[384] Japan, das Land der Fabeln und Mährchen, wie China, dem forschenden Auge des Europäers gleich tief verschleiert wie dieses, ein asiatisches Kaiserthum mit 45 Mill. Ew., ein großes Inselreich im Osten Asiens, das sich vom chinesischen Meere in ungeheuerer Länge bis nach Kamtschatka hinauf erstreckt. Diese Ausdehnung bedingt eine große Verschidenheit des Klima's und der Producte. Die nördlichsten Inseln theilen mit Kamtschatka die eisige Unwirthbarkeit, das zweitgroße Eiland Jesso zeigt eine reiche Vegetation und auf der südlich gelegenen Hauptinsel Nippon gedeihen Thee, Kaffe, Indigo, Reis, Orangen, Apfelsinen, Wein, Palmen und tropische Früchte im Überfluß. Japan ist trefflich angebaut, tausend Fuß hohe Felsen sind mit Erde bedeckt, besät und bepflanzt; alle Berge terrassirt. Die große Einwohnerzahl bedingt solche Blüthe der Agrikultur und von Seiten der Regierung wird deßhalb streng auf die sorgfältigste Bebauung des Bodens gesehen. Diese geht so weit, daß, wer seinen Acker vernachlässigt, das Eigenthumsrecht desselben verliert. Die Blumenzucht steht im höchsten Flor und der neueste Reisebeschreiber Meijlan erzählt Wunderdinge davon. Die Japanesen haben es dahin gebracht, Fruchtbäume so im Wuchse zurückzuhalten, daß sie kaum die Größe von Blumen erreichen, ohne ihre Eigenschaft, Blüten und Früchte zu tragen, zu verlieren. Dagegen ist ihr Obst und ihr Gemüse nur wenig schmackhaft. Japan, das seine Bevölkerung ohne Zweifel von China aus erhielt, ist im Besitze einer Kultur, welche die aller übrigen asiat. Völkerschaften weit hinter sich zurück läßt. Die [384] Schachteln, Drehplatten, Pfeifenköpfe, Tische, Hängebrücken, Leibgürtel, Kopfbedeckungen etc. aus Metall; treffliche Seidenzeuge, Goldstoffe, Stickereien, Elfenbeinwaaren, lackirtes Leder, Flechtwerke. Namentlich sind die letztgenannten Arbeiten von unerreichter Dauer und Schönheit. Sie flechten z. B. aus Bambusrohr Theetassen, Teller, Schüsseln etc. so dicht und fest, daß kein Tropfen Wasser hindurchdringen kann. Gleich schön sind ihre Malereien auf Holz und Leder, ihre Vergoldungen, welche die chinesischen bei Weitem übertreffen. Das japanische Porzellan steht selbst in China in hohem Preise. Aber trotz dieser Blüte der Industrie, trotz ihrer vom Meer umflossenen Lage, sind sie kein Handel treibend Volk. Nur mit den Holländern stehen sie in einigem, jedoch unbedeutendem, Verkehr, und auch diese dürfen nicht in das Innere des Landes und sind auf die Factorei Decima, die auf einer kleinen Insel bei Nangasaki liegt, beschränkt. Frühern Reisenden, z. B. Golowin und Kampfer, verdanken wir allein authentische Nachrichten über Japan. Die ganze Einwohnerzahl ist in Sectionen von 5 Familien eingetheilt, die einander wechselsweise beobachten müssen, um die Gesetze des Landes aufrecht zu erhalten; so ist der Vater oft Aufpasser seiner Kinder, die Frau muß den Mann, die Magd den Herrn, der Nachbar den Nachbar beobachten. Wird ein Vergehen bewiesen, so folgt die Strafe auf dem Fuße. Kleinere Uebertretungen der Gesetze werden mit Hausarrest, der sich auf 100 Tage erstrecken kann, bestraft. Die Polizei schließt Thüren und Fenster des Gefangenen, stellt sein Gewerbe ein, und, bezieht er eine Besoldung, so wird diese während der Dauer seiner Strafzeit zurückbehalten. Eben so streng ist die öffentliche Polizei. In jeder Straße befinden sich Wachhäuser, überall sieht man Schlag bäume, wodurch bei Aufläufen etc. die Gassen gesperrt werden können. Durch dieses System der Strenge werden freilich viele Verbrechen verhindert, die größern aber, weil die Strafe zu hart ist, häufig aus Gutmüthigkeit von den Mitwissern verschwiegen; denn[385] der Charakter der Japanesen ist weder boshaft noch blutdürstig. Im Ganzen ist das Volk stolz, unwissend und sinnlich. Sie halten sich für Abkömmlinge der Götter und in den 700 Theehäusern zu Nangasaki (70,000 Einw.) findet man die indischen Bajaderen. Ihr eheloser Zustand und ihr freier Lebenswandel entehrt eben so wenig, wie dort, und sie können in den Privatstand zurücktreten, ohne an Achtung zu verlieren. So friedlich sonst der Charakter des Volkes, so schwer verzeihen die Japanesen Beleidigungen. Verzeihung gilt für Schwäche und ist entehrend; deßhalb vererbt sich auch die Rache vom Großvater auf den Enkel, und dieser muß oft büßen, was jener verbrochen. In neuerer Zeit hat jedoch diese grausame Sitte abgenommen. Häufig schlitzt sich der Beleidigte, besonders wenn er von vornehmer Geburt ist, den Leib auf, läßt dieß dem Beleidiger sagen, und dieser muß, will er ein Ehrenmann sein, dieselbe Todesart wählen. Selten geschieht es, daß Jemand diese Art Duell ausschlägt. Uebrigens sorgt eine