Perlen

[153] Perlen. Des schönen Weibes schönster Schmuck, den es bereits in grauer Vorzeit um seinen Nacken wand und wohl niemals aufhören wird zu lieben; aber von der Glaskoralle, womit sich die Eitelkeit der Negerin begnügt, bis zur unschätzbaren, ächten Perle, die in kultivirten Ländern Fürstinnen durch milden Glanz erfreut, welch' unendlicher Abstand! – Die Industrie hat sich nicht wenig bemüht, den weiten Raum, der beide trennt, mit Erzeugnissen von allen Farben und Formen, die sie Perlen heißt, auszufüllen, und alle Naturreiche sind von ihr zu diesem Zwecke ausgebeutet worden. Wer kennt nicht außer den zahllosen Variationen der Glasperlen noch die Purpur-, Bernstein-, Achat- und Steinkohlkoralle, die Atlasperlen, die Thomaskörner, die indianischen Früchte mit ihrer Granatblüthsarbe, die böhmischen Granaten selbst, die wohlriechenden Pasten-Perlen, die Rosenkügelchen und unter den zuerstgenannten vorzüglich die niedlichsten von Allen, die weißen, schottischen Wachsperlen. Allein wie hübsch und theuer auch viele von ihnen sein mögen, sie werden sämmtlich an sanftem Glanze von des Meeres edler Perle übertroffen. Wenn im Morgenlande[153] die Sultane mit Diamanten bedeckt erscheint, wiegt sich doch nur eine einzige große Perle als herrlichste Zierrath an den Juwelenschnüren, die auf ihren Busen fallen. Das alte üppige Rom fand für die Statue der Liebesgöttin keinen würdigeren Schmuck, als Cleopatra's berühmte Perle (siehe Ohrringe). Zu Sulla's Zeiten sah man dort die ersten Perlen, welche bald noch beliebter als die farbigen Edelsteine wurden, doch blieben sie noch immer so selten und kostbar, daß man es dem Kaiser Diocletian und später dem Constantin, als unmäßige Prachtliebe auslegte, daß sie Kleidungsstücke damit besetzen ließen. Im Mittelalter standen die Perlen in hoher Gunst. Man pflegte viel mit ihnen zu sticken und die Meßgewänder der Geistlichkeit, wie die Prunkwamse der Fürsten und Fürstinnen starrten davon. Allmälig verschwand dieser Gebrauch, weil die Perlen leicht absterben, d. h. vergelben, und ihren Glanz verlieren. Ob es gegründet ist, daß sie Krankheiten ihrer früheren Besitzer vererben, kann nicht erwiesen werden, doch sollen sie selbst eine Krankheit der Seemuscheln, in welchen sie vorzugsweise entstehen, sein. Jeder zufällig in dieselben eingedrungene Körper nämlich reizt das Thierchen zur Schleimabsonderung, womit er in Kurzem überzogen und zur Perle verwandelt wird, doch formen sich auch ohne solche äußere Ursachen Perlen in der eigentlichen Perlemuttermuschel (mytilus margaritifer). Diese Conchylienart findet sich nur in den wärmeren Meeren unseres Erdballs und bildet daselbst, durch familienweises Beisammensitzen, Bänke, wie die Austern, von denen auch einige Arten Perlen enthalten. Die Insel Bareihm im persischen Meerbusen, die Küsten Japan's und die Umgebungen Ceylon's sind vorzüglich berühmt durch solche Perlenbänke, und man zieht die daselbst gewonnenen jenen aus den westindischen Meeren, wo sie besonders um Panama gefischt werden, vor, weil Letztere matter an Farbe und Glanz sind. Die Perlenfischerei selbst gehört zu den gefährlichsten Arbeiten, welche die Gewinnsucht Armen und Sclaven auferlegt. Es finden sich[154] nämlich an einem obrigkeitlich dazu bestimmten Tage alle diejenigen mit ihren Booten ein, welche das Recht diesen Fang zu unternehmen, erkauften. Auf ein durch Kanonenschüsse gegebenes Signal segeln alle zugleich ab und halten dann über den Perlenbänken. Jedes Boot trägt Taucher, welchen ein Stein an die Füße und ein lederner Beutel um den Hals gebunden wird. Letzterer dient zur Aufnahme der Muscheln, die sie mit einem scharfen Messer vom Felsen lösen; Ersterer macht, daß sie schneller zur Tiefe gelangen. Blitzschnell gleiten sie an einem um ihren Leib befestigten Seile in's Meer, wo sie das Glück größere oder kleinere Beute sammeln läßt. Sieht der Taucher einen Haifisch kommen, oder fehlt ihm der Athem, so knüpft er den Stein los und schüttelt das Seil, worauf er rasch emporgezogen wird und ein Anderer statt seiner hinabsteigt. Trotz dem, daß man diesen Leuten gegen das Eindringen des Wassers Ohren und Nase mit Baumwolle verstopft, so geschieht es doch oft, daß ihnen beim Erscheinen auf der Oberfläche der See durch die große Anstrengung, den Athem zurückzuhalten, das Blut aus Mund und Nase kommt: auch sterben sie gewöhnlich