerordentlicher diplomatischer Gewandtheit zuerkennen.