weitverzweigte, trefflich organisirte Verwaltung für das ganze Land, wie für jedes einzelne Glied der Gesellschaft. Die höchste Staatsgewalt oder vielmehr das höchste Ansehen befindet sich in den Händen des Dairi und des Cubo. Jener ist der göttliche, dieser der weltliche Kaiser. Der Dairi wohnt als beständiger Gefangener in seinem Palaste zu Miakko; nur alle vier Jahre besucht er den Tempel zu Tsiwoinja, sein Fuß darf die Erde nicht berühren, die Sonne darf ihn nicht bescheinen; die Pfeife, woraus er raucht, der Teller, von dem er speist, wird augenblicklich zerbrochen, er darf sich durchaus mit nichts beschäftigen. Zur Erheiterung in seiner Einsamkeit sind hm eine Frau und 12 Jungfrauen beigegeben, welche ihn durch Musik und Lektüre etc. unterhalten. Stirbt er, so wird sein Tod sorgfältig verheimlicht, bis sein Nachfolger erwählt ist. Der Cubo ist gleichfalls in seinem Palaste zu Jeddo eingeschlossen, der übrigens eine Stadt, so groß wie Amsterdam, bildet. Es ist unter seiner Würde, sich mit dem Wohl seines Landes zu befassen, nur[386] im Kriege ist er oberster Feldherr; ein ungeheures Gepränge umgibt ihn, das ihn nicht zur Besinnung kommen läßt. In seinen Vergnügungen ist er beschränkt. Ein Ministerrath von 7 Personen leitet die Regierungsangelegenheiten; jeder Zweig des Geschäftes, selbst in den entferntesten Provinzen, ist auf's Sorgfältigste geordnet. Wie in Indien, ist die ganze Nation in Kasten getheilt. Niemand darf ungestraft seine Kaste verlassen. Dadurch glaubt man dem politischen Ehrgeiz Schranken zu setzen: der Sohn des Soldaten muß Soldat, der des Handwerkers Handwerker werden. Ein freies Aufstreben des Talentes wird nicht geduldet Trotz aller Verschrobenheit der geselligen Verhältnisse, trotz des Despotendruckes gedeiht eine schöne Tugend in ihrer allgemeinsten Ausdehnung, es ist die kindliche Liebe. Der Sohn ernährt die Eltern in ihren spätern Jahren. Ist der Vater alt und schwach, so übernimmt der Sohn sein Geschäft und sorgt von da an für ihn mit der rührendsten Zärtlichkeit. Eben so exemplarisch benehmen sich die Frauen gegen ihre Männer. Zwar bestraft ein grausames Gesetz die eheliche Untreue; aber höchst selten wird es in Anwendung gebracht; denn die reinere Sinnesart ist es allein, welche sie in den Schranken der Pflicht und Tugend zurückhält Den Holländern ist kein einziges Beispiel weiblicher Treulosigkeit vorgekommen. Dem Manne dagegen ist der Umgang mit mehreren Frauen zugleich gestattet. Die Japanesinnen sind die trefflichsten Hausfrauen, die besten Gattinnen und Mütter, vie liebenswürdigsten Gesellschafterinnen. Ihre sociale Stellung kommt jener der europäischen Frauen ziemlich gleich. Bei allen Versammlungen des Vergnügens, der Heiterkeit sind sie zugegen und führen den Vorsitz, erheitern das Mahl und verschönern die Feste. Scherz, Tanz, Lautenspiel wechseln ab; manche beschäftigen sich in den der Unterhaltung gewidmeten Zirkeln mit weiblichen Arbeiten, gerade wie bei uns. Sie verfertigen treffliche Straminstickereien, künstliche Blumen, Papparbeiten, Etuis, Schachteln, Glasgemälde, Mosaiken aus[387] Schmelz, Perlen, bunten Vogelfedern, Flügeldecken der Käfer etc. Ein Lieblingsvergnügen der Japanesen ist das Theater, welches in jeder Hinsicht weit über dem chinesischen steht. Es hat sein Besuch noch darum einen eigenen Reiz, weil sie sich während der Zwischenakte jedes Mal umziehen, und so ihre prachtvolle Garderobe zur Schau tragen können. Zu diesem Behufe nehmen sie dieselbe stets nebst ihrer ganzen Dienerschaft mit in's Theater. Andere Vergnügungen bestehen aus Spazierfahrten in prächtig erleuchteten Gondeln, Feuerwerken etc. Das Costüm der Frauen, welches Aehnlichkeit mit dem chinesischen hat, ist nach unsern Begriffen nicht geschmackvoll. Das Haar wird auf dem Scheitel zusammengebunden und mit Nadeln durchstochen, die Augenbraunen werden ausgerupft, die Zähne schwarz gefärbt. Die Kleider bestehen aus den mannichfaltigsten Stoffen, ähneln jedoch fast gänzlich unsern Schlafröcken, und es ist Mode, deren viele, oft zwanzig über einander, anzuziehen. Der Gürtel, das kostbarste Stück des Putzes, ist eine halbe Elle breit, und bezeichnet nur dürftig das, was wir Taille nennen. Die Japaner sind braungelb und von mittlerer Größe; die vornehmen Frauen, welche wenig ausgehen, haben jedoch eine so weiße Farbe, als die Europäerinnen. Die Augen sind tief liegend und länglich schmal, wie bei den Mongolen, glänzend schwarz und seelenvoll. Unter dem schönen Geschlechte gibt es wirkliche Schönheiten und der Reisende Kämpfer sah Frauen so zart und klein gebaut, daß man sie für Puppen halten sollte.
V. u. n.
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