Perlen [1]

[834] Perlen, meist blaulichweißliche Kügelchen, welche sich in u. an den Schalen mehrer Muscheln finden. Die P. kommen in mehrern Muscheln aus den Gattungen Mytilus u. Mya, bes. aber in der Seeperlmuschel (Mytilus margaritiferus) u. in der Flußperlmuschel (Mya margaritifera), theils an der inneren Seite der Schalen (Perlmutter) gegen den äußeren Rand hin angewachsen, theils freiliegend vor. Die P. sind dünnschichtige Anhäufungen desselben Stoffes, woraus die Schichten der Perlmutter bestehen; sie bestehen aus phosphorsauerem u. kohlensauerem Kalk mit dazwischen eingelegten Membranen, doch liegen bei den P. die Theilchen in concentrischen Hüllen od. Schalen übereinander. Diese Anhäufungen aber sind veranlaßt durch Eier, welche dem Thiere entfallen sind, od. durch kleine Sandkörner, welche in den Mantel gekommen sind. Zur vollkommenen Ausbildung der P. bedarf es 7 Jahre. Die P. haben verschiedene Formen, am geschätztesten sind die ovalen (Perlenbirnen), dann die runden (Perlenaugen). Die Farbe der P. ist weißgraulich, doch auch rosenfarben, gelb od. bräunlich, schwärzlich, selten ganz schwarz. In Ceylon sind die rosenfarbenen, im Orient die schwach gelblichen, in Europa die weißgrauen am geschätztesten. Man verlangt von einer Perle, daß sie einen besonderen Glanz (Wasser) habe, u. bezahlt sie hiernach theurer. Bes. wird bei dem Preis auf die Regelmäßigkeit der Gestalt u. auf die Größe gesehen; auf der Londoner Industrieausstellung 1851 war eine Perle von 1800 Grän Gewicht bei 11/2 Zoll Länge u. 1 Zoll Durchmesser. Die größten u. schönsten heißen Parangenperlen; bes. große, gleiche u. runde P. heißen Stück-, Nett- od. Zahlperlen; die von der Größe einer Kirsche Kirschperlen; die unregelmäßigen, aber noch großen, Brocken-, Kropf- od. Beulperlen, welche die Künstler oft benutzen, um aus ihnen mit Gold od. Emaille kleine Figuren od. ähnliche Kunstwerke zu bilden; die kleineren, Loth od. Saatperlen od. Perlenstaub (Perlensamen). Zum Sortiren u. zugleich zum Messen der Größe der Perlen benutzt man ein mit Löchern verschiedener Größe versehenes Perlensieb od. Perlenmaß. Wenn sie angereiht werden sollen, so werden sie mit einem kleinen Drillbohrer (Perlenbohrer) durchbohrt u. die kleinsten mit der Perlennadel, einer Nadel von seinem zusammengedrehten Silberdraht, an Fäden gereihet. Die P. werden wie die Edelsteine nach Karats (Perlengewicht) verkauft u. ein fester Preis für jeden Karat bestimmt. Man multiplicirt die Summe der Karate durch sich selbst, das Product wieder mit der für einen Karat bestimmten Summe u. erhält so den Preis der P. Der Preis ist in Europa sehr schwankend, da die P. der Mode unterworfen sind. Die P. verlieren ihre Schönheit u. ihren Glanz mit der Zeit u. halten sich selten über ein Jahrhundert. Man unterscheidet occidentalische (europäische) u. orientalische P. Die occidentalischen P. werden in ganz Europa, bes. in dem nordöstlichen, in den Flußperlenmuscheln gefunden, bes. in den Flüssen Ostbothniens, in der Ils bei Passau in Baiern, in der Moldau u. Wotowa in Böhmen, in der Weißen Elster in Sachsen etc. Ob auch die in Nordafrika in Seen (u. die früher an den schottischen Küsten) gewonnenen P. aus einer Mya kommen, ist ungewiß, gewiß aber, daß die in Amerika gewonnenen aus einer Mytilusart kommen. Meist sind die occidentalischen P. minder schön u. glänzend, daher weniger geachtet als die orientalischen. Die Perlenmuscheln liegen in besonderen Perlenbänken beisammen, oft 4–6 Meilen von der Küste; die bekanntesten u. besuchtesten sind bei Japan, Java, Sumatra, an der Westküste von Ceylon, bei der Insel Bahrein im Persischen Meerbusen, auch in Massoria in Abyssinien. Unter fünf Muscheln enthält in der Regel nur eine P. Die P. werden von den Perlenfischern aus dem Meere gefischt. Diese Fischer sind Taucher, welche sich nackt an einem, um den Leib geschlungenen Seile an den Perlenbänken in die Tiefe lassen, an den Füßen hängt ein großer Stein, daß sie desto schneller hinabkommen; Nasenlöcher u. Ohren sind mit Baumwolle verstopft, am Arm ist ein ölgetränkter Schwamm, an welchem sie Athem holen. Mit einem Messer brechen sie die Muscheln von dem Felsen u. sammeln dieselben in ein Gesäß. Wenn das Gefäß voll ist, od. wenn der Taucher nicht mehr in dem Wasser ausdauern kann, löst er den Stein an den Füßen, gibt ein Zeichen an dem Seile u. wird aufgezogen.

