[735] Winckelmann (Joh. Joachim), der berühmte Vorzeichner der Grundlinien aller neuern Forschungen über die Kunst des Alterthums und die Auffassung und Auslegung ihrer Denkmale, sowie der gesammten Alterthumswissenschaft der Neuern, ein ebenso geschmackvoller Kunstkenner wie mit Sprach- und andern Kenntnissen ausgerüsteter Gelehrter, war der Sohn eines armen Schuhmachers und wurde 1717 in Stendal in der Altmark geboren. Des frühzeitig von Eifer für die Wissenschaften ergriffenen Knaben nahm sich am Gymnasium seiner Vaterstadt der Rector besonders an, nach dessen Erblinden W. dafür sein Führer wurde. Auf dem kölnischen Gymnasium in Berlin erhielt er die Vorbildung für die Universität und ging 1738 nach Halle, um Theologie zu studiren, wendete sich aber bald ausschließlich der classischen alten Literatur und den schönen Wissenschaften zu, war 1741 eine kurze Zeit Hauslehrer, wollte dann in Jena Medicin studiren, nahm aber wieder eine Hauslehrerstelle an und wurde 1743 Conrector zu Seehausen in der Altmark. Dies war eine so armselige Stelle, daß W. sich sehr verbesserte, als er 1748 mit 80 Thlr. Gehalt als Secretair an des Grafen von Bünau Bibliothek zu Nöthenitz bei Dresden ankommen konnte. Die Kunstschätze [735] und Bekanntschaften mit Künstlern des nahen Dresden gaben ihm hier die Richtung, welcher er für sein übriges Leben treu blieb und der dort residirende päpstliche Nuntius Archinto machte dem nach Italien, der Heimat der Künste sich sehnenden W. so gewisse Hoffnungen auf eine passende Anstellung dort, daß er 1754 die Vorbedingung dazu durch Übertritt zur röm. Kirche erfüllte und seine Stelle beim Grafen Bünau verließ, um in Dresden ausschließlich dem Studium der Kunst obzuliegen. Allein erst der Beifall, welchen seine Schrift über die Nachahmung der griech. Kunstwerke fand, verschaffte ihm in einem vom Kurfürsten von Sachsen ihm auf zwei Jahre verliehenen Jahrgelde von 200 Thlr. die Mittel, nach Rom zu kommen (1755), wo ihm der nunmehrige Cardinal Archinto freie Wohnung gab und mehre vornehme Kunstfreunde, sowie der berühmte Maler Rafael Mengs und Andere seine Gönner und Freunde wurden. Der wiederholte Besuch Neapels und dessen merkwürdiger Umgebung, sein Verweilen in Florenz und überhaupt die vertraute Bekanntschaft mit Italiens damals bekannten Alterthümern und Kunstdenkmalen reisten im Verein mit seinen Studien die Ideen und Ansichten, welche W. endlich in seiner »Geschichte der Kunst des Alterthums« (2 Bde., Dres. d. 1764, 4.) verarbeitete, einem Werke von unvergänglichem Verdienst. Vorläufer desselben waren seine »Anmerkungen über die Baukunst der Alten« (Dres. d. 1760, 4.), eine Ergänzung die »Anmerkungen über die Geschichte der Kunst des Alterthums« (Dres. d. 1767, 4.). Außerdem gab er mehre kleine Schriften, z.B. »Über die Empfindung des Schönen«, »Nachrichten von den neuesten herculanischen Entdeckungen«, »Monumenti inediti«, eine Auswahl noch nicht durch Abbildungen bekannter Alterthümer mit Erklärungen heraus und führte einen starken Briefwechsel. Nach dem Tode des Cardinals Archinto war er Bibliothekar und Aufseher der Alterthümer des Cardinals Albani, 1763 Oberaufseher aller Alterthümer in und um Rom geworden und entschlossen, für immer dort zu bleiben. Indessen wollte er 1768 Deutschland noch einmal besuchen, ward aber in Regensburg schon von solcher Sehnsucht nach Italien ergriffen, daß es seinem Begleiter, dem Bildhauer Cavaceppi, nur mit großer Mühe gelang, ihn noch bis nach Wien zu bringen, wo W. von Maria Theresia sehr ausgezeichnet wurde. Nach dreiwöchentlichem Verweilen trat er die Rückreise nach Rom über Triest an, wo er den Abgang eines Schiffs nach Ancona erwartete. Ein Italiener, Namens Francesco Arcangeli, ein kürzlich in Wien zum Tode verurtheilter, aber begnadigter und des Landes verwiesener Bösewicht, hatte sich hier durch Dienstbeflissenheit und vorgegebene Kunstliebhaberei W.'s Zutrauen erschlichen, sodaß dieser ihm die goldenen Medaillen und Kostbarkeiten hatte sehen lassen, welche er bei sich führte. Am 8. Jun. kam derselbe zu W., um von ihm Abschied zu nehmen, wünschte aber vorher noch einmal dessen goldene Medaillen zu sehen. Indem W. hierauf seinen Koffer öffnete, warf ihm Jener von hinten eine Schlinge um den Hals und da es nicht gelang, W. zu erdrosseln, versetzte er ihm fünf Stiche in den Unterleib und entsprang, ohne etwas rauben zu können. W. starb am nämlichen Tage, nachdem er den Cardinal Albani zu seinem Universalerben eingesetzt hatte, und seit 1820 bezeichnet ein Denkmal seine Grabstätte. Der Mörder ward ergriffen und in Triest hingerichtet. Außer mehren Sammlungen von Briefen W.'s ist auch eine Ausgabe seiner Werke (8 Bde., Dres. d. 1808–20) erschienen.