[726] Wilhelm I., Graf von Nassau, Prinz von Oranien, der Begründer der Freiheit der Niederlande, war der erstgeborene Sohn Graf Wilhelm des Ältern von Nassau und der Gräfin Juliane von Stolberg und 1533 auf dem Schlosse Dillenburg in der Grafschaft Nassau geboren. Er wurde in der katholischen Kirche von Maria von Ungarn, der Schwester Kaiser Karl V., erzogen, an dessen Hof er neun Jahre als Kammerjunker lebte, und war seiner Klugheit und Bescheidenheit wegen so geschätzt von ihm, daß er häufig dessen Ansicht in wichtigen Dingen zu wissen verlangte und ihm im 22. Jahre anstatt des abwesenden Herzogs Philibert von Savoyen den Oberbefehl in den Niederlanden anvertraute. Bei Philipp II. war jedoch des Prinzen Treue verdächtigt und da er mit für die Entfernung des gewaltthätigen Cardinal Granvella und gegen Einführung der Inquisition war, betrachtete er W. als eine Hauptursache des Widerstandes der Niederlande gegen seine Maßregeln. Bevor nach Granvella's Abgange Alba mit span. und ital. Truppen anlangte, wollte W. seine Statthalterstelle in Seeland, Utrecht und Holland, die er als Erbe seines Vetters Renatus von Oranien besaß, in die Hände der Statthalterin Margaretha von Parma niederlegen, die jedoch nicht darauf einging, und als Philipp II. die an ihn gerichteten Vorstellungen wegen Religionsduldung und gegen Einführung der Inquisition und Anstellung neuer Bischöfe verwarf, berieth er sich mit Egmont, Hoorn u. A. über die Mittel, das Einrücken span. Truppen und das drohende Unglück abzuwenden, und begab sich mit seiner ganzen Familie bei Alba's Annäherung nach Dillenburg, da er von Philipp II. Gnade, auf welche namentlich Egmont baute, nichts erwartete. Nur sein ältester, in Löwen studirender Sohn blieb zurück und wurde später von Alba als Geisel nach Spanien geschickt, da W. sich auf erfolgte Ladung nicht stellte und deshalb mit Andern als Beleidiger der Majestät des Königs geächtet und ihre Güter in Beschlag genommen wurden. W. bekannte sich nun öffentlich zur protestantischen Religion, warb Truppen und trat mit seinen Brüdern als offener Feind gegen Alba auf, konnte aber nichts Entscheidendes gegen ihn ausrichten und die Niederländer auch zu keinem allgemeinen Aufstande bewegen. Wegen unzureichender Geldmittel mußte er sein Fürstenthum Oranien [726] verpfänden, um nur den rückständigen Sold seiner Truppen bezahlen zu können, und ging nun mit 1200 Reitern nach Frankreich, wo er mit Auszeichnung am Kriege gegen die katholische Partei der Guisen Theil nahm. Auf Coligny's Rath fing W. an, 1571 an der Spitze der Meergeusen (s. Niederlande) die Spanier zu Wasser zu bekämpfen und 1574 übertrugen ihm die Stände von Holland im Namen Philipp II. die Ausübung der Souverainetät und Oberherrschaft für die Zeit des Krieges mit den span. Truppen, welches Beispiel andere Provinzen nachahmten. Auch die südl. Provinzen riefen 1577 den Prinzen gegen die fremden Truppen zu Hülfe und man trug ihm die Statthalterwürde an, die er jedoch aus klugen Rücksichten dem Erzherzog Matthias von Östreich zuerkennen ließ. Durch Stiftung der Union von Utrecht (1579) legte W. den Grund zur nachherigen Republik der Vereinigten Niederlande und 1582 ward auf seinen Vorschlag der Herzog von Anjou in Brabant zum Herzog ausgerufen, zog sich aber schon 1583 wieder zurück, weil er nicht vertragsmäßig regieren, sondern unumschränkt herrschen wollte. Philipp II. hatten die Staaten 1581 der Regierung, als einen Tyrannen, verlustig erklärt, indem derselbe W. »als einen Ketzer und Maulchristen, einen andern Kain und Judas, Kirchenräuber, Eidbrüchigen, Anstifter der niederländ. Unruhen und als eine rechte Pest der Gesellschaft« vogelfrei gemacht und einen Preis von 250,000 Thlr. auf seinen Kopf gesetzt hatte, wozu noch kam, daß Jeder, der ihn lebendig oder todt in die Gewalt der Spanier liefern werde, Verzeihung für alle seine Verbrechen und den Adelstand für sich und seine Nachkommen erhalten sollte. Die Stände umgaben deshalb W. mit einer Leibwache, dessenungeachtet aber unternahmen 1582 Johann Jaureguy, sodann Nicolaus Salzedo Mordversuche gegen ihn und am 10. Jul. 1584 wurde er von einem Zöglinge der Jesuiten, Namens Balthasar Gerard, zu Delft erschossen, indem er von der Tafel aufstand. Der Meuchler hatte sich unter dem Angeben, er habe der reformirten Religion wegen aus Besançon flüchten müssen, bei dem Prinzen eingeführt und durch heuchlerische Frömmigkeit dessen Zutrauen erworben. W. verschied mit dem Ausrufe: »Mein Gott, erbarme dich meiner und deines armen Volks!«; der nur 22jährige Mörder aber bekannte, daß ihn ein Franziskaner von Tournai und ein Jesuit von Trier zu seiner That durch das Versprechen bewogen hätten, er verdiene sich damit die ewige Seligkeit. Dann habe er sich dem Herzog von Parma entdeckt, von welchem er an den Staatsrath d'Assonville zur Verabredung des Weitern gewiesen worden sei; auch erlitt er die Todesstrafe in fanatischer Verstocktheit. W.'s kluge Zurückhaltung in Worten hatte ihm den Beinamen des Schweigsamen erworben, daher auch der Cardinal Granvella, als er in Rom von der 1568 erfolgten Verhaftung der Grafen Egmont, Hoorn und anderer Edelleute hörte, äußerte: ob Alba denn auch die Verschwiegenheit gefangen habe; »wenn ihm der Fisch entgangen sei, tauge die ganze Fischerei nichts«. W. war wohlgebildet, von bräunlicher Gesichtsfarbe und hatte braunes Haar; sein Benehmen gegen das Volk war ganz geeignet, ihm Aller Herzen zu gewinnen, und in seinem Hause bewährte sich sein edler, großmüthiger Charakter nicht minder, wie im öffentlichen Leben. Er war vier Mal vermählt, 1) mit Anna von Büren, 2) mit Anna, Tochter des Kurfürsten Moritz von Sachsen, 3) mit Karoline von Montpensier, 4) mit Ludovica, Tochter des Admirals von Coligny. Ein Sohn von Anna von Sachsen, Moritz, starb 1625, ein anderer von Ludovica, Friedrich Heinrich, im J. 1647 als Statthalter. Von seinen vier Brüdern fochten und starben Ludwig (1565), Adolf (1578) und Heinrich (1575) unter ihm für die niederländ. Freiheit. (Vgl. Niederlande.)