Die P. waren seit frühester Zeit, bes. im Orient, ein beliebter Schmuck. Ob die Paninim im A. T. wirklich P. waren, wird noch sehr bezweifelt u. diese mehr für Korallen gehalten, nur das Dar im Buch Esther wird allgemein für Perle genommen. Aus dem Orient kamen sie in den Occident u. hießen hier Margaritae. Sie dienten in Verbindung mit Edelsteinen zum Körperschmuck, namentlich zu Ohrgehängen, auch Siegern im Wagenrennen gab man sie. Ihre Köstlichkeit hing ab von Größe (man hatte deren bis zur Größe eines Taubeneies), Gewicht, Glätte, Glanz, Farbe (im Orient waren die gelblichen, in Europa die milchweißen beliebter) u. Form (bes. die kugeligen galten als kostbar). Berühmt im Alterthum ist die, auf 1/2 Million Thaler geschätzte Perle, welche die Königin Kleopatra von Ägypten bei einem zu Ehren des Octavianus gegebenen Gastmahle in Essig auflöste u. dies auf die Gesundheit ihres Gastes trank. Ähnliches wird auch von römischen Schwelgern erzählt, namentlich von einem Sohn des Schauspielers Äsopus. Lange behielten die P. ihren Werth, bis sie in neuerer Zeit minder gesucht wurden als früher. Die größte in Europa bekannte P. wiegt 126 Karat; sie wurde[834] von einem Bürger aus Calais 1620 aus Indien gebracht u. dem König von Spanien geschenkt. P. wurden ehemals auch als Medicin gebraucht; man benügte sich jedoch nur die klemen u. eckigen zu nehmen u. pulverisirte sie. Ihre Wirkung ist keine andere als die jeder Kalkerde; vgl. Perlmutter. Vgl. Eberhardt, Über den Ursprung der P., Halle 1757; Hauff, Margaritologie, Münch. 1796.

Unechte od. Künstliche P. (Wachs-, Fisch-, Bourguignonperlen) entstehen, indem man aus einem etwas bläulichen Glase geblasene, an zwei gegenüberliegenden Stellen durchbohrte Hohlkugeln innerlich mit Perlenessenz (Essence d'orient) überzieht. Diese Perlenessenz gewinnt man von den Schuppen der Weißfische (Cyprinus alburnus), indem man diese Schuppen in einem großen Gesäße mit Wasser anrührt, reibt u. schüttelt, endlich die silberglänzende, schleimige Materie (das Silber) dav on trennt u. mit Ammoniak versetzt. Mit Hausenblase gemischt bringt man die Essenz in die hohlen Glaskugeln, schwenkt sie darin tüchtig um u. gießt sie endlich aus; der größeren Haltbarkeit u. Dauerhaftigkeit wegen füllt man endlich die P. ganz od. theilweise mit Wachs aus. Solche P. werden bes. in Paris (weshalb sie auch Französische P. od. Franzperlen heißen), Wien u. Presburg fabricirt. Den echten minder täuschend ähnliche P. erhält man, wenn man die hohlen Glaskugeln anstatt mit Perlenessenz mit weißem od. gefärbtem Wachs ausfüllt. Solche P. werden von den niederen Volksklassen in Europa, ganz bes. aber von uncultivirten Völkern Afrikas, Amerikas u. Westindiens, als Schmuck getragen; man fertigt sie bes. in Böhmen, Baiern, Venedig etc. Auch werden künstliche P. von Perlmutter u. anderen Muschelschalen gemacht. Die Markasit- od. Spiegelperlen. sind im Inneren mit einer spiegelnden leichtflüssigen Metallmischung ausgefüllt. Die Römischen P. bestehen aus Alabaster u. werden zuerst in Wachs, dann einige Male in Perlenessenz getaucht; ihr schönes Ansehen verliert sich beim Tragen. Venetianische P. sind massive Glasperlen, vgl. Glas II. D). Die längeren heißen Schmelz. Es gibt auch P. aus Metall, z.B. Stahl-, Silber-, Goldperlen, erstere aus verstählten Eisenstreifen, letztere beiden aus vergoldetem od. versilbertem Messing od. Tombak, sie sind Kügelchen von mancherlei Stoffen, welche, an eine Schnur gereiht, zu Halsbändern, Rosenkränzen u. dergl. benutzt werden. Die Türkischen Rosenperlen werden aus verschiedenen Massen gefertigt, denen eine in Rosenöl abgeriebene Farbe zugesetzt wurde.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 834-835.
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