bald, selbst wenn keine bei ihrem Handwerke so häufigen Unglücksfälle sie ereilen. Die so mühselig errungenen Muscheln werden hierauf in Gruben gethan und den Sonnenstrahlen ausgesetzt, worauf sie bald faulen und sich dann von selbst öffnen, um ihren köstlichen Inhalt zu spenden. Je kranker das Muschelthierchen gewesen ist, je mehr Perlen (höchstens 12) hat es hervorgebracht, und ziemlich nahe liegt hier der öfters gemachte Vergleich, daß auch nur im Herzen der guten Leidenden unter den Menschen die noch weit köstlicheren Perlen des Mitgefühls, der Frömmigkeit u. s. w. in Fülle anzutreffen sind. Bisweilen besteht der ganze Körper des Mytilus aus Perlenmasse, und wer dergleichen sonderbare Difformitäten zu sehen wünscht, der besuche das grüne Gewölbe in Dresden, wo viele solche zu Figuren verwandte Monstre-Perlen aufbewahrt werden. Da nächst der vollkommenen runden Form, [155] dem Glanze und der fast durchsichtigen Reinheit der Werth der Perlen von ihrer Größe abhängt, so sortirt man sie auf das Genaueste. Man wirft sie zu diesem Endzweck in eine Vorrichtung, die wie neun in einander gesteckte Siebe aussieht. Jedes derselben hat einen größer oder kleiner durchlöcherten Boden und nimmt daher beim Umrütteln die Perlen auf, die für die nächste Passage zu groß sind; die Staub- und Lothperlen fallen in die untersten Räume. Letztere verkauft man nach dem Gewicht, daher der Name, die größeren heißen Zahlperlen, weil man sie im Handel zuzählt. Unter ihnen gibt es, doch äußerst selten, einige von der Größe einer welschen Nuß. Eher, wiewohl noch immer sehr theuer, zu erhalten sind die Kirschperlen. Die birnförmigen werden zu Ohrgehängen gesucht und Rußland's große Katharina erkaufte zwei derselben, welche die Schatzkammer ihres Reiches aufbewahrt, die schönsten in Europa. Die berühmte peregrina ist oval. Sie kam in den Besitz Philipp's II. von Spanien, soll die Größe eines Taubeneies haben und 80,000 Ducaten werth sein. Zwiebelförmige, Baroque- oder Monstre-Perlen liebt man jetzt nur noch im Morgenlande, wo auch der Geschmack, rücksichtlich ihrer Färbung, von dem unsrigen verschieden erscheint. Die Indier und Araber ziehen Perlen von gelbem Wasser den in Europa so hoch geschätzten blendend weißen vor. Außerdem gibt es noch schwarze und bleifarbige, vorzüglich unter den amerikanischen. Böhmen's und des sächsischen Voigtland's Flüßchen, dort die Moldau und Watawa, hier die Elster mit den ihr zuströmenden Mühlgräben und Bächen, nähren ebenfalls eine Muschelart (Unio margaritifera), welche Perlen enthält, die oft von Nichtkennern für orientalische gehalten und von eigends dazu Angestellten aufgesucht werden. In Sachsen geschieht dieß auf landesherrliche Rechnung, in Böhmen auf die der Eigenthümer des Flußgebietes. Das schon genannte grüne Gewölbe in Dresden enthält einen prächtigen Kamin aus seltenen sächsischen Gesteinen, dessen Simse und sonstige Verzierungen reich mit solch'[156] voigtländischen Perlen von der Größe eines bedeutenden Kirschkerns verziert sind. Die Perlenfischerei in der Elster wird seit 1621 planmäßig betrieben und die Unio förmlich darin gehegt. Schweden's großer Naturforscher Linné soll ein künstliches Hervorbringen der Perlen erfunden und das Geheimniß (man sagt eigenmächtiges Einbringen von Thonkugeln u. dergl. in die Muscheln, damit ihr Schleim sie überziehe und in Perlen verwandle) im Reichsarchive niedergelegt haben, doch muß diese Entdeckung wohl schwer ausführbar sein, weil man sie nicht mehr anwendet. Den aus Muscheln gewonnenen Perlen am ähnlichsten sind die schottischen, theils mit Wachs, theils mit orientalischer Perlenessenz gefüllten Glasperlen. Flüchtiges Ammonium, mit den feinsten Schuppen des Ukelei gemischt, bildet diese köstliche Flüssigkeit, welche so täuschend das Wasser der ächten Perle nachahmt und klar bleibt, während das Wachs verglebt. Daß die Schalen der Perlenmuscheln zu Kunstarbeiten benutzte Perlemutter bieten, ist bekannt, weniger, daß mit dieser in den Palästen morgenländischer Großen kolossale Schriftzüge, namentlich über den Thüren, ausgelegt werden. Es gibt außer der weißen, buntschillernden Perlemutter auch noch grüne und schwarze, und die niedlichen Arbeiten davon in Wien sind berühmt.

F.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 8. [o.O.] 1837, S. 153-157.
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