Hermes [2]

[285] Hermes , Georg, der Urheber des sog. H.ianismus, geb. 1775 zu Dreyerwalde in Westfalen, studierte Theologie und Philosophie, namentlich die Kantʼsche, wurde 1798 Gymnasiallehrer zu Münster, 1799 Priester und 1807 Prof. der Theologie, nachdem er 1805 die Schrift »Ueber die innere Wahrheit des Christenthums« veröffentlicht hatte. Zu Bonn, wohin man ihn 1819 berief, erhielt er durch den Kölner Erzbischof, Grafen Spiegel, 1825 die Stelle eines Domherrn und st. 1831. H. studierte u. lehrte in einer Zeit, die [285] sich im Ganzen fest in den Wahn eingerannt hatte, daß die Theologie in der Philosophie aufgehen müsse; er selbst hielt die Vernunft für die oberste Richterin in Glaubenssachen, wollte im Unterschied von allen frühern Zeiten durch das Erkennen zum Glauben gelangen, wußte die Philosopheme von Kant und Fichte nicht mit dem kathol. Dogma zu vereinbaren und quälte sich sein Lebenlang damit ab, ein zeitgemäßes u. dennoch kathol. »System« zu ergründen. Demgemäß untersuchte er in seiner Hauptschrift: »Philos. Einleitung in die christkathol. Theologie«, Münster 1819, 2. Aufl. 1831, ob a) der Mensch überhaupt einer sichern Entschiedenheit über Wahrheit u. Wirklichkeit fähig, ob ferner b) ein Gott sei und welche Eigenschaften derselbe habe; endlich ob c) eine Offenbarung möglich und unter welchen allgem. Bedingungen dieselbe wirklich sei. Nach solchen der kathol. Weltanschauung offenbar widersprechenden Untersuchungen läßt H. erst die sog. theoretische Theologie beginnen u. findet, daß dieselbe mit der praktischen, der Moraltheologie, keineswegs nothwendig zusammenhänge, ein Ergebniß, welches in letzter Instanz Offenbarung und Kirche überhaupt als unnütz erscheinen läßt. Schon bei seinen Lebzeiten hatte H. einzelne Gegner gefunden, doch erst nach seinem Tode entbrannte der Kampf und der Papst sah sich veranlaßt, durch Breven vom 26. Septbr. 1835 und 7. Jan. 1836 den H.ianismus zu verwerfen. Die H.ianer fanden die verworfenen Lehren in der That verwerflich, behaupteten jedoch, es seien nicht die ihres Hauptes, diese seien durch Verdammung der Lehren des Abbé Bautain u. Lammenais mittelbar schon gutgeheißen u.s.w. Obwohl die Anhänger des H.ianismus seit 1837 immer mehr zusammenschmolzen, mußten doch noch 1845 Braun und Achterfeldt von ihren Lehrstühlen entfernt werden, Papst Pius IX. hatte sich 1847 dagegen zu verwahren, daß er selbst ein H.ianer sei, weil er in der Encyclika vom 9. Nov. 1846 das Studium der Wissenschaften empfohlen u. bis heute noch gibt es einige Schüler des H., welche die Lehren ihres Meisters für unverfänglich und Roms Urtheil darüber für irrig halten. Vgl. Elvenichs Acta Hermesiana, Gött. 1836; die hermesischen Lehren in Bezug auf die päpstl. Verurtheilung urkundlich dargestellt, Mainz 1837; Meletemata theologica, Leipzig 1838.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 285-286